Berlin. Mit geeinten Kräften versuchen Notenbanken, die Finanzmärkte zu stabilisieren. Kann eine Ausbreitung der Krise damit verhindert werden?

Die Rettung erfolgte für einen solchen Riesendeal in schwindelerregender Schnelligkeit. In einem nur wenige Tage dauernden Verhandlungsmarathon wurde die strauchelnde Schweizer Traditionsbank Credit Suisse von der größten Schweizer Bank UBS übernommen – und damit ein möglicher Kollaps der weltweiten Finanzmärkte verhindert. Wichtige Fragen und Antworten zu der Übernahme.

Warum wurde die Credit Suisse von der UBS übernommen?

Auf Druck der Schweizer Regierung hat die größte Schweizer Bank UBS noch am Sonntagabend den angeschlagenen Konkurrenten Credit Suisse für drei Milliarden Franken (gut 3 Milliarden Euro) übernommen. Zusätzlich steht das Großinstitut UBS für Verluste von bis zu fünf Milliarden Franken gerade.

Eine Rettung sollte vor allem ein Übergreifen der Krise auf andere Banken verhindern, wie es vor 15 Jahren nach der Pleite der Lehman-Bank geschah. Die Übernahme der Credit Suisse sei nicht nur für die Schweiz „entscheidend“, sondern für die Stabilität des Gesamten globalen Finanzsystems, argumentierte der Schweizer Bundespräsident Alain Berset.

Credit Suisse: War die Rettung wirklich existenziell?

Die zugesicherten Milliardenunterstützungen und Absicherungen durch den Staat und die Schweizerische Nationalbank (SNB) für die UBS unterstreichen die Brisanz der Lage. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Transaktion und stellt den Banken ein mit einer Ausfallgarantie des Bundes gesichertes Liquiditätsdarlehen von bis zu 100 Milliarden Franken zur Verfügung. Zudem sichert der Schweizer Staat der UBS eine Verlustgarantie von 9 Milliarden Franken zu und gibt Liquiditätszusagen von bis zu 200 Milliarden Franken.

Wie reagieren die weltweiten Notenbanken?

Weltweit begrüßen die Notenbanken die Übernahme. Flankierend starten jedoch die sechs großen Notenbanken eine zusätzliche gemeinsame Aktion, um das Finanzsystem weiter zu stabilisieren und noch stärker mit Dollar-Liquidität zu versorgen. Geschäfte in Dollar sollen ab sofort nicht mehr nur wöchentlich, sondern täglich durchgeführt werden. Dies soll sicherstellen, dass Banken für internationale Geschäfte nicht der Dollar als Weltreservewährung ausgeht.

Hintergrund: Credit Suisse: Wie es zu den Turbulenzen kam

Diese Aktion gelte bis mindestens Ende April. Beteiligt sind neben der Europäische Zentralbank (EZB) die Notenbanken der USA, Kanadas, Großbritanniens, Japans und der Schweiz. In Krisenzeiten besteht ein erhöhter Bedarf an Liquidität. Allein in der vergangenen Woche haben US-Banken die Rekordsumme von 153 Milliarden Dollar an kurzfristigen Krediten bei der Federal Reserve (Fed) ausgeliehen.

Wie groß ist die UBS jetzt?

Die UBS verwaltet durch die Übernahme der zweitgrößten Schweizer Bank Credit Suisse ein Vermögen von mehr als 5 Billionen US-Dollar. Die 167 Jahre alte Credit Suisse war durch Missmanagement, Korruption und zuletzt nach der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) durch einen massiven Vertrauensverlust der Kunden, die dem Institut ihr Geld entzogen, ins Wanken geraten. Die Traditionsbank zählte zu den 30 systemrelevanten Banken, deren Ausfall das internationale Finanzsystem erschüttern können.

Die UBS beschäftigt jetzt 120.000 Mitarbeiter. Mit einem Beschäftigtenabbau wird gerechnet. Ob die UBS durch die Übernahme gestärkt wird, muss die Zukunft zeigen. Die UBS erzielte 2022 einen Gewinn von 7,6 Milliarden Dollar (7,07 Milliarden Euro), die Credit Suisse wies einen Verlust von 7,3 Milliarden Franken aus.

Welche Gefahren gehen von einer neuen Großbank aus?

Die UBS-Bank gilt als gesund. Durch die Übernahme der Credit Suisse übernimmt die UBS jedoch Risiken. „Die Schweizer Regierung geht ein großes Risiko ein“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Denn mit dem Zusammenschluss zwei so großer Banken entsteht nun eine gigantische Super-Bank, die bei einem Scheitern das gesamte Land in Schieflage bringen würde.“ Sie könnte im Krisenfall niemals fallen gelassen werden.

Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, sieht auch Risiken in der Bankenübernahme.
Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, sieht auch Risiken in der Bankenübernahme. © dpa | Annette Riedl

UBS und Credit Suisse: Wie reagieren die Börsen?

An den weltweiten Börsen ist die Unsicherheit groß, was sich in stark schwankenden Kursen niederschlägt. Insbesondere Bankenaktien verloren teils kräftig, konnten dann aber auch wieder sprunghaft zulegen.

Inwieweit sind Anleger betroffen?

Aktionäre der Credit Suisse aber auch anderer Bankaktien mussten teils deutliche Wertverluste hinnehmen. Zudem verlieren Inhaber von eigenkapitalähnlichen Anleihen der Credit Suisse, so genannte Additionel-Tier-1-Anleihen, ihr Geld – die Papiere im Nominalwert von 16 Milliarden Franken werden auf null geschrieben. AT-1-Anleihen bilden eigentlich einen Puffer, damit Banken in Krisenzeiten nicht so schnell zusammenbrechen. Ihr Markt wird in Europa auf 250 Milliarden Euro beziffert. Die Deutsche Bank war nach eigenen Angaben in diese Titel „nahe null“ investiert, die Commerzbank gar nicht.

Kann die Krise auch deutsche Banken treffen?

Das deutsche Finanzsystem erweist sich „weiterhin als stabil und robust“, urteilt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). BundeskanzlerOlaf Scholz begrüßt das „entschlossene Handeln“ der Schweizer Behörden und sieht das deutsche Bankensystem „gut aufgestellt“. Auch die Bankenaufsicht der EZB bezeichnet den europäischen Bankensektor als widerstandsfähig, der über ein solides Kapitalniveau verfüge.

Sind weitere Leitzinserhöhungen sinnvoll?

DIW-Präsident rät von weiteren Zinserhöhungen der EZB ab. Schon die letzte sei „im besten Fall eine riskante Entscheidung und im negativen Fall ein schwerwiegender Fehler“ gewesen. Es gebe auch in Deutschland Anzeichen für erhebliche Verluste bei Finanzinstituten, wie Abschreibungen der Sparkassen zeigten, so Fratzscher:

Hintergrund:EZB erhöht Leitzins auf 3,5 Prozent – Wie riskant ist das?

„Die Verluste werden sich mit jedem Zinsanstieg der Europäischen Zentralbank weiter verschärfen.“ Die EZB steckt damit im Dilemma, einerseits die Inflation durch Zinserhöhungen bekämpfen zu wollen und andererseits nicht die Finanzstabilität zu gefährden. Fratzscher sieht in einer Bankenkrise derzeit jedoch „die größte Gefahr für die Preisstabilität in Deutschland und Europa“. Die US-Notenbank Fed entscheidet am Mittwoch über weitere Zinsschritte.

Besteht Ansteckungsgefahr für andere Länder?

Viel hängt vom Vertrauen der Kunden in die Banken ab. Die systemischen Risiken im Finanzsystem sind heute deutlich geringer als während der Lehman-Pleite, da viele Finanzinstitute über mehr Eigenkapital und Absicherungen verfügten, meint DIW-Chef Fratzscher. Wichtig sei es, dass es zu keiner Panik an den Kapitalmärkten komme. „Die Politik muss offen und ehrlich kommunizieren, darf Probleme nicht klein reden, sollte aber auch darauf verzichten, weitere Ängste zu schüren“, so Fratzscher.

Wie sicher sind Gelder auf Spar- und Tagesgeldkonten?

Wer sein Geld bei deutschen Geldinstituten auf Spar-, Festgeld-, Tagesgeld- oder Girokonto liegen hat, muss sich wenig Sorgen machen. Bargeldeinlagen sind in Deutschland gesetzlich bis 100.000 Euro geschützt – bei manchen Instituten sogar noch mehr. Im Falle einer Bankinsolvenz bekommt man diesen Betrag ersetzt.