Berlin. Ob Butter, Milch, Fleisch oder Wurst: Die Preise für Lebensmittel bleiben hoch. Was die Industrie, Landwirte und Bio-Märkte erwarten.

Jeder spürt es im Geldbeutel. Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich in Europa nicht nur die Sicherheitslage verändert, sondern auch die Versorgung mit Lebensmitteln. Die Preise für Essen und Getränke sind im Jahr 2022 in Deutschland so stark gestiegen wie nie zuvor: Im Jahresdurchschnitt zahlten die Verbraucher 13,4 Prozent mehr als im Jahr davor.

Neben den Energiepreisen trieben die Nahrungsmittelpreise wesentlich die Inflation hoch. Butter, Sonnenblumenöl kosten heute gut ein Drittel, Milch und Eier etwa 20 Prozent, Fleisch und Wurst rund 15 Prozent mehr als vor dem Kriegsausbruch. Gemüse wurde um rund 11 Prozent, Obst um drei Prozent teurer. Geht es in diesem Jahr so weiter oder dürfen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit rückläufigen Preisen rechnen?

Entscheidend für die Preisentwicklung sind die Rohstoffpreise für Agrarprodukte, die Energiekosten und die weltweiten Ernteerträge – doch Prognosen bleiben schwierig. Insgesamt sind die Preise für Getreide und Lebensmittel am Weltmarkt seit der Kostenexplosion im Frühjahr 2022 laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wieder gesunken. Dennoch bleiben sie „weltweit auf einem hohen Niveau“, so die FAO-Prognose. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie sieht „noch keine Entspannung“, sagt der Vorsitzende Christian von Boetticher. Die hohen Einkaufspreise des Vorjahres würden sich auch 2023 noch auf viele Produkte durchschlagen.

Inflation: Bauernverband erwartet Lebensmittelpreise auf höherem Niveau

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) erwartet für dieses Jahr, „dass sich die Lebensmittelpreise weiter auf einem höheren Niveau halten werden“, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied dieser Redaktion. „Das ist auch notwendig, weil vor allem die Kosten für Energie, Dünge- und Futtermittel vermutlich mittelfristig nicht deutlich fallen werden.“

Aktuell kosten Düngemittel noch gut 3,5 Mal so viel wie vor dem Ukrainekrieg, auch die Energiepreise seien noch hoch. „Auf Grund der hohen Betriebsmittelkosten brauchen unsere Betriebe die höheren Lebensmittelpreise, um überhaupt weiter wirtschaften zu können“, meint Rukwied. Die Rohstoffe, die die Bauern liefern, machten etwa einen Preisanteil von 20 Prozent an den Endprodukten aus.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, erwartet 2023 weiter hohe Lebensmittelpreise
Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, erwartet 2023 weiter hohe Lebensmittelpreise © dpa | Fabian Sommer

Biobauern, die keine Pflanzenschutzmittel und synthetisch erzeugte Stickstoffdünger verwenden, sind hier wiederum im Vorteil. So stiegen die Preise für Bio-Karotten, Äpfel, Butter oder Eier teilweise weniger stark als die gleichen Produkte aus konventionellem Anbau. „Bio wirkt als Inflationsbremse“, meint der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Somit hätten sich die Lebensmittelpreise für Bio-Qualitäten und konventionelle Produkte seit dem Ukraine-Krieg sogar angenähert. Doch auch Bio-Bauern brauchen auskömmliche Preise, da auf gleicher Fläche weniger Ertrag erzielt werde als im konventionellen Anbau.

Inflation: Verbraucher kaufen preisbewusst ein

Zugleich sind die Verbraucher aktuell sehr kostenbewusst. Insgesamt sind die Umsätze inflationsbereinigt im Lebensmitteleinzelhandel rückläufig. Wer Bio einkauft, macht dies verstärkt in Discountern und Supermärkten, was Bio-Läden durch Einbußen spüren – und sogar schon zu Insolvenzen geführt hat. „Hier erleben wir, dass die Kunden im Grundsatz Bio treu bleiben aber vermehrt zu günstigeren Bio-Produkten greifen“, sagt Peter Röhrig, Geschäftsführender Vorstand des BÖLW. Die Verbrauchertreue bei Bio - und somit eine Kaufentscheidung pro Nachhaltigkeit und Umweltschutz – sei aber ungebrochen.

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Wie stark die Preise für Obst und Gemüse konkret steigen werden, ist laut Rukwied kaum voraussehbar. „Das ist ein wenig wie der Blick in die Kristallkugel und nur sehr schwer einzuschätzen. Die Märkte sind derzeit extrem volatil. Es ist ein ständiges auf und ab, so dass die Kosten für die Betriebe schwer kalkulierbar sind.“

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Ein weiterer Preistreiber für die nächste Spargel- und Erdbeerernten wird der Mindestlohn sein, der sich auf 12 Euro je Stunde verteuert hat. Angesichts mancher Angebote aus dem Ausland sei Deutschland damit nicht mehr wettbewerbsfähig. Im vergangenen Jahr wurde teilweise Spargel aus Italien für 3 Euro das Kilo verkauft. Für diesen Preis könne man in Deutschland keinen Spargel stechen.

Lebensmittelhandel ringt um günstige Einkaufspreise

Preisdämpfend wirkt sich in Deutschland auch der Lebensmitteleinzelhandel aus, der regelmäßig mit seinen Lieferanten um Einkaufspreise ringt. So stellen sich Edeka und Rewe derzeit gegen überhöhte Preisforderungen in Milliardenhöhe durch Hersteller. Bereits 2022 hatten unterschiedlichen Preisvorstellungen dazu geführt, dass nicht mehr alle Markenprodukte wie Coca-Cola oder Mars-Riegel in den Regalen standen.

Das Positive: Im europäischen Vergleich sind die Lebensmittelpreise in Deutschland immer noch günstig. Aktuell geben die Haushalte etwa zehn Prozent ihrer Gesamtausgaben für Lebensmittel aus, was global gesehen ein niedriger Wert sei, sagt der Bauernpräsident: „Das kann ein bisschen zulegen, aber nach wie vor sind Lebensmittel in Deutschland günstig einzukaufen.“

Insgesamt mahnt der Bauernpräsident, die Lebensmittelerzeugung dauerhaft zu sichern. „Dieser Krieg hat uns auf drastische Weise gezeigt, dass Versorgungssicherheit keine Selbstverständlichkeit ist.“ Es wäre unverantwortlich, sich bei lebensnotwendigen Ressourcen in Abhängigkeit anderer Länder zu begeben. „Gerade bei der Versorgung mit Lebensmitteln darf das nicht passieren. Wir müssen alles daransetzen, die Selbstversorgung zu gewährleisten.“