Berlin. In Sachsen schränkt eine Wohngenossenschaft aufgrund der hohen Gaspreise die Warmwasserversorgung ein. Ist das überhaupt zulässig?

Das Schreiben beginnt harmlos: „Sehr geehrte Mitglieder, die Preise für Gas und Strom steigen weiter. Wie in der Mitgliederversammlung schon angekündigt müssen wir jetzt für den Winter ­sparen“, heißt es in einem Papier, das die sächsische Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde ausgehangen hat.

Doch was folgt, ist kein freiwilliger Aufruf an die Mieterinnen und Mieter, aufgrund der Energiekrise sparsamer zu sein. Stattdessen prescht die Genossenschaft vor: Die Heizung werde bis September komplett ausgestellt, warmes Wasser werde montags bis freitags nur noch zwischen 4 und 8 Uhr, 11 und 13 Uhr sowie 17 und 21 Uhr angeboten. Am Wochenende sei warmes Wasser am Nachmittag noch eine zusätzliche Stunde verfügbar, nämlich schon ab 16 Uhr.

Gas: Vermieter stellt zeitweise das Warmwasser ab

Erstmals stellt ein Großvermieter aufgrund der gestiegenen Preise für Gas und Strom zumindest zeitweise das warme Wasser ab. Seitdem steht das Telefon bei Falk Kühn-Meisegeier nicht mehr still. Dabei sollte man eigentlich meinen, dass es in Dippoldiswalde beschaulich zugeht. Rund 14.000 Einwohner leben in dem Erzgebirgsstädtchen nahe Dresden. Die gleichnamige Wohnungsgenossenschaft betreibt 600 Wohnungen, die Miete ist mit 5,50 Euro pro Quadratmeter im Schnitt günstig.

Und eigentlich wollte Kühn-Meisegeier mit dem Schritt auch etwas für die Mieter tun: „Die Gaspreise steigen und steigen. Wir müssen jetzt gucken, was wir tun können, um den Anstieg für die Mieter zu verlangsamen“, erklärt er am Telefon. Niemand brauche im Sommer eine Heizung, und beim Warmwasser müsse man reduzieren: „Warmes Wasser in der Nacht ist ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können.“

Und was ist etwa mit Schichtarbeitern? Für die werde es schwierig, räumt Kühn-Meisegeier ein: „Die haben ohnehin das schwere Los gezogen. Aber wir müssen gucken, wie wir jetzt sparen können.“ Lesen Sie hier: Bundesnetzagentur-Chef: „Verbraucher werden schockiert sein“

Bauministerin Geywitz: „Warmwasser abstellen ist rechtswidrig“

Mit dieser Sichtweise hat Kühn-Meisegeier ein Politikum ausgelöst. „Einfach das Warmwasser zeitweise abzustellen, ist rechtswidrig“, sagte BundesbauministerinKlara Geywitz (SPD) unserer Redaktion. „Das Vorgehen der Wohnungsgenossenschaft Dippoldiswalde geht gar nicht“, schimpft Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Die rechtliche Situation sei eindeutig, sagte Siebenkotten unserer Redaktion. Der Vermieter müsse rund um die Uhr warmes Wasser zur Verfügung stellen. Tue er das nicht, sei das ein Mietminderungsgrund. Zwar gebe es nur wenige einschlägige Urteile zu dem Thema. Das Amtsgericht Köln habe aber eine Mietminderung um 7,5 Prozent für zulässig erklärt, weil nachts kein Warmwasser zur Verfügung gestanden habe.

Im Fall von Dippoldiswalde gehe es auch um Einschränkungen am Tag. „Damit wäre eine Mietminderung um rund zehn Prozent wohl möglich“, so Siebenkotten. „Es ist nicht die Aufgabe des Vermieters, den Mieter zum Energiesparen zu zwingen.“ Lesen Sie hier: Günstiger wohnen: Diese Neuerung plant die Ampelkoalition

Wohnungswirtschaft verteidigt Vorgehen

Axel Gedaschko, Präsident der Wohnungswirtschaft GdW, nimmt die Wohngenossenschaft dagegen in Schutz. „Der Zweck sind Energie- und Kosteneinsparungen, die alleine den Genossenschaftsmitgliedern zugutekommen sollen und von denen die Vermieterseite selbst nichts hat“, sagte Gedaschko unserer Redaktion. Allerdings sei das Modell nicht auf andere Wohnungsunternehmen übertragbar, da es ohne einvernehmliche Absprache mit den Mietern unzulässig wäre.

Die aktuell schwierigen Zeiten würden aber schwierige Entscheidungen erfordern, die nicht immer auf Zustimmung treffen würden, so Gedaschko.

Wohnungsgenossenschaft prescht vor

In Dippoldiswalde können die meisten Mieter trotz des Entschlusses weiter warm duschen. Von den 600 Wohnungen würden nur rund 260 unter die Regelung fallen, sagte Kühn-Meisegeier. Bis auf 16 Wohnungen, wo das Wasser tatsächlich in den ausgewiesenen Zeiten kalt sei, stehe in den anderen Wohnungen zudem warmes Wasser aus dem Boiler parat. „Wenn nicht alle Parteien nachts duschen, ist warmes Wasser also vorhanden“, sagt der Genossenschaftsgeschäftsführer.

Die Kritik vom Mieterbund weist Kühn-Meisegeier zurück. „Energie zu sparen und dann auch noch die Miete reduzieren zu wollen – diese Forderung des Mieterbundes will mir nicht in den Kopf gehen. Es sollten jetzt alle mithelfen und pragmatische Lösungen finden.“ Da der Bund keine gesetzliche Regelung vorgelegt habe, sei man nun selbst vorangegangen. Zuletzt war diskutiert worden, ob im Winter die Mindesttemperatur in den Wohnungen abgesenkt werden müsse.

Wohnungsgenossenschaft stößt laut eigener Aussage nicht auf Widerstand

Seitens der Mieter gebe es keinen Widerstand, sagt Kühn-Meisegeier. „Vielleicht sind ein, zwei Parteien dagegen – die überwältigende Mehrheit hat aber den Sinn erkannt. Es gibt keinen Protest. Die Leute müssen und wollen sparen.“

Nur: Ein bis zwei Parteien reichen schon aus, damit die ganze Aktion rechtswidrig ist, meint Mieterbundpräsident Sieben­kotten. Eine solche Maßnahme sei nur dann zulässig, wenn alle Mieter einverstanden sind.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.