Hannover. Die hohe Inflation trifft auch die beliebten Urlaubsländer. Womit Reisende rechnen müssen, sagt TUI-Deutschlandchef Stefan Baumert.

Alles wird gerade deutlich teurer. Auch der Urlaub? TUI-Deutschlandchef Stefan Baumert erklärt im Interview, mit welchen Kosten und Corona-Einschränkungen Reisende in diesem Jahr rechnen müssen, welche Ziele besonders beliebt sind und wann Fernreisen wieder möglich sind.

Herr Baumert, die Corona-Maßnahmen fallen, die Menschen sehnen sich nach Urlaub – wie wird das Urlaubsjahr 2022?

Stefan Baumert: Die Zeichen stehen wirklich gut. Wir sind überzeugt davon, dass wir an das Niveau von 2019 herankommen. Die Impfquote ist hoch genug, überall fallen die Corona-Restriktionen. Immer mehr Länder verschwinden von der Liste der Hochrisikogebiete, wie zuletzt Spanien oder die USA. Unsere Kunden haben Nachholbedarf. Das beschert uns einen starken Buchungseingang.

Wie sieht es mit den Corona-Bestimmungen in den Reiseländern aus? Droht noch ein Sommer mit völlig unterschiedlichen Regelungen?

Ich bin zuversichtlich, dass das Reisen in diesem Sommer dank weniger Restriktionen einfacher wird als in den Vorjahren. In der EU rechne ich mit einer weitgehenden Harmonisierung. Entscheidend wird aus heutiger Sicht der Impfstatus sein, wobei ich mir auch eine 3G-Regelung vorstellen kann. Außerhalb Europas wird es vermutlich nicht so homogen sein. Aber unsere Gäste und wir als Reiseveranstalter sind mittlerweile sehr geübt im Umgang mit den unterschiedlichen Corona-Regeln.

Bleibt es bei Corona-Maßnahmen in den Hotels und Clubs?

Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Wir halten uns natürlich an die lokalen Vorschriften in den Urlaubsländern. Sicherheit und Gesundheit gehen immer vor. Gewisse Basismaßnahmen wie Abstandhalten und Maskentragen werden wohl den Sommer über bleiben. Ansonsten rechne ich aber mit einem weitgehend beschränkungsfreien Urlaub.

Welche Urlaubsziele sind 2022 besonders gefragt?

Für die Sommersaison sehen wir eine starke Nachfrage nach Spanien, Griechenland und der Türkei. Mallorca wird als beliebtestes Ziel der Deutschen für Flugreisen zurückkommen. Hier sehen wir schon einen sehr kurzfristigen Buchungsanstieg vor Ostern. Das ist bereits Mitte Februar super angelaufen. Unsere Fluggesellschaft TUIfly hatte vorletzte Woche mit 96 Prozent belegten Sitzplätzen quasi eine Vollauslastung. Wir schauen, ob wir zusätzliche Kapazitäten anbieten können.

Tui macht gerade einen erheblichen Teil seines Geschäfts in Griechenland – wie kam es dazu?

Griechenland ist touristisch gesehen sehr gut durch die Pandemie gekommen. Daher haben die Hotels jetzt beim Wiederhochfahren einen gewissen Vorsprung gegenüber anderen Regionen. Traditionell hat TUI eine starke Verbindung nach Griechenland, und wir und die Gäste sind unseren Partnern in der Krise treu geblieben. Als TUI-Gruppe erwarten wir 2022 drei Millionen Griechenland-Urlauber. Das wären 200.000 mehr als vor der Pandemie.

Wie lief die Wintersaison?

Im Oktober hatte ich mir noch mehr erhofft von der Skisaison. Wegen Omikron war es ein Auf und Ab. In Österreich gab es bis vor Weihnachten noch einen Lockdown. Über die Feiertage und ab Mitte Januar lief es dann gut. Da kam die Nachfrage kurzfristig zurück. Generell gut waren die Buchungen für die Kanaren und Kapverden. Unter den gegebenen Umständen können wir mit der Wintersaison also zufrieden sein.

Wann kommen die Fernreisen zurück – und in welche Länder?

Ich rechne in diesem Sommer mit einem Revival der klassischen Fernreiseziele wie Thailand, Mexiko, Dominikanische Republik, Kuba und Indonesien. Das wird jetzt alles nach und nach wieder kommen. Es ist nicht abzusehen, dass eine wichtige Urlaubsdestination in diesem Jahr nicht bereisbar wäre. Das große Comeback werden die USA haben.

Cluburlaub oder Individualreise – was läuft momentan besser?

Bei Cluburlaub läuft unsere Flaggschiff-Marke Robinson in der Pandemie überdurchschnittlich gut. Das liegt sicherlich an dem Gefühl, mehr unter sich zu sein. Auch generell sind Pauschalangebote besser gebucht als individuelle Reisen. Aber das kann sich in den nächsten Monaten mit einer steigenden Nachfrage nach Reisen in die USA oder nach Asien wieder relativieren.

Urlaub in Deutschland boomte 2020/21, wie sieht es dieses Jahr aus?

Urlaub im eigenen Land wird auch 2022 bei den Deutschen sehr bliebt sein. An der Nord- und Ostseeküste wurde es schon vor der Pandemie immer voller und teurer. Insbesondere für die Ferienzeiten und Feiertage muss man hier früh buchen. Wer im Sommer noch kurzfristig etwas auf Sylt finden will, der wird beim dreistelligen Preis für eine Nacht eine 3 vorne sehen. Daher gucken wir bei Autoreisen inzwischen auch vermehrt nach Angeboten hinter der Grenze – etwa in Österreich oder speziell in diesem Jahr in Polen. Bei Swinemünde eröffnen wir in diesem Jahr das erste TUI-Markenhotel an der polnischen Ostseeküste.

Stefan Baumert, Deutschlandchef des Reisekonzerns TUI.
Stefan Baumert, Deutschlandchef des Reisekonzerns TUI. © dpa | Christian Wyrwa

Die Inflation in Europa ist besonders hoch – hat das Auswirkungen auf die Reise-Preise?

Die Inflation betrifft auch die Urlaubsländer. Daher wird es bei kurzfristiger Buchung im Sommer sicherlich weniger Sonderangebote und Schnäppchen geben. Der Kostendruck ist definitiv da. Wer langfristig im Voraus bucht, wird mit der Inflation weniger Probleme haben. Dafür haben wir feste Verträge mit unseren Partnern wie Hotels und Fluggesellschaften abgeschlossen. Was die Preisverhandlungen für das Folgejahr bringen, ist aktuell schwierig abzuschätzen. Dazu muss sich erst zeigen, wie nachhaltig die aktuell höhere Inflation ist.

Was kostet ein Familienurlaub in diesem Jahr?

Eine Woche für vier Personen all-inclusive in einem Vier-Sterne-Hotel startet in all unseren Urlaubsdestinationen bei 2000 Euro. Die Masse der Angebote liegt bei 2500 bis 3000 Euro. Das ist nicht viel mehr als vor der Krise. Dennoch ist der Familienurlaub im Sommer natürlich für die meisten unserer Kunden die größte Investition in einem Jahr.

Gibt es jetzt noch Schnäppchen?

Einzelne Schnäppchen wird es schon noch geben. Aber man wird deutlich flexibler bei Termin, Reiseziel und Hotelkategorie sein müssen als in den Vorjahren.

Bleibt es bei der Option, Reisen flexibel umbuchen zu können?

Der Flex-Tarif hat sich bewährt und soll zu einem dauerhaften Angebot werden. Damit sind wir in der Pandemie einem ganz starken Kundenbedürfnis nachgekommen. 60 bis 70 Prozent der Kunden nutzen den Aufpreis für mehr Flexibilität bis 15 Tage vor Reiseantritt.

Seit Reisen nach den ersten Corona-Lockdowns wieder möglich sind, gönnen sich Reisende mehr Extras wie ein besseres Zimmer. Setzt sich der Trend fort?

Das sehen wir in diesem Jahr auch wieder. Wie Leute buchen längere Reisen als früher und höhere Zimmerkategorien. Das lässt die Urlaubsausgaben deutlich steigen. Das wird bei der Reisedauer sicherlich ein Nachholeffekt sein, in Teilen aber auch eine nachhaltige Entwicklung. Wenn man sich einmal ein besseres Zimmer gegönnt hat, will man das wieder haben.