Berlin. Nach der Pleite von Air Berlin baut der Billigflieger sein Angebot in Deutschland deutlich aus und macht der Lufthansa Konkurrenz.

Wer nach Berlin fliegt, der sieht sie an den Flughäfen Tegel und Schönefeld überall: Die orange-weißen Flugzeuge des britischen Billigfliegers Easyjet. Nach der Pleite von Air Berlin vor über einem Jahr, einst die zweitgrößte Fluggesellschaft in Deutschland, haben sich die Machtverhältnisse am Himmel neu sortiert.

Stark gewachsen ist seither nicht nur Eurowings, der Billigableger der Lufthansa. Auch Easyjet hat sein Angebot fast verdoppelt. Die Briten greifen den deutschen Markt an – und könnten hierzulande ihren Rivalen Ryanair bald überholen.

Auf innerdeutschen Strecken neue Lufthansa-Konkurrenz

Am 5. Januar 2018 startete der erste Easyjet-Airbus in Berlin-Tegel zu einem innerdeutschen Flug. Auf den Routen nach München, Stuttgart, Frankfurt, Köln/Bonn und Düsseldorf hat die Lufthansa damit wieder spürbare Konkurrenz bekommen.

„Die Strecken laufen gut“, sagt Easyjets Europachef Thomas Haagensen im Gespräch mit unserer Redaktion. „Wir sind wirklich zufrieden mit der Auslastung.“

Rivale Ryanair hat Verbindungen reduziert

Mit acht Prozent Marktanteil ist die Airline bei Inlandsflügen der einzige ernsthafte Rivale des Lufthansa-Konzerns. Die Kranich-Airline und ihre Tochter Eurowings beherrschen den Markt mit Anteilen von 55,6, beziehungsweise 31,5 Prozent.

Ryanair hat dagegen seine einzige innerdeutsche Linie zwischen Berlin und Köln/Bonn zuletzt stark reduziert – von bis zu fünf täglichen auf neun wöchentliche Flüge.

Trotz des starken Wachstums in Deutschland ist es um Easyjet im vergangenen Sommer ruhig geblieben. Während bei Ryanair die Besatzungen für einen Tarifvertrag streikten und zuletzt wegen neuer Handgepäckregelungen Kritik auf sich zog, hatte sich Eurowings mit der Übernahme von großen Teilen der Air Berlin verhoben.

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Nach Tausenden verschobenen, verspäteten oder abgesagten Flügen hat die Airline bei ihren Passagieren einen schweren Stand. Easyjet übernahm dagegen ohne große Töne die Marktführerschaft von Air Berlin in der Hauptstadt – jeder dritte Jet an den Flughäfen ist orange-weiß.

400 Mitarbeiter von Air Berlin übernommen

Zu den Problemen der Konkurrenz will sich Thomas Haagensen nicht äußern. Der Manager spricht lieber in sorgfältig gewählten Worten über das Engagement seiner Airline in Deutschland. Die Briten haben 19 Maschinen und 400 Mitarbeiter von Air Berlin übernommen.

Thomas Haagensen, Easyjet-Europa-Chef.
Thomas Haagensen, Easyjet-Europa-Chef. © dpa | Arne Immanuel Bänsch

Die Aufnahme des Betriebs sei „sehr konservativ“ erfolgt, sagt er. Easyjet wollte lieber mit einem geringeren, aber stabilen Flugplan starten. „Wir können kein Angebot verkaufen, das wir nicht produzieren können.“ Ein Seitenhieb gegen Eurowings: Die Lufthansa-Tochter hatte mit Jets geplant, über die sie gar nicht verfügte.

Im Sommer folgte ein bis dahin unbekanntes Chaos im Luftverkehr, aus dem sich Easyjet weitgehend heraushalten konnte. „Für eine Airline ist es sehr schwierig, den Ruf dann wieder zu verbessern“, sagt der Manager.

Gewerkschafter: „Easyjet spielt fair“

Was macht Easyjet anders? „Wir investieren kontinuierlich, arbeiten in Partnerschaft mit den Flughäfen, haben eine langfristige Vision und bauen vor Ort eine Position auf, die wirklich nachhaltig ist“, sagt Haagensen.

Die Briten fliegen seit jeher die Großflughäfen der Metropolen an statt Landeplätze in der Provinz. Die Mitarbeiter haben deutsche Arbeitsverträge, werden nach Tarifvertrag bezahlt. Wegen der hohen Effizienz würden die Kosten trotzdem stimmen. „Wir fliegen zum besten, aber nicht um jeden Preis“ lautet eine aktuelle Kampagne.

Selbst Gewerkschafter können bei Easyjet nicht viel kritisieren. Der Umgang des Billigfliegers mit den Arbeitnehmern stimmt offenbar. „Easyjet hält sich an die Regeln“, sagt ein hochrangiger Gewerkschaftsvertreter unserer Redaktion.

Am Verhandlungstisch seien die Briten zwar ein harter Gesprächspartner, „aber sie spielen fair“. Sein Fazit: „So wünscht man sich eine Low-Cost-Airline als Arbeitgeber.“

Weitere Strecken in Deutschland sind möglich

In Großbritannien, Frankreich und Italien macht der Billigflieger den nationalen Airlines seit Jahren Konkurrenz mit Inlandsflügen. In Deutschland hat sich das Angebot nach einem Jahr etabliert.

Weitere Strecken kann sich Haagensen vorstellen. Doch zunächst einmal müsse der Betrieb in Berlin weiter stabilisiert werden und Gewinn abwerfen. „Wir müssen unsere neuen Strecken erst einmal ein ganzes Jahr fliegen, dann schauen wir weiter“, sagt er.

In der Strategie von Europas zweitgrößtem Billigflieger spielt die deutsche Hauptstadt eine zentrale Rolle. Mit 37 stationierten Fliegern und 1200 Mitarbeitern in Tegel und Schönefeld ist die deutsche Hauptstadt nach London-Gatwick die zweitgrößte der insgesamt 30 Basen.

Die starke Position hat Easyjet teuer bezahlt. Der Betrieb am Flughafen Tegel startete mitten in der verkehrsschwachen Winterzeit mit nur einem Monat Vorlauf. 152 Millionen britische Pfund (169 Millionen Euro) hat die Airline seither verbrannt – immerhin etwas weniger als erwartet. „Wir wussten, dass die Profitabilität im ersten Jahr nicht gegeben sein wird“, sagt Haagensen.

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    Davon abgesehen läuft das Geschäft gut. Im Geschäftsjahr 2018 (bis 30. September) stieg der Umsatz um 17 Prozent auf 5,9 Milliarden britische Pfund (6,6 Milliarden Euro). Unterm Strich blieb vor Steuern ein Gewinn von 445 Millionen Pfund – 60 Millionen mehr als im Vorjahr. In die 316 Flugzeuge stiegen 10,2 Prozent mehr Passagiere, insgesamt 88,5 Millionen.

    Wenn im Oktober 2020 der Hauptstadtflughafen BER mit fast neun Jahren Verspätung eröffnet, wird Easyjet der wichtigste Kunde sein. Derzeit laufen hinter den Kulissen Verhandlungen, nach wessen Bedürfnissen sich die Anlagen richten. Luftfahrt-Manager sagen: Nicht etwa die deutschen Platzhirsche Lufthansa und Eurowings geben dabei den Ton an. Sondern Easyjet.

    Thomas Haagensen gibt sich auch hier zurückhaltend. „Wir sagen dem Flughafen genau, welche Infrastruktur wir für unseren Betrieb brauchen“, erklärt er. „Aber das machen alle anderen auch.“ Bei der Flughafengesellschaft treffe er aber auf offene Ohren.

    „Zur Eröffnung des BER werden wir noch immer die Nummer eins in Berlin sein“, sagt Haagensen. „Und zwar noch stärker als heute.“