Köln. Am vergangenen Wochenende kehrte in der Betriebszentrale von Eurowings am Flughafen Köln/Bonn die Normalität zurück. Beim Billigflieger des Lufthansa-Konzerns fiel am Samstag und Sonntag kein einziger Flug aus, Verspätungen gab es kaum. Grüne Balken auf den Monitoren signalisierten: Die meisten der 700 Flüge am Tag waren pünktlich. Der Sommer aber bleibt vielen Passagieren anders in Erinnerung: Von 275.000 Flügen bis Ende Oktober fielen Tausende aus oder verspäteten sich stark. „Das, was uns in diesem Sommer passiert ist, darf uns im nächsten Jahr nicht wieder passieren“, sagt Thorsten Dirks, Chef von Eurowings und Vorstand der Lufthansa.
Mit einem Sechs-Punkte-Plan will der Manager, der vor anderthalb Jahren von Telefonica Deutschland zur Luftfahrt kam, die stark gewachsene Fluggesellschaft aus den heftigen Turbulenzen holen. Aktuell sorgt der Winterflugplan für Entlastung. Seit zwei Wochen ist das Programm reduziert. Die ruhigere Zeit des Jahres will der Airline-Chef nutzen, um nach dem Chaos-Sommer aufzuräumen. Die ersten Punkte von Dirks’ Plan greifen bereits.
Eurowings hält mehrere Reservemaschinen mit einsatzbereiter Crew vor. Wie viele das sind, will der Manager im Gespräch mit unserer Redaktion jedoch nicht sagen. Zudem müssen Flieger auf wichtigen Routen für Geschäftsreisende mittags nicht noch einen verspätungsanfälligen Flug mit Urlaubern ins Ausland übernehmen. „Wellenbrecher“ nennt Dirks die Jets, die mit einer Mittagspause mögliche Verspätungen abbauen können. Ein „erster Etappensieg“, sagt er, „wir sind fast wieder auf Zielniveau“.
Eurowings-Konkurrent Easyjet plante mehr Zeit ein
Bis zur großen Reisewelle im nächsten Sommer sollen weitere Maßnahmen greifen. Eurowings will Flieger, die innerhalb Deutschlands unterwegs sind, nicht mehr am selben Tag ins Ausland schicken. Wegen dieser Konstellation hatten im Frühjahr Fluglotsen-Streiks in Frankreich innerdeutsche Strecken beeinträchtigt. Auch sollen Flüge am Abend nicht knapp vor dem Nachtflugverbot landen, das etwa in Düsseldorf um 23 Uhr beginnt. In der Regel sollen sie ihr Ziel bis 22.15 Uhr erreichen. Das vermeide Umleitungen zu anderen Airports.
Weniger Verspätungen soll es zudem mit längeren Flugzeiten geben. Während Eurowings etwa für die Strecke Berlin–Köln 65 Minuten kalkuliert hatte, plante Rivale Easyjet auf derselben Strecke mit 75 Minuten. Auch die Standzeit am Boden zwischen zwei Flügen war mit 35 Minuten zu knapp bemessen.
All das lässt die Produktivität bei dem Billigflieger sinken, der in diesem Jahr bislang einen zweistelligen Millionenverlust eingeflogen hat. „Der nötige Puffer bedeutet höhere Kosten für Eurowings“, sagt Dirks. Das lässt die Kosten pro Sitzplatz steigen. Auf der anderen Seite kommt der Chaos-Sommer 2018 die Fluggesellschaften ebenfalls teuer zu stehen: 250 Millionen Euro hat Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr für Fluggast-Entschädigungen nach 18.000 Ausfällen bis Ende August und großen Verspätungen veranschlagt.
Die gleiche Summe will der Konzern im kommenden Jahr in mehr Pünktlichkeit investieren. „Dass mal ein Flug ausfällt, das wird es auch weiterhin geben – aber wir müssen von der extrem hohen Zahl runter, die wir in diesem Sommer gesehen haben“, sagt Eurowings-Chef Dirks.
Verkalkuliert bei der Übernahme von Air-Berlin-Fliegern
In den vergangenen drei Jahren ist der Lufthansa-Ableger auf die dreifache Größe gewachsen: Die Flotte von 60 auf 185 Flugzeuge, die Mitarbeiterzahl von 3000 auf 10.000. Auf die Integration der belgischen Fluggesellschaft Brussels Airlines folgte Ende vergangenen Jahres die Übernahme weiter Teile der insolventen Air Berlin. Die einst zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands hatte im Oktober 2017 ihren Betrieb eingestellt. Eurowings übernahm 77 Flugzeuge und 3000 Mitarbeiter – und hatte sich an einigen Stellen deutlich verkalkuliert.
Erst Ende August konnte Eurowings den letzten ehemaligen Air-Berlin-Jet einsetzen, viel später als geplant. Und die Airline hatte ihren Sommer-Flugplan mit Maschinen der früheren Air-Berlin-Tochter Niki berechnet, die schließlich dem Rivalen Laudamotion zugeschlagen wurden – erst 2019 erhält die Lufthansa-Tochter die dringend benötigten Flugzeuge zurück. Hinzu kamen Fluglotsen-Streiks, schwere Unwetter und Engpässe im Luftraum, an den Sicherheitskontrollen und bei den Dienstleistern an den Flughäfen, unter denen alle Fluggesellschaften und Passagiere litten. Dirks will sich dahinter jedoch nicht verstecken. „Wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen“, sagt er.
In der Hauptreisezeit ballten sich die Probleme
Im Rückblick hätte man es besser machen können, „wenn man alles immer so vorausschauen könnte“, gesteht er ein, die Airline hätte die Sache „konservativer“ angehen müssen. Neben dem Reinfall bei der Flottenplanung waren die Flugpläne zu eng getaktet, damit die Flugzeuge pünktlich durch den Tag kommen. Millionen Passagiere erlebten daraufhin den Krisensommer. „40 Wochen Wachstumsschmerzen“ lägen hinter der Airline, sagt Dirks. Vor allem in der Hauptreisezeit von Mai bis August ballten sich die Probleme. Auf Beschwerden haben viele Reisende bis heute keine Antwort erhalten – auch hier will Eurowings im Winter aufholen.
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