Istanbul. Die türkische Lira ist im Sturzflug. Erdogan spricht von „Wirtschaftskrieg“. Der Finanzminister will die Märkte beruhigen – vergeblich.

Nach einer neuen Eskalation im Streit mit den USA hat sich der Kursverfall der türkischen Lira am Freitag dramatisch beschleunigt. Zeitweilig verlor die Währung gegenüber dem Dollar fast 23 Prozent. Das war der größte Kursverlust an einem einzigen Tag seit der türkischen Finanzkrise von 2001. Der Kurs des Dollar stieg am Nachmittag auf ein Rekordhoch von 6,801 Lira. Der Euro gewann gut 18 Prozent und kostete mit 7,5792 Lira so viel wie noch nie.

Vor allem die hohe Inflation, Zweifel an der Unabhängigkeit der türkischen Zentralbank und die Sorgen vor politischen Spannungen mit den USA drücken die Lira seit Monaten. Am Freitag bekamen die Befürchtungen neue Nahrung: US-Präsident Donald Trump verkündete per Twitter, er habe eine Verdoppelung der Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet.

Erdogan ruft Bevölkerung zu Solidarität gegen Westen auf

Die Lira hat schon seit Jahresanfang massiv an Wert verloren. Staatschef Recep Tayyip Erdogan jedoch macht den Westen für den Kursverfall verantwortlich und sieht eine Verschwörung am Werk. Bei einem Besuch in der nordtürkischen Provinz Bayburt sprach er von einem „Wirtschaftskrieg“, den sein Land gewinnen werde. Die Bevölkerung rief er dazu auf, Dollar und Euro in die Landeswährung umzutauschen.

„Die, die Dollar, Euro, Gold unter dem Kissen haben – geht und wechselt es in türkische Lira in unseren Banken“, sagte Erdogan. Dabei handele es sich um eine „nationale Anstrengung“. Solidarität werde die wichtigste Reaktion auf den Westen sein. Die Krise sei „künstlich“.

Schon am Donnerstag hatte der Staatschef bei einem Besuch seiner Heimatstadt Rize versucht, seine Zuhörer zu beruhigen: „Ignoriert diese Kampagnen gegen die Türkei“, rief er. „Die anderen mögen ihre Dollar haben, aber wir haben unser Volk und Allah.“

„Wir flehen Trump an“

Handelsministerin Ruhsar Pekcan will die USA hingegen durch Gespräche zum Einlenken bewegen. „Wiederholte Bemühungen, der US-Regierung klarzumachen, dass keines der für die Zollerhöhungen genannten Kriterien auf die Türkei zutrifft, blieben fruchtlos“, erklärte sie am Freitag.

„Trotzdem, wir flehen Präsident Trump an, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.“ Der Streit könne und solle durch Dialog und Zusammenarbeit beigelegt werden.

Maßnahmenpaket greift nicht

In Ankara stellte Finanzminister Berat Albayrak ein Maßnahmenpaket für die angeschlagene türkische Wirtschaft vor, das allerdings wenig überzeugte. So sicherte er der Notenbank die volle Unabhängigkeit zu – nachdem Investoren seit Monaten mit Sorge die wachsende Einflussnahme Erdogans auf die Institution beobachten.

Die Regierung wolle das Vertrauen in die Lira verbessern, sagte der Finanzminister. Die Regierung nehme ihr diesjähriges Wachstumsziel von fünf auf „drei bis vier Prozent“ zurück. Im vergangenen Jahr war das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch um 7,4 Prozent gewachsen, vor allem dank staatlicher Konjunkturprogramme.

Die Inflation, die im Juli 15,8 Prozent erreichte, solle bis Jahresende unter zehn Prozent fallen. Das Leistungsbilanzdefizit werde von fünf auf vier Prozent des BIP gedrückt, das Haushaltsdefizit solle auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt werden. Wie genau Ankara das anstellen will, ging aus seiner Rede nicht hervor.