Essen. ThyssenKrupp schmiedet ein Gemeinschaftsunternehmen mit der indischen Tata-Gruppe. Das Unternehmen steht nun für Aufzüge und Autoteile.

Siemens hat es getan, Eon ebenfalls, jetzt trennt sich ein weiteres Industrieschwergewicht von seinen Wurzeln: ThyssenKrupp spaltet das Stahlgeschäft ab und bringt es in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem indischen Tata-Konzern ein. Nach mehr als 200 Jahren – damals begannen die Vorgänger des heutigen Konzerns – setzt das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet auf Technologie: Künftig steht ThyssenKrupp vor allem für Aufzüge, Autoteile und Industrieanlagen.

Der ThyssenKrupp-Aufsichtsrat hat nach unseren Informationen das weitreichende Geschäft am Freitagabend beschlossen. Wie aus einem Schreiben von Stahlchef Andreas Goss an die Mitarbeiter hervorgeht, haben beide Unternehmen die Bündnis-Verträge unterschrieben. Das Schreiben liegt unserer Redaktion vor. Die IG Metall hatte schon vor der Aufsichtsratssitzung signalisiert, der Stahlfusion im Aufsichtsrat zuzustimmen.

„Stahlfusion ist die bessere Alternative“

„Unser Ziel war immer, die Arbeitsplätze und Standorte zu sichern, die Interessen der Kolleginnen und Kollegen zu wahren und alle IG-Metall-Mitglieder zu beteiligen. Das ist, denke ich, weitestgehend gelungen“, sagte Tekin Nasikkol, der Betriebsratschef der Stahlsparte. Auch Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath betonte: „Die Stahlfusion mit Tata war nie unser Wunsch, aber sie ist die bessere Alternative.“

Der Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp Heinrich Hiesinger.
Der Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp Heinrich Hiesinger. © dpa | Rolf Vennenbernd

Entstehen wird der zweitgrößte europäische Stahlkonzern nach Arcelor­Mittal mit insgesamt 48.000 Mitarbeitern und Werken in Deutschland (Duisburg), in Großbritannien (Port Talbot in Wales) und in den Niederlanden (Ijmuiden). Er soll ThyssenKrupp Tata Steel heißen und aus einer Zentrale mit Sitz in Amsterdam geführt werden. Bislang befindet sich die Hauptverwaltung der ThyssenKrupp-Stahlsparte in Duisburg. ThyssenKrupp und Tata halten an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen jeweils die Hälfte der Anteile.

Tausende Arbeitsplätze sollen wegfallen

Der Pro-forma-Umsatz des neuen Stahlriesen beträgt rund 17 Milliarden Euro. Das Unternehmen käme im Jahr auf eine Stahlproduktion von etwa 22 Millionen Tonnen.Bekannt gegeben hatte ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger die Pläne bereits vor neun Monaten. Seither wurde verhandelt. Vor allem die Arbeitnehmer forderten weitreichende Garantien.

Schon seit einigen Monaten ist klar, dass von den rund 27.000 Arbeitsplätzen in der Stahlsparte von ThyssenKrupp und den 21.000 von ­Tata Steel Europe jeweils bis zu 2000 wegfallen sollen. Ende vergangenen Jahres hatte sich das ThyssenKrupp-Management mit den Arbeitnehmervertretern dann auf einen weitreichenden Kündigungsschutz bis 2026 geeinigt.

ThyssenKrupp setzte zuletzt gut 41 Milliarden Euro um

Wie ThyssenKrupp haben sich bereits andere große deutsche Konzerne vom klassischen Geschäft getrennt. Der Siemens-Konzern etwa, der mit Telegrafen begann – Nachrichtenübermittlung also – stellt schon seit Jahren keine Telefone mehr her. Auch das Geschäft mit Haushaltsgeräten ist verkauft – wenn also auf dem Wasserkocher Siemens steht, so ist das Gerät dennoch von Bosch. Und der Energiekonzern Eon trennte sich gerade komplett von seinen Kraftwerken, die im Unternehmen Uniper gebündelt sind.

Für ThyssenKrupp-Chef Hiesinger gehört Stahl künftig nicht mehr zum Kerngeschäft. Der Manager, der 2011 von Siemens kam, um den Industrie­riesen zu sanieren, konzentriert sich auf Aufzüge, Industrieanlagen und das Geschäft mit der Autoindustrie, wo der Konzern bereits heute zu den ganz Großen gehört. ThyssenKrupp setzte zuletzt mit seinen rund 159.000 Mitarbeitern gut 41 Milliarden Euro um. Tata Steel Europe gehört zum indischen Tata-Konzern mit mehr als 100 Unternehmen, etwa 600.000 Mitarbeitern und mit umgerechnet rund 86 Milliarden Euro Umsatz.

Historie:

Die Wurzeln von ThyssenKrupp gehen bis 1811 zurück. Damals begann Friedrich Krupp in Essen, Gussstahl herzustellen. 1991 übernahm der Nachfolgekonzern den Konkurrenten Hoesch feindlich.

Thyssen startete auch im 19. Jahrhundert, offiziell gilt 1891 als Gründungsjahr. 1999 fusionierte der Konzern mit Krupp-Hoesch zu ThyssenKrupp.