Brüssel. EU verbietet Landwirten den Einsatz von umstrittenen Insektengiften unter freiem Himmel. Verwendung nur noch in Gewächshäusern erlaubt.

Im Kampf gegen das Sterben der Bienen hat die Politik viel Zeit verloren: Schon 2008 wurden Imker und Wissenschaftler im Rheintal durch einen massiven Bienentod alarmiert. Als Verursacher waren bald Schädlingsbekämpfungsmittel ausgemacht, die wie ein Nervengift auch die nützlichen Bienen bei niedriger Dosis lähmen und töten.

Fünf Jahre dauerte es, bis der Einsatz solcher Neonikotinoide auf Rapssaat oder beim Anbau von Kirschen und Äpfeln verboten wurde. Erst jetzt, unter dem Eindruck eines alarmierenden Bienenschwunds weltweit, hat sich die EU zum entschlossenen Handeln durchgerungen: Der Einsatz der Pestizide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam im Freien wird untersagt, so beschlossen es am Freitag die EU-Mitgliedstaaten in einem Ausschuss der EU-Kommission. Diese Neonicotinoide dürfen nur noch in Dauer-Gewächshäusern verwendet werden.

Totalverbot der Insektengifte unter freiem Himmel

Nächste Woche muss die EU-Kommission noch formell eine entsprechende Verordnung beschließen. „Die Gesundheit der Bienen ist von größter Bedeutung, weil sie Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt betrifft“, sagte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis.

Er hatte das Totalverbot der Insektengifte unter freiem Himmel vorgeschlagen, nachdem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit vor Kurzem erneut gewarnt hatte, die Pestizide seien ein Risiko für Wild- und Honigbienen.

Bienenbestand um zwei Drittel zurückgegangen

Wo das Gift Bienen nicht tötet, verringert es die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen, verkürzt deren Lebensspanne. Die meisten Experten sind sich einig: Für das Bienensterben sind Neonicotionide mitverantwortlich; in welchem Ausmaß, ist unklar, das Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren ist noch nicht ausreichend erforscht. Parasiten können Bienenvölker vernichten, der Schwund natürlicher Lebensräume setzt den Tieren zu.

In manchen EU-Ländern sind die Bienenbestände um 60 Prozent zurückgegangen, in Deutschland ist die Zahl der Bienenstöcke seit 1961 um zwei Drittel gesunken. Weil von ihnen die Bestäubung vieler Pflanzen abhängt, die Biene eines der wichtigsten Nutztiere überhaupt ist, droht neben dem ökologischen auch enormer wirtschaftlicher Schaden: Rund zwei Milliarden Euro ist die jährliche Bestäubungsleistung der Bienen in Deutschland laut Wissenschaftlern wert.

Bundesregierung will auch allein gegen die Insektizide vorgehen

Auch das ist ein Grund, warum sich die große Koalition in Deutschland dem Kampf gegen das Bienensterben verschrieben hat – und in Brüssel für das Verbot der Neonicotinoide stimmte. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach von einem „guten Tag für den Bienenschutz“. Die Tiere seien „systemrelevant – auch für den Erhalt unserer Landwirtschaft“.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte, das Insektensterben sei „jetzt wirklich dramatisch“. Nach der EU-Entscheidung müsse der Einsatz unter freiem Himmel innerhalb von drei Monaten beendet werden, forderte sie. Andernfalls wolle die Bundesregierung auch allein gegen die Insektizide vorgehen – was andere Länder wie Frankreich längst vorgemacht haben.

Entscheidung schränkt Möglichkeiten der Landwirte ein

Das Verbot ruft auch Kritik hervor. Bauernorganisationen hatten auf eine Ausnahme für den Zuckerrübenanbau gedrängt, weil es kurzfristig keine Alternativen gebe. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied warnte, der Wegfall dieser Pestizide sei „eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen“.

Der Pharmakonzern Bayer, der auch Neonicotinoide herstellt, sprach von einem „schlechten Deal für die europäische Landwirtschaft“. Die Entscheidung werde die Möglichkeiten der Landwirte, gegen verheerende Schädlinge vorzugehen, weiter einschränken. Die Beschränkungen sind nach Ansicht des Konzerns nicht gerechtfertigt, Neonicotinoide seien bei sachgerechter Verwendung sicher.

„Nervengifte gehören nicht in unsere Umwelt“

Landwirte werden jetzt wohl verstärkt zum Neonicotinoid Thiacloprid greifen – das bleibt erlaubt, weil von ihm nur geringe Risiken für Bienen ausgehen, wie Experten der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit erklären.

Umweltverbände widersprechen vehement: „Nervengifte mit so fataler Wirkung wie die der Neonicotinoide gehören nicht in unsere Umwelt“, sagte der Vorsitzende des Naturschutzverbands BUND, Hubert Weiger. Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter mahnte: „Um Bienen und andere wertvolle Insekten dauerhaft zu schützen, müssen wir den Einsatz giftiger Pflanzen- und Insektengifte schnell und drastisch senken.“