Berlin. Deutsche Frauen und Männer werden immer älter und beziehen daher auch immer länger Rente. Das bereitet der Rentenversicherung Probleme.

Die Deutschen erhalten durchschnittlich fast 20 Jahre lang Rente, gut ein Viertel ihres Lebens. 1996 waren es nur 16 Jahre, jetzt sind es nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) 19,6 Jahre. Dass länger Rente gezahlt wird, hat vor allem mit der längeren Lebenserwartung zu tun. Und die wird noch steigen: 2017 geborene Jungen könnten dem Statistischen Bundesamt zufolge im Schnitt bis zu 90 Jahre alt werden, Mädchen bis zu 93 Jahre. Das Rentensystem, wie es bisher besteht, ist dafür nicht ausgelegt, Reformen sind deshalb dringend nötig.

Im vergangenen Jahr erhielten die Deutschen rechnerisch Rente bis zum Alter von 79,5 Jahren – Männer bis 77,1 Jahre, Frauen sogar bis 81,8 Jahre. 1995 bekamen Männer durchschnittlich bis zum Alter von 72,8 Jahren Rente, Frauen bis 78 Jahre.

Beiträge oder Renteneintrittsalter erhöhen?

Die steigende Lebenserwartung ist für das deutsche Rentensystem ebenso problematisch wie die Zunahme der Zahl der Empfänger. Denn einerseits müssen die Rentner länger finanziert werden, andererseits kommen dafür weniger junge Arbeitnehmer auf. Ohne weitere Reformen bleiben nur zwei Wege, damit umzugehen: Das Rentenniveau könnte weiter gesenkt, die Beiträge erhöht werden. Die momentane Rechtslage sieht einen Mix aus beidem vor. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit: das Renteneintrittsalter von 67 Jahren (ab 2029) auf 69 oder 70 Jahre anzuheben.

Für ein späteres Eintrittsalter plädieren die Arbeitgeber, die mit Alexander Gunkel im Bundesvorstand der DRV den Vorsitzenden stellen. Er warnt davor, die langfristige Entwicklung angesichts der aktuell guten Kassenlage aus den Augen zu verlieren. „Die erfreuliche Situation wird sich ins Gegenteil verkehren, wenn die stark besetzten Jahrgänge in Rente gehen und damit als Beitragszahler ausfallen und zu Leistungsempfängern werden“, warnt Gunkel. Die Arbeitgeber wollen den Beitragssatz deshalb bei 22 Prozent deckeln.

Nach 2030 wird es eng beim Rentensystem

Die Gewerkschaften im Vorstand der DRV sind dagegen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Schon die heute geltende Altersgrenze würden viele Arbeitnehmer gar nicht mehr erreichen, sagt Annelie Buntenbach von Verdi. Wer früher in Rente geht, bekommt weniger Geld. Das wollen die Gewerkschaften verhindern.

Bis 2030 steht das Rentensystem auf sicheren Füßen. Der Beitragssatz sinkt 2018 sogar leicht auf 18,6 Prozent des Bruttolohns und bleibt in den folgenden Jahren stabil. Im nächsten Jahrzehnt steigt der Beitragssatz dann auf 21,6 Prozent. Das Rentenniveau sinkt in dieser Zeit von 48 auf 45 Prozent. Es gibt die Höhe einer Standardrente im Verhältnis zum Gehalt eines Durchschnittsverdieners an. In den Jahren danach wird es eng, weil die Babyboomer rund um den Jahrgang 1964 aus dem Berufsleben ausscheiden. Experten erwarten ein Rentenniveau von 42 Prozent und einen Beitragssatz von 23 Prozent.

2018 werden Renten wohl steigen

Die heutigen Rentner müssen sich über die Reform keine Sorgen machen. Sie haben eine vergleichsweise gute Phase der Alterssicherung erwischt. Zum 1. Juli 2018 ist eine Anhebung der Bezüge um rund drei Prozent absehbar – wegen der ausgezeichneten Lage am Arbeitsmarkt. Entscheiden wird die Bundesregierung im April, wenn das Statistische Bundesamt die Lohnentwicklung ausgewertet hat.

Mit fast 33 Milliarden Euro ist die Kasse mit den Rücklagen der Rentenversicherung gut gefüllt. Das ist auch der Grund für die Beitragssenkung Anfang 2018. Das Polster ist indes für die Versicherten ein schlechtes Geschäft. Allein 2018 erwartet Gunkel ein Minus von 50 Millionen Euro, weil die DRV Strafzinsen auf ihre Guthaben zahlen muss.

SPD für Grundrente gegen Altersarmut

Wie es bei der Alterssicherung weitergeht, muss die künftige Regierung entscheiden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würde gern eine Kommission aus Fachleuten bilden, um wissenschaftlich gesichert entscheiden zu können. Die Parteien preschen mit ihren Wünschen vor. Die SPD will das Rentenniveau langfristig anheben und eine Grundrente gegen Altersarmut einführen. Die CSU fordert höhere Mütterrenten, der Wirtschaftsrat der CDU ein höheres Rentenalter. Was am Ende tatsächlich herauskommen wird, ist offen.