Berlin/Würzburg. Rentner und Beitragszahler profitieren aktuell von der guten Lage der Sozialkasse. Doch die Freude dürfte nicht von großer Dauer sein.

Fachleute sprechen gerne vom Standardrentner, wenn sie erklären wollen, wie sich Rentenbeschlüsse im Alltag der 21 Millionen deutschen Rentner auswirken. Der Standardrentner hat 45 Jahre lang Beiträge gezahlt, Jahr für Jahr exakt den deutschen Durchschnittslohn nach Hause gebracht und bekommt heute knapp 1400 Euro Rente.

Eine Rentenerhöhung von gut drei Prozent, wie sie jetzt ansteht, bedeutet für diesen statistischen Senior ein spürbares Plus: Ein Standardrentner im Westen hat dadurch jeden Monat rund 42 Euro mehr im Portemonnaie, im Osten wären es rund 40 Euro. Doch nicht nur die Rentner profitieren von der guten Lage der Sozialkassen. Auch die Beitragszahler können sich auf eine Entlastung einstellen. Experten allerdings warnen: Die Babyboomer drängen in den Ruhestand und setzen die Rentenkasse unter Druck.

• Was ändert sich im nächsten Jahr bei Rente und Beiträgen?

Rentner können im kommenden Juli mit einer Erhöhung ihrer Bezüge um rund drei Prozent rechnen. Voraussetzung sei, dass sich Löhne und Gehälter wie derzeit prognostiziert entwickelten, sagte der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung Bund, Alexander Gunkel, am Dienstag in Würzburg.

Medienberichten zufolge könnte für Rentner in den alten Bundesländern ein Plus von 3,09 Prozent herausspringen, in den neuen wären es 3,23 Prozent. Endgültig festgelegt wird die Rentenerhöhung für 2018 erst im kommenden Frühjahr, wenn Daten zur Lohnentwicklung 2017 vorliegen. Zum 1. Juli 2017 war die Rente in Westdeutschland um 1,9 Prozent gestiegen, in den neuen Ländern um 3,59 Prozent. 2016 waren die Bezüge um 4,25 (West) beziehungsweise 5,95 Prozent (Ost) gestiegen. Die unterschiedliche Anhebung in Ost und West soll spätestens 2025 aufhören, die Renten werden bis dahin vollständig angeglichen.

Erstmals seit mehr als zwei Jahrzehnten könnte im nächsten Jahr der Beitragssatz für die Rentenversicherung um 0,1 Prozentpunkte von heute 18,7 auf 18,6 Prozent sinken. Ein Durchschnittsverdiener hätte nach Gewerkschaftsangeben dadurch knapp zwei Euro pro Monat mehr in der Tasche.

Bund, Länder und Kommunen würden als Arbeitgeber etwa 36 Millionen Euro einsparen. Für die gesetzliche Rentenversicherung bedeutet die Beitragssatzsenkung nach Berechnungen des Bundessozialministeriums Mindereinnahmen von 1,45 Milliarden Euro. Ursache für die positiven Rentenfinanzen sind die gute Konjunktur mit gestiegenen Löhnen und die niedrige Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung hat bereits eine Verordnung zur Beitragssenkung vorbereitet.

• Wie geht es nach 2018 weiter?

In den kommenden fünf Jahren dürfte das Rentenniveau bei rund 48 Prozent stabil bleiben, erklärte Gunkel. Bis 2030 könnte das Niveau dann auf 45 Prozent und bis 2045 auf 42,2 Prozent fallen, wenn die Politik nicht gegensteuere. Das Rentenniveau ist das Verhältnis der Standardrente nach 45 Jahren Arbeit zum aktuellen durchschnittlichen Bruttoeinkommen, es liegt derzeit bei gut 3000 Euro im Monat.

Auch die Rentenbeiträge dürften demnach in den nächsten fünf Jahren zunächst stabil bleiben. 2023 könnte der Beitragssatz dann wieder auf 18,7 Prozent steigen. 2024 wird eine Steigerung auf 19,8 Prozent vorausgesagt. Dann dürfte der Beitragssatz schrittweise weiter steigen, bis er im Jahr 2030 bei 21,6 Prozent liegen könnte.

• Ist eine Beitragssenkung sinnvoll?

Widerspruch kam gestern von Seiten der Gewerkschaften: „Statt heute die Beiträge zu senken, sollte die Regierung an morgen denken und angemessene Rücklagen bilden“, sagte IG Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. „Die Reduzierung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte bringt für einen Durchschnittsverdiener eine Entlastung von knapp 1,60 Euro im Monat.“

Er warnte davor, dass die Beschäftigen die Senkung spätestens ab 2023 bitter bezahlen müssten. Wegen des Übertritts immer mehr geburtenstarker Jahrgänge in die Rente steige dann der Beitragssatz über viele Jahre. Gleichzeitig werde das Rentenniveau kontinuierlich sinken, mahnte Urban. Nötig sei es deswegen, die Rentenversicherung zur Erwerbstätigenversicherung zu entwickeln, in die auch Selbstständige, Beamte und Parlamentarier einzahlen.

Mit Blick auf die von der CSU forcierte Ausweitung der Mütterrente mahnte Urban, die Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Leistungen aus Beiträgen würden die Probleme der Rentenversicherung verschärfen. Solche Leistungen müssten aus Steuern finanziert werden. Auch die FDP warnte, die gute Kassenlage dürfe nicht zu weiteren, versicherungsfremden Ausgabenprogrammen in der Rentenversicherung verführen.

• Hilft die Rentenerhöhung gegen Altersarmut?

Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Linken im Bundestag, kritisierte die geplante Rentensteigerung als zu gering. „Eine Rentenerhöhung im nächsten Jahr um zwei bis drei Prozent löst das Problem der Altersarmut nicht einmal ansatzweise“, sagte Wagenknecht dieser Redaktion.

„Stattdessen brauchen wir eine Rentenreform nach dem Vorbild Österreichs, wo alle – auch Selbstständige und Beamte – in die gesetzliche Rente einzahlen und ein Durchschnittsrentner monatlich 800 Euro mehr bekommt als in Deutschland.“ Es sei unverantwortlich, „dass die Jamaika-Parteien mit der Gründung einer Kommission bis 2019 die Lösung des Problems wachsender Altersarmut auf die lange Bank schieben wollen.“

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, forderte eine grundsätzliche Reform mit Blick auf Sozialleistungen im Alter: „Damit die Bezieher von Grundsicherungsleistungen etwas von der prognostizierten Rentenerhöhung haben, fordern wir einen Freibetrag von 200 Euro.“ Bisher würden die Rentenerhöhungen komplett mit der Grundsicherung verrechnet. „Die Einführung eines Freibetrags wäre ein echter Schritt zur Armutslinderung.“

• Wie entwickelt sich das Renteneintrittsalter?

Es steigt weiter, immer mehr ältere Menschen in Deutschland haben einen Job: Der Anteil der Beschäftigten in der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen ist einem Zeitungsbericht zufolge im vergangenen Jahr auf 56 Prozent gestiegen. Das geht aus dem Entwurf zum Rentenversicherungsbericht 2017 hervor, aus dem das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ zitiert.

Im Jahr 2000 hatte der Anteil noch bei 20 Prozent gelegen. 2016 gingen Arbeitnehmer den Angaben zufolge im Schnitt mit 64,1 Jahren in Rente. Im Jahr 2000 hatte das tatsächliche Renteneintrittsalter noch 62,3 Jahre betragen.