Berlin. 2016 haben Frauen durchschnittlich 426 Euro weniger Rente bekommen als Männer. Experten sehen die Ursache in einer verfehlten Politik.

Frauen geraten in Deutschland laut der Nationalen Armutskonferenz schneller in die Armutsfalle als Männer. „Eines der größten Armutsrisiken in Deutschland ist, eine Frau zu sein“, kritisierte die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen, am Montag in Berlin.

Frauen kümmerten sich um die Kinder, pflegten altgewordene Angehörige, wirkten ehrenamtlich in Kita oder Schule, im Sport oder in sozialen Initiativen. Sie brächten bedeutend mehr Zeit (plus 52,4 Prozent) unentgeltlich in die „Sorgearbeit“ ein als Männer.

„Als Dank ernten sie schlechte Rückkehrchancen in den Beruf, prekäre Arbeitsverhältnisse und deutlich geringere Renten“, sagte Eschen, die auch Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist, bei der Vorstellung einer Broschüre mit dem Titel „Armutsrisiko Geschlecht. Armutslagen von Frauen in Deutschland“.

Zwei Drittel der geringfügig Beschäftigten sind Frauen

2016 habe die Durchschnittsrente bei einer Frau 617 Euro betragen, die eines Mannes 1043 Euro, sagte Eschen. Seien Frauen dann noch alleinerziehend – und neun von zehn Alleinerziehenden seien Frauen – entkämen sie der Armut nur schwer. Knapp 44 Prozent der Alleinerziehenden sind den Angaben zufolge von Armut betroffen.

Weitere alarmierende Zahlen lieferte die Mitautorin der Broschüre, Gisela Notz. Zwei Drittel der ausschließlich geringfügig Beschäftigten seien Frauen, kritisierte die Sozialwissenschaftlerin. Auch 90 Prozent der pflegenden Angehörigen seien Frauen, sie erhielten überhaupt keinen Lohn, sehe man „vom völlig unzureichenden Pflegegeld mal ab“. Die bereits jetzt eklatante Altersarmut von Frauen, werde in den kommenden Jahren durch die Ausbreitung von prekären Arbeitsverhältnissen noch weiter zunehmen.

Politik orientiert sich an altem Familienmodell

Die Ursache für diese Entwicklung sieht Notz darin, dass sich das Recht auf eigenständige Existenzsicherung für Frauen in Deutschland, egal in welchen Zusammenhängen sie leben, noch nicht durchgesetzt habe.

„Die Tatsache, dass Arbeitsmarkt-, Familien-, Wohnungsbau- und Sozialpolitik immer noch an einem Familienmodell orientiert sind, das einen Haupternährer und eine Zuverdienerin vorsieht, verdrängt Frauen aus dem regulären Arbeitsmarkt in prekäre oder unbezahlte Beschäftigungsverhältnisse“, kritisierte die Sozialwissenschaftlerin.

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Das fordert die Nationale Armutskonferenz

Die Nationale Armutskonferenz fordert deshalb mehr Vollzeitjobs für Frauen und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. „Es kann nicht sein, dass Frauen 21 Prozent weniger als Männer verdienen“, sagte die stellvertretende Konferenzsprecherin, Sophie Schwab. Zudem müssten Berufe, in denen vorwiegend Frauen tätig sind, wie im Einzelhandel oder im Sozial- und Gesundheitswesens, dringend finanziell aufgewertet werden.

Auch dürfe Kindererziehung und Pflege nicht länger die Ursache dafür sein, in Armut zu geraten. Dafür müsse das Ehegattensplitting durch eine Individualbesteuerung mit einem übertragbaren Grundfreibetrag ersetzt werden.

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    (epd)