Berlin. Herbststürme und Baustellen sorgen bei der Deutschen Bahn für Verspätungen der Züge. Bahnchef rechnet für 2017 mit Passagierrekord.

Für den Umgang mit Verspätungen hatten die verschiedenen Bahnchefs in den vergangenen Jahrzehnten recht unterschiedliche Strategien. Johannes Ludewig, der das Unternehmen Ende der 90er-Jahre führte, ließ an den Bahnhöfen große Pünktlichkeitsanzeiger aufstellen.

Die Idee ging nach hinten los, denn statt einer erhofften Verbesserung der Werte bekamen die Fahrgäste schon beim Betreten der Station vor Augen geführt, dass der Konzern sein großes Problem nicht in den Griff bekommt. Als eine der ersten Amtshandlungen ließ sein Nachfolger Hartmut Mehdorn die Infotafeln wieder entfernen.

Rüdiger Grube, bis Anfang dieses Jahres Vorstandsvorsitzender, stellte eine Pünktlichkeitsstatistik mit monatlicher Auswertung von rund 800.000 Zügen ins Internet. Die Vergütung des zuständigen Vorstands wurde an die Zahl der Verspätungen geknüpft. Und er gab einen Zielwert für den Betrieb an: In diesem Jahr sollten vier von fünf Zügen weniger als fünf Minuten verspätet am Zielort ankommen, mittelfristig sogar 85 Prozent. Die Realität erwies sich allerdings als widerspenstiger Partner. „Im Fernverkehr werden wir die 80 Prozent 2017 nicht mehr erreichen können“, gibt der erst in diesem Jahr zum Bahnchef gekürte Richard Lutz nun zu.

Bahn sperrt Strecken wegen Sturm – muss das sein?

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    Versäumnisse bei Instandhaltung des Streckennetzes

    Nach einem starken Start ins Jahr, als zeitweilig mehr als 86 Prozent der Züge pünktlich waren, sackte der Wert kontinuierlich ab, auf zuletzt nur gut 76 Prozent. Zum Jahresende hin steigt der Wert vermutlich wieder etwas, weil viele Baustellen an den Schienenwegen beendet werden. Am Missstand insgesamt ändert das jedoch wenig. Den Kunden bleibt das Ärgernis erhalten. Ein Teil des Problems resultiert aus früheren Versäumnissen bei der Instandhaltung des 34.000 Kilometer langen Streckennetzes. Das Zukunftsprogramm der Bahn sieht eine massive Nachrüstung vor. Bis 2019 werden insgesamt 28 Milliarden Euro für neue Weichen, Stellwerke oder Brückenbauten eingesetzt.

    Allein im vergangenen Jahr wurden beispielsweise 2000 Weichen erneuert. Die Fülle der Bauvorhaben wirkt sich zwangsläufig bremsend auf den Verkehr aus. Bis zu 800 Baustellen sind zeitweilig parallel in Arbeit. Zugumleitungen sind die Folge, und damit auch weitere Verspätungen. Vor allem aber haben die schweren Herbststürme in den vergangenen Monaten der Bahn die Bilanz beeinträchtigt. Umgestürzte Bäume ließen zuletzt in den Herbstferien fast den gesamten Zugverkehr im Norden ruhen. „Wir müssen uns auf Wetterphänomene wie Stürme künftig noch besser einstellen“, räumt Lutz in der „Süddeutschen Zeitung“ ein.

    Pro Bahn wünscht sich Modell wie in der Schweiz

    Im Herbst 1966 – vor mehr als 50 Jahren – hatte die Deutsche Bundesbahn noch mit Blick auf den Winter mit dem Slogan für sich geworben: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht“. Der Fahrgastverband Pro Bahn moniert, dass die Bahn nicht die Pünktlichkeit ihrer Reisenden veröffentliche – sondern die ihrer Züge: „Dabei bleiben ausfallende Züge außen vor“, heißt es. Auch würden keine Daten zu Anschlussverlusten herausgegeben. Pro Bahn wünscht sich ein Modell wie in der Schweiz, wo die „Kundenpünktlichkeit“ und „Kundengewichtete Anschlusspünktlichkeit“ veröffentlicht wird.

    Trotz der schwachen Entwicklung – ein neuer Fahrgastrekord im Fernverkehr ist im laufenden Jahr gesichert. Das ist allerdings nicht allein ein Verdienst der Bahn. Das Unternehmen profitiert von der Pleite von Air Berlin, den dadurch fehlenden Kapazitäten im innerdeutschen Verkehr und den gestiegenen Ticketpreisen. Zudem lässt der Wettbewerbsdruck durch die Anbieter von Fernbusreisen nach, da sich der Markt auf nur noch wenige Anbieter konzentriert. Abtrünnige Kunden kehren wieder zur Bahn zurück.