Berlin. Mindestens fünf Interessenten bieten für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin. Darunter sind auch einige illustre Unternehmer.

Seit Freitag wissen die Gläubiger und das Management von Air Berlin, wie gefragt die insolvente Fluggesellschaft wirklich ist. Um 14 Uhr lief die Frist für Bieter ab. Jetzt sichtet die Unternehmensberatung Roland Berger die Unterlagen. Im Angebot sind Air Berlin, der österreichische Ferienflieger Niki, Air Berlin Technik, die Frachtsparte und die Luftfahrtgesellschaft Walter (LGW), insgesamt 144 Flugzeuge und eine große Zahl von Start- und Landerechten an zahlreichen Flughäfen, unter anderem in Düsseldorf mit seinem Millioneneinzugsbereich und in Berlin.

Vor allem die Start- und Landerechte gelten als wertvoll und sind mit ein Grund, dass Air Berlin den Flugbetrieb aufrecht erhält. Blieben die Flieger am Boden, fielen die Rechte an den Flughafenkoordinator, der sie dann unter anderen Fluggesellschaften verteilt. Die Reste Air Berlins wären dann kaum noch etwas wert, für die Gläubiger bliebe wenig übrig.

Welche Hoffnungsträger für die Rettung der Fluggesellschaft und ihrer mehr als 8000 Mitarbeiter noch im Rennen sind – ein Überblick:

Hans Rudolf Wöhrl

Der Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrlgehört zu den lautstärkeren Bietern. Er kennt sich mit Fluggesellschaften aus, allerdings gehörte ihm bisher keine in der Größe von Air Berlin. Und vor allem keine mit derartigen Problemen im laufenden Geschäft. Aber der 69-Jährige strotzt vor Selbstbewusstsein. Er bietet mit nicht näher genannten Investoren über eine Tochter seiner Beteiligungsgesellschaft Intro für Air Berlin komplett. Garantiert zahlt er dafür 50 Millionen Euro, weitere 450 Millionen Euro sollen „ergebnisabhängig“ fließen. Wöhrl rechnet für 2019 mit schwarzen Zahlen. Die Air-Berlin-Zahlen hat sich Wöhrl nicht angesehen, weil er keine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben wollte.

Chancen: Schwierig. Die Kaufsumme klingt hoch, allerdings fließen garantiert nur 50 Millionen Euro, was vergleichsweise wenig ist. Kommt Air Berlin nicht aus der Krise, gibt es auch kein Geld. Die Gläubiger erwarten mehr, allen voran die staatliche Förderbank KfW, die Air Berlin 150 Millionen Euro Überbrückungskredit gewährt hat. Ohne Einblick in die Bücher wirkt das Angebot wie ein Blindflug.

Utz Claassen

Der Unternehmer Utz Claassen liebt wie Wöhrl den großen Auftritt. Er bietet gemeinsam mit anderen Investoren 100 Millionen Euro für Air Berlin, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Das Projekt „Flamingo“ sieht vor, weitere 600 Millionen Euro bereitzustellen, um Air Berlin, die ersten Monate nach der Übernahme in der Luft zu halten. Das dürfte für rund sechs Monate reichen, weil Air Berlin Claassen zufolge monatlich 100 Millionen Euro verbrennt. Dann muss das Geschäft laufen.

Claassen will alle Mitarbeiter übernehmen – bei einer „angemessenen wettbewerbsgerechten Vergütungsstruktur“ – das verheißt größere Gehaltseinschnitte. Über die Namen der Investoren schweigt sich Claassen aus. Der Unternehmer arbeitete unter anderem als Chef beim Energieversorger EnBW. Derzeit sitzt er im Aufsichtsrat des Medizintechnikunternehmens Syntellix und war zuletzt in den Schlagzeilen wegen eines Streits mit Carsten Maschmeyer, einst Gründer und Chef des Finanzvertriebs AWD.

Chancen: Schlecht. Claassen kennt sich mit Luftfahrt nicht aus, auch wenn er im „Manager Magazin“ bereits eine aus seiner Sicht klare Lösung skizzierte: Die Grundthese: Air Berlin wurde kaputtgespart, Wachstum und Effizienz müssen her. Daran sind schon mehrere Firmenchefs gescheitert, die aus der Luftfahrt kamen. Der Kaufpreis Claassens ist vergleichsweise niedrig.

Lufthansa

Deutschlands größte Fluggesellschaft hat ein Angebot für Teile Air Berlins abgegeben. Mehr gibt das Unternehmen nicht bekannt. Schon vor Wochen hieß es allerdings, die Frankfurter interessierten sich für bis zu 90 Flugzeuge einschließlich Besatzung der Air-Berlin-Gruppe. Darunter sind auch die 38 Flugzeuge, die bereits jetzt für die Lufthansa-Töchter Eurowings und Austrian fliegen. Als Preis wurde ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag genannt. Lufthansa will mit den Maschinen sowie den Start- und Landerechten die Billigflugtochter Eurowings ausbauen – vor allem im Langstreckengeschäft.

Chancen: Hoch, allerdings risikobehaftet. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat einen guten Einblick, er verhandelt bereits seit Monaten mit Air Berlin. Zudem ist Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann erst im Februar von Lufthansa gekommen. Probleme könnten die Wettbewerbsbehörden machen. Lufthansa könnte in Deutschland einen Marktanteil von 90 Prozent bekommen, in Österreich sogar fast 100. Allerdings wünschen sich Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine starke deutsche Fluggesellschaft. Zypries könnte die deutschen Kartellbehörden überstimmen. Möglicherweise kommt das Angebot nur verändert im Zusammenspiel mit anderen Angeboten durch.

Niki Lauda/Condor

Niki Lauda, einst erfolgreicher Rennfahrer, hat Niki gegründet und dann an Air Berlin verkauft. Jetzt hat er sich mit Ferienflieger Condor zusammengetan, der zum Reisekonzern Thomas Cook gehört. Offiziell kommentiert Condor das Verfahren nicht. Lauda hat sich allerdings schon geäußert. Das Konsortium, an dem Lauda die Mehrheit halten möchte, will Niki mit den derzeit 35 Fliegern und rund 840 Mitarbeitern kaufen und Kurz- und Mittelstreckenflüge anbieten. Die Passagiere sollen über Thomas Cook kommen.

Wie viel das Konsortium bietet, ist unklar. Lauda nannte zunächst 100 Millionen Euro, dann schauten sich beide die Niki-Zahlen noch einmal genauer an.

Chancen: Recht gut in Verbindung mit anderen Angeboten. Die Lufthansa mit ihrer Marktmacht in Österreich könnte Probleme bekommen, Niki zu übernehmen. Eine Schwierigkeit sind allerdings 14 Maschinen samt Besatzung von TUI­fly, die für Niki im Einsatz sind. Die entsprechenden Mietverträge laufen bis 2029 und müssten wohl neu ausgehandelt werden.

Easyjet

Der Billigflieger will Teile des Kurzstreckenangebots übernehmen, um in Deutschland zu wachsen. Einzelheiten nannten die Briten nicht. Angeblich wollen sie bis zu 40 Maschinen von Air Berlin kaufen und Start- und Landerechten vor allem in Düsseldorf.

Chancen: Gut in Verbindung mit anderen Angeboten, etwa dem von Lufthansa und dem von Lauda/Condor. Easyjet könnte in möglichen Nachverhandlungen punkten. Es gibt keine kartellrechtlichen Probleme.

Zeitfracht

Experten des Berliner Logistikunternehmens haben sich in den vergangenen Tagen intensiv die Zahlen Air Berlins angesehen. Das Unternehmen bietet jetzt nur für die Technik-Tochter Air Berlins, das Frachtgeschäft und die Fluggesellschaft LGW mit ihren 20 Propellermaschinen, insgesamt rund 1400 Mitarbeiter. Die Technikstandorte in Berlin und Düsseldorf will Zeitfracht erhalten, wenig Chancen für die Zukunft sieht das Unternehmen für den Technikstandort in München.

Zeitfracht-Chef Wolfram Simon geht davon aus, rund 1000 Arbeitsplätze sichern und seine Gruppe zu einem gut etablierten Luftfracht-Carrier ausbauen zu können, wie er an die Mitarbeiter schrieb. Zeitfracht selbst beschäftigt rund 800 Mitarbeiter. Der Kaufpreis wurde nicht genannt. Der Logistiker arbeitet an einem europäischen Express-Frachtnetz.

Chancen: Recht gut. Zeitfracht bietet für die Teile Air Berlins, die die anderen Anbieter, vor allem die Fluggesellschaften, eher weniger interessant finden.

Jonathan Pang/Link Global

Pang hat vor gut zehn Jahren den Flughafen Parchim in Mecklenburg-Vorpommern gekauft. Der große Boom dort ist ausgeblieben. Jetzt hat er eine Woche Fristverlängerung beantragt, um noch ein Angebot vorzulegen.

Chancen: Eher schlecht. Als Chinese kann er nach EU-Recht nur maximal 49 Prozent übernehmen. Partner sind nötig, die allerdings auch direkt bieten könnten.