Berlin. Wie weiter nach dem Ende? Im Ringen um Air Berlin prallen nach der Pleite Interessen von Bossen, Politikern und Anwälten aufeinander.

Seit Monaten haben Air Berlin, Lufthansa und Easyjet offenbar bereits miteinander über die Zukunft Air Berlins verhandelt – mit Wissen der Bundesregierung. Offiziell hat das nie jemand bestätigt, um Air Berlin nicht zu schaden. Kaum jemand hätte sonst noch gebucht, Air Berlin dringend benötigtes Geld nicht bekommen. Das Ringen um die defizitäre Fluggesellschaft, die Nummer zwei hinter Lufthansa; zeigt, wie hart umkämpft der deutsche Markt ist und wie die Bundesregierung sich doch in die Marktwirtschaft einmischt. Es geht vor allem um Macht und Geld und erst danach um die Fluggäste. Wir stellen die wichtigsten Akteure im großen Air-Berlin-Spiel vor.

Thomas Winkelmann
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Thomas Winkelmann: Er ist der fünfte Chef bei Air Berlin und wird in die Firmengeschichte als derjenige eingehen, der den Lufthansa-Konkurrenten abwickelt. Bei seinem Antritt im Februar 2017 vermuteten Experten bereits, er solle Air Berlin für eine Übernahme durch Lufthansa vorbereiten, was Winkelmann stets bestritt. Der Manager arbeitete vorher für die Lufthansa in München. Das wenig zu retten ist, dürfte dem Manager bereits bei seinem Arbeitsantritt bewusst gewesen sein, er ließ sein Gehalt jedenfalls extra für Zahlungsschwierigkeiten des Unternehmens absichern. Air Berlin beschaffte dafür eine Bankgarantie für bis zu 4,5 Millionen Euro. Winkelmanns Vertrag läuft bis 2021.

Dass Air Berlin weiter existieren wird, ist sehr unwahrscheinlich. Wertvoll am Unternehmen sind ohnehin nur die Start- und Landerechte. „Die Zukunftsfrage von Air Berlin wird nun zügig gelöst. Wer Teile haben will, muss jetzt bieten“, sagte Winkelmann der „Zeit“. „Ich glaube, trotz Insolvenz mein Ziel zu erreichen und einen Großteil der Jobs zu sichern. Das kriegen wir hin.“ Möglicherweise wartet auf ihn am Ende ein führender Posten bei der Lufthansa.

Carsten Spohr
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Carsten Spohr: Seit gut zwei Jahren läuft es richtig gut für den Lufthansa-Vorstandsvorsitzenden: Rekordgewinne, Streit mit den Piloten beigelegt, die Billigflugtochter Eurowings dank der Anmietung von 38 Flugzeugen samt Crew bei Air Berlin schnell ausgebaut – und jetzt das Ende des Konkurrenten. Spohr will sich über Air Berlin interessante Start- und Landerechte in Düsseldorf mit seinem großen Einzugsbereich sichern. Der Standort ist dank des nahen Ruhrgebiets mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern noch attraktiver als Köln/Bonn. Zudem kann Spohr das lukrative Billigflieger-Langstreckengeschäft bei Eurowings mit 17 Flugzeugen und der ein oder anderen Strecke von Air Berlin schnell ausbauen.

Dass mit Easyjet ein Billigflugkonkurrent andere Teile Air Berlins bekommen könnte, stört zwar, ist aber weniger gefährlich, als wenn Ryanair, die nach Passagieren größte europäische Fluglinie mit ihrer aggressiven Preis- und Flugpolitik stärker in Deutschland tätig werden könnte. Ergebnis: Lufthansa wäre in Deutschland mit großem Marktanteil mit Abstand Nummer eins und nur schwer anzugreifen. Lästiger und teurer Wettbewerb auf innerdeutschen Strecken – etwa zwischen Berlin und München oder Berlin und Stuttgart – würde sich deutlich verringern. Was umgekehrt wohl höhere Flugpreise nach sich zieht.

Air Berlin Poker Leary

Michael O’Leary: Für einen markigen, gern ironischen Spruch ist der Chef der irischen Fluggesellschaft Ryanair immer gut. Im Fall Air Berlin ist er allerdings knallhart, spricht von abgekartetem Spiel zugunsten der Lufthansa. Das Szenario: Die Bundesregierung hält Air Berlin in der Luft, bis sich Lufthansa die interessantesten Slots an den Flughäfen nebst Maschinen von Air Berlin sicher kann, der Rest der Slots ginge in diesem Fall an den Ryanair-Konkurrenten Easyjet. Für die Iren blieben, wenn überhaupt, nur unattraktive Start- und Landerechte. Zudem käme Lufthansa in Deutschland dann auf einen Marktanteil von 60 Prozent statt bisher 47 Prozent, so hat es Ryanair berechnet. Bei Inlandsflügen wären es sogar 95 Prozent.

Ryanair bereitet sich auf den Brexit vor, Großbritannien ist einer der wesentlichen Märkte Ryanairs. Mit dem Austritt der Briten aus der EU ist womöglich auch ein Ende des Open Skies-Abkommens verbunden – Flugrechte müssten neu ausgehandelt werden, Ryanair drohen empfindliche Verluste. Das Unternehmen versucht deshalb bereits seit einiger Zeit unter anderem im lukrativen deutschen Markt kräftig zu wachsen – zu Lasten etwa von Lufthansa. Dazu gehört auch, nicht mehr nur abgelegene und kleine Flughäfen wie Weeze am Niederrhein anzufliegen, sondern auch die großen wie Frankfurt/Main und Berlin. O’Leary liebt es dabei, andere vor sich herzutreiben, den Eingriff des Staates bei Air Berlin betrachtet er als übles Foul im Spiel der wirtschaftlichen Kräfte. Üblicherweise vermeidet er überflüssige Ausgaben etwa für Anwälte, im Fall Air Berlin könnte das anders sein. Bei den Kartellbehörden hat er sich bereits beschwert.

Carolynn McCall
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Carolyn McCall: Schon seit längerem verhandelt die Chefin des britischen Billigfliegers Easyjet mit Air Berlin. Es geht vor allem um Start- und Landerechte der jetzt insolventen Berliner Fluggesellschaft. Weil viele Beteiligte im großen Air-Berlin-Spiel unbedingt verhindern wollen, dass Billigflieger Ryanair in Deutschland stärker wird und die Iren deshalb außen vor halten wollen, stehen die Chancen Easyjets auf interessante Slots recht gut. Für die Lufthansa ist Easyjet nicht so gefährlich wie Ryanair. Für das britische Unternehmen, das schwer vom Brexit getroffen wird, sind zusätzliche Slots im lukrativen deutschen Markt wichtig. McCall wird davon allerdings nicht mehr viel haben. Sie wechselt Ende des Jahres an die Spitze des britischen Fernsehsenders ITV.

Lucas Flöther
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Lucas Flöther: Im vergangenen Jahr übernahm es der Insolvenzspezialist aus Halle, die Unister-Holding mit den Reiseportalen fluege.de und ab-in-den-urlaub.de abzuwickeln. Flöther gelang es in wenigen Monaten, das schwer defizitäre und wegen eines Unfalls führungslose Unternehmen zu stabilisieren, zu verkaufen und dabei die meisten Arbeitsplätze zu sichern. Auch die Pleite des ostdeutschen Fahrradherstellers Mifa betreute er. Jetzt begleitet Flöther als Sachwalter die ungleich größere Insolvenz in Eigenregie von Air Berlin. Er beaufsichtigt den Vorstand. Gelingt auch hier ein zügiger Abschluss, empfiehlt sich Flöther für noch größere Fälle.

Frank Kebekus
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Frank Kebekus: Bei Air Berlin übernimmt der Düsseldorfer Rechtsanwalt die Rolle des Sanierers. Er ist Generalbevollmächtigter und arbeitet eng mit dem Insolvenzverwalter zusammen. Kebekus begleitete zuletzt die Pleite des Modeunternehmens Steilmann. Er gilt als extrem erfahrener Sanierer. Viel zu sanieren ist bei Air Berlin allerdings nicht, schließlich versuchten sich die vier Vorstandschefs seit 2011 bereits daran – mit immer tieferen roten Zahlen als Ergebnis. Es geht vor allem um den geregelten Verkauf in Teilen. „Wir haben eine einfache Zielsetzung: Wir möchten möglichst viel, was zusammenpasst und sich beim Käufer einfügt, an seriöse Unternehmen abgeben“, sagte Kebekus. Es gehe nun darum, das Unternehmen weiter zu stabilisieren. „Wir müssen so weit wie möglich business as usual hinbekommen.“

Alexander Dobrindt
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Alexander Dobrindt (CSU) und Brigitte Zypries (SPD): Welch ein überparteilicher Zusammenschluss: Der Bundesverkehrsminister von der CSU und die Bundeswirtschaftsministerin von der SPD sind sonst selten einer Meinung. Jetzt mussten sie über das Wochenende mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) entscheiden, ob sie Air Berlin zumindest noch einige Wochen lang in der Luft halten wollen. Offiziell ging es darum, mehreren Zehntausend Reisenden zu ermöglichen, aus ihren Urlaubsorten im Ausland auch wieder zurückreisen zu können. Bilder von müden und verzweifelten Deutschen, die kurz vor der Bundestagswahl auf Flughäfen in Spanien, Griechenland oder Portugal auf Koffern übernachten, könnten auch die Wählergunst beeinflussen. Ganz abgesehen davon, dass die Opposition das ausschlachten würde. Die Gefahr besteht jetzt nicht.

Zypries: Kredit für Air Berlin schafft Spielraum für Verhandlungen

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    Zudem lässt sich mit dem Überbrückungskredit praktisch nebenbei Wirtschaftspolitik betreiben: Dobrindt sagte bereits, dass die Bundesregierung die Reste Air Berlins vor allem in Händen der Lufthansa sehen möchte – ein Eingriff in den freien Markt und der Versuch, im internationalen Wettbewerb mit teils staatlich gestützten Fluggesellschaften ein großes deutsches Unternehmen zu stärken.

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