Zwischen Beten und Bangen: Kunden und Senat hoffen auf ein Überleben von Air Berlin. Die Opposition kritisiert die Hilfe des Bunds.

Dienstag, 14 Uhr, die Abflughalle A am Flughafen Tegel ist voller Menschen. Passagiere mit Kindern und Koffern stehen Schlange, Polizisten patrouillieren, Flughafenmitarbeiter drücken sich an den Wartenden vorbei. Scheinbar ein ganz normaler Tag. Doch es ist der Tag, an dem eine Ära endet. Noch ist die Nachricht erst bei wenigen in der Halle angekommen: Air Berlin hat Insolvenz angemeldet. Deutschlands zweitgrößte Airline liegt nach verlustreichen Jahren am Boden.

Am Check-in-Schalter von Air Berlin wollen an diesem Mittag die meisten Urlauber nach Mallorca oder Ibiza, viele mit Air-Berlin-Tochter Niki. Auf die Pleite angesprochen, zeigen sich die Wartenden Thomas Metzger (49) aus Steglitz und seine Frau kaum überrascht: „Das war ja vorherzusehen“. Obwohl er mit Air Berlin fliege, mache er sich jetzt aber keine Sorgen. „Ein gewisses Restrisiko besteht immer für die Passagiere. Egal ob sie bei TUI oder Air Berlin buchen.“

Kunden glauben nicht an das Aus der Airline

Grundsätzlich sei er positiv gestimmt, dass es mit der Airline wieder bergauf gehe. Insolvenz bedeute ja nicht, dass die Fluggesellschaft sofort von der Bildfläche verschwinde. Das kann sich Metzger schwer vorstellen: „Die Airline gehört einfach zu Berlin.“

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    Das sieht Lutz Matthias (59) aus Zehlendorf ähnlich. Er reist mit Tochter und Ehefrau nach Mallorca. „Wir sind immer viel mit Air Berlin geflogen, sowohl dienstlich als auch privat.“ Der Standard habe sich kontinuierlich verbessert, findet er. Schlechte Erfahrungen habe er mit Air Berlin nie gemacht. Auch jetzt macht sich Matthias keine Sorgen: „Wir fliegen mit Niki und haben bisher nur Gutes gehört.“

    Zahlreiche Verspätungen und Ausfälle

    Dies mussten andere Kunden der Airline in der Vergangenheit völlig anders erleben. Seit Monaten kämpfte das Unternehmen mit massiven operativen Problemen. Vor allem der Flugverkehr in Tegel brach wiederholt zusammen, Maschinen kamen zu spät, Flugpläne wurden umgestellt, Flüge gestrichen. Sogar andere Gesellschaften wurden in Mitleidenschaft gezogen.

    Das Kofferchaos von Tegel wurde zum Inbegriff des Niedergangs von Air Berlin. Je mehr das Renommee der Gesellschaft sank, desto höher wuchsen die Schulden. 2016 gab es einen Rekordverlust von 782 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2017 verlor die Airline täglich drei Millionen Euro.

    Reisende sollen nicht am Urlaubsort stranden

    Als an diesem späten Mittag nun die Nachricht von der Insolvenz zunehmend bekannt wird, melden sich bald Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) zu Wort. Weitere Unruhe soll offenbar vermieden werden. Den 150-Millionen-Kredit durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau erklären sie in ihren Statements als Weg, die Verhandlungen Air Berlins mit der Lufthansa über einen Teilverkauf unterstützend zu begleiten. Zudem geht es darum, inmitten der Ferienzeit nicht Reisende an ihren Urlaubsorten zurückzulassen.

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        In Berlin unterstreicht der stellvertretende Senatssprecher Julian Mieth die Botschaft: „Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund einen Übergangskredit von 150 Millionen Euro gewährt. Die Senatskanzlei ist sehr daran interessiert, dass die Arbeitsplätze so weit wie möglich erhalten bleiben.“ Florian Graf, Chef der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, von „einem schweren Schlag für die Stadt“. Der Berliner Senat müsse nun ein Konzept entwickeln, um den Wirtschaftsstandort Berlin vor weiteren Schäden zu bewahren.

        „BER-Desaster war Sargnagel“

        Der FDP-Wirtschaftsexperte Florian Swyter sagt: „Das BER-Desaster war ein Sargnagel zum Niedergang dieser Gesellschaft.“ Es wäre falsch, wenn Berlin mit Staatshilfen jetzt auch noch das Geld der Steuerzahler gefährde. Der Vizefraktionschef der AfD, Ronald Gläser kritisiert den Überbrückungskredit. Und eine auch nur teilweise Übernahme durch den direkten Konkurrenten Lufthansa wäre ebenso falsch wie eine staatliche Rettung von Air Berlin aus Steuergeldern, findet Gläser.

        Der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, Christian Wiesenhütter sagt, derzeit seien keine negativen Folgen für den Wirtschaftsstandort erkennbar. „Durch den KfW-Kredit hat die Gesellschaft nun offenbar einige Wochen Zeit gewonnen, ihren Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und Sanierungsoptionen weiterzuentwickeln“, so Wiesenhütter. In einem Punkt zeigt er sich sogar zuversichtlich: Weil die Nachfrage an den Landerechten in Berlin hoch sei, sehe die IHK keine Auswirkungen auf die Auslastung der Flughäfen oder die zukünftige Auslastung des BER.

        Für den Flughafen-Standort ist Air Berlin wichtig

        Der Flughafenstandort hat jetzt auch in den Überlegungen an Brandenburgs Regierungsspitze erste Priorität: Sprecher Florian Engels erklärt, für den Luftverkehrsstandort Berlin-Brandenburg sei Air Berlin von großer Bedeutung. „Jetzt muss alles getan werden, um die negativen Auswirkungen einer Insolvenz so gering wie möglich zu halten“, so Engels. „Wir hoffen, dass die Auswirkungen für die Beschäftigten, die teilweise auch aus Brandenburg kommen, möglichst gering bleiben.“

        Und wie geht es jetzt den Betroffenen? In der Zentrale von Air Berlin am Saatwinkler Damm in Charlottenburg treten vereinzelt Mitarbeiter vor die Tür, man raucht zusammen, aber viel wird nicht gesprochen. Nach der Insolvenz gefragt, will niemand etwas sagen. Einem Mitarbeiter entfährt nur ein hastiges: „Nein, nein“. Er scheint den Tränen nahe.

        Das Herz von Air Berlin war in Schokoladenform von Anfang an das Symbol der Luftlinie. Nun soll es nicht mehr schlagen. Auch in der Abflughalle sprechen viele Fluggäste von einer fast emotionalen Verbindung zur Airline. Es sei schade um Air Berlin, findet Susann Erthner (39) aus Pankow. Auch wenn sich ihre Überraschung in Grenzen hält. „Da hat man ja schon lange was von in der Presse gelesen, das kommt jetzt für mich nicht so plötzlich“, sagt sie.

        Eine emotionale Bindung an die Fluglinie

        Gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter ist sie auf dem Weg nach Sa Coma auf Mallorca. Auch sie fliegen mit Niki, der Air-Berlin-Tochter, die aktuell nicht von der Insolvenz betroffen ist, und sind zuversichtlich, dass sie pünktlich an- und abreisen können. Ein bisschen wehmütig ist Susann Erthner aber schon im Hinblick auf die Zukunft der Airline: „Es wäre schade, wenn Berlin nicht mehr in der Luft zu sehen wäre.“


        Mitarbeit: Hannah Hofer, Gudrun Mallwitz, Leonie Schlick, Lorenz Vossen, Julian Wessel