Berlin. Am Mittwoch findet ein Spitzentreffen zwischen Politik und der Autoindustrie statt. Die ersten Ergebnisse stehen schon vorher fest.

Im Kampf gegen Luftverschmutzung in großen Städten wollen Bund und Länder die Autobranche zu Abgas-Nachbesserungen an Millionen Fahrzeugen verpflichten. Bei einem nationalen Dieselgipfel am Mittwoch (11.30 Uhr) in Berlin soll zudem eine zusätzliche Förderung von Projekten besiegelt werden, um den Schadstoffausstoß in Städten zu reduzieren – etwa mit digitalen Verkehrsleitsystemen, die Staus verhindern könnten.

Gastgeber des Treffens sind Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Hintergrund sind auch drohende Fahrverbote für ältere Diesel-Fahrzeuge in einigen Städten. Wir zeigen, wer wie daran beteiligt war, dass der Diesel in Deutschland (und der Welt) zuletzt so in Verruf geriet.

Der Aussitzer

Für Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) war „Diesel-Gate“ so gut wie vom Tisch. In der „Thematik“ - wie der 47-jährige Politiker sie nennt – sollte gemächlich ermittelt und zart aufgeklärt werden. Seinem Nachfolger wären die Aufräumarbeiten nach der Bundestagswahl überlassen geblieben. Auf den letzten Metern seiner Amtszeit wird die Affäre aber nun zur Zerreißprobe für Dobrindt.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). © REUTERS | AXEL SCHMIDT

Die Opposition fordert den Rücktritt des smarten Bayern mit den karierten Anzügen und der Designer-Brille. Setzte Dobrindt bisher vor allem auf freiwillige Rückrufaktionen, verschärfte er nun den Ton. Der CSU-Mann appelliert an die „verdammte Verantwortung“ der Autobauer und beklagt, dass sich die Industrie in „schweres Fahrwasser“ gebracht hat. Der Verkehrsminister muss die Glaubwürdigkeit einer äußerst wichtigen Branche retten, die seines Ministe­riums und vor allem seine eigene. Denn Fakt ist inzwischen: Dobrindt ist zunehmend angeschlagen.

Die Wortgewaltige

Barbara Hendricks, Umweltministerin und SPD-Politikerin, ist nicht nur gemeinsam mit Dobrindt Gastgeberin des nationalen Diesel-Gipfels. Sie hat bereits das Ende des Kuschelkurses mit den Autobauern angekündigt. Wie ernst die 65-Jährige ihre Ansage meint, zeigte sich bei einem Treffen mit VW-Konzernchef Matthias Müller in Wolfsburg. Vor laufenden Kameras hält sie ihm eine Standpauke, spricht von Missständen im Management, von Vertrauensverlust, von Täuschung der Bürger und der Regierung.

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    Beim Diesel-Gipfel könnte sich allerdings herausstellen, dass Hendricks laut bellen, aber nicht beißen kann. Zum Beispiel wollte die SPD-Frau eine Kontrollbehörde für Autos im Umweltministerium ansiedeln – daraus wird laut ersten Informationen über die Verhandlungsposition der Regierung nichts. Ohne die Unterstützung des Kanzleramts wird sich am Verhältnis zwischen Politik und Autolobby ohnehin wenig ändern.

    Der grüne Autofreund

    Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, 69, hat den entspannten Umgang mit den Automanagern mitgeprägt. Zwar ist er fern von Berlin, aber in Stuttgart regiert er sehr nah am Problem. Das Ländle verdankt seinen Wohlstand der Autoindustrie und ihren Jobs, genauer: Daimler. Das Kretschmann-Dilemma: Zugleich muss er sich mit Fahrverboten rumschlagen, Stuttgart reißt alle Grenzwerte für Feinstaub. Gerichtsurteile drohen.

    Erst lud Kretschmann die Autochefs freundlich zum „strategischen Gespräch“. Doch seit das Autokartell im Raum steht und Fahrverbote gegen Diesel denkbar werden, steht er selbst unter Druck. Das zeigt die jüngste Volte. „Minister Dobrindt hat uns hängenlassen in der ganzen Geschichte“, sagte der Grüne, der sich privat einen Diesel gekauft hat. Kretschmanns Begründung dazu: er brauche „ein gescheit’s Auto“.

    Der Strippenzieher

    Matthias Wissmann, 68, ist als Präsident des Verbandes der Autobranche, des VDA, Deutschlands wichtigster Autolobbyist und trommelt unbeirrt für den Diesel. Erst vor wenigen Tagen kritisierte er wieder „Stimmungsmache gegen Dieselfahrzeuge“. Sein Wort hat Gewicht. Der Jurist kennt die Politik gut, der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sagt: „zu gut“. Merkel habe Wissmann in sein Amt gehievt, sagt Dudenhöffer.

    Wissmann war von 1993 bis 1998, es war die Zeit der Regierung Kohl, Bundesverkehrsminister. Seine Kollegin im Umweltministerium hieß Angela Merkel. Doch die Zeiten werden schwieriger für Wissmann, der privat einen VW Tiguan TDI fährt. Zuletzt rügte er das mögliche Kartell der Autoindustrie ungewöhnlich scharf, mahnte Rechtstreue an. In der Industrie kam das nicht gut an: Daimler-Chef Zetsche erklärte daraufhin kühl, er sei von den Äußerungen des Lobbyisten „überrascht“.

    Der VW-Politiker

    Stephan Weil, 58, ist in Niedersachsen SPD-Ministerpräsident - und VW-Aufsichtsrat. Deshalb muss er sich seit dem Abgasskandal die Frage gefallen lassen, ob er mehr dem Volk oder Volkswagen dient. Die Abgasaffäre katapultierte Weil jedoch in einen Interessenkonflikt. Als Politiker ist Weil dem Wohl der Bürger verpflichtet, die unter Autoabgasen leiden. Als Aufsichtsrat muss er die Interessen des Konzerns und seiner Aktionäre wahren, zu denen das Land selbst gehört. Weil, eher Typ ruhiger Jurist, macht öffentlich auf VW keinen Druck. Aufgefallen ist Weil, als er im Aufsichtsrat Millionenabfindungen für gescheiterte Manager durchwinkte.

    Der Abwiegler

    Als Dieter Zetsche ausgerechnet auf dem Parteitag der Grünen auftauchte, war die Aufregung groß. Der Daimler-Vorstandsvorsitzender wurde von einem Teil der Parteimitglieder mit lauten Buhrufen empfangen. Daimler müsse Teil einer ökologischen Verkehrswende sein, hieß es dort. Zetsche bekräftigte sein „Ja“ zu Elektroautos und zum Klimaschutz. Jetzt steckt der 64-Jährige mittendrin im Diesel-Skandal. Bisher hält sich Zetsche bedeckt, spricht von Spekulationen. Der Chef einer der größten Arbeitgeber Deutschlands setzt auf die Technik des Abwartens. Statt sich bekümmert zu geben, wünscht er seinen Kunden online erstmal einen schönen Urlaub.

    Der Undurchschaubare

    VW-Chef Matthias Müller.
    VW-Chef Matthias Müller. © imago/Hannelore Förster | imago stock&people

    Der Aufstieg zum Chef des Volkswagen-Konzerns kam für den damaligen Porsche-Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, 64, unerwartet. Aufklären wollte er die Dieselaffäre 2015. Schonungslos, rücksichtslos. Doch aus der großen Aufklärung und Wahrheitsfindung ist bis heute nicht viel geworden.

    Immer neue pikante Details aus der VW-Markenfamilie weisen auf ein verbreitetes Hintergehen von Behörden und Kunden bei der Abgastechnik hin. Zuletzt musste sich Müller von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) öffentlich maßregeln lassen. Der Manager muss auch gegen Glaubwürdigkeitsprobleme ankämpfen, nachdem jüngst bei Porsche, seiner alten Wirkungsstätte, eine illegale Abschaltvorrichtung nachgewiesen wurde.

    Der Arbeiterkämpfer

    Die Energiewende könne ein „Wachstumsmotor“ werden, urteilt die IG Metall, die den Großteil der Beschäftigten in der Autoindustrie vertritt. Bei anderen Motoren versteht ihr Chef Jörg Hofmann, 61, keinen Spaß. Fahrverbote für Diesel? Auf gar keinen Fall, wenn es nach der Gewerkschaft geht. Es gebe eine „unlautere Skandalisierung des Automobils“. Dass Autoabgase Menschen töteten, gehört zu den „abstrusen Dingen“, die „vermeintliche Ökogruppen“ verbreiten, sagte Hofmann der „FAS“. So polemisch würde kein Autoboss zu argumentieren wagen. Hofmann gibt also im Namen der Arbeiter den Anti-Öko auf dem Diesel-Gipfel.

    Der Spielverderber

    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.]
    Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.] © picture alliance / Marijan Murat | dpa Picture-Alliance / Marijan Murat

    Er ist der Mann, der sich mit der Autoindustrie seit Jahren anlegt: Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der 57-Jährige hat schon das Dosenpfand mit durchgeboxt. Doch dieser Fall macht ihn deutschlandweit berühmt. Immerhin hatte er schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass die offiziellen Abgaswerte der Diesel mit der Realität nichts zu tun haben.

    In Deutschland interessierte das damals kaum. Heute treibt Resch die Autokonzerne vor sich her. Der Daimler-Anwalt drohte mit Schadenersatzforderungen. Vor Gericht gewann dann allerdings wieder einmal: Jürgen Resch. Der geriet allerdings zuletzt auch in die Defensive, denn die DUH wird auch von Toyota unterstützt, das vom Dieselskandal profitiert.