Konzern spürt demografischen Wandel. Mit Azubi-Camps und mehr Aktionen im Internet will er junge Leute begeistern.

Hamburg. Am liebsten löst Simone Arkenau mit der Schraubmaschine Schienen von den Schwellen ab. Auch die Arbeit mit der 60 Kilogramm schweren Stopfmaschine mag die 21-Jährige eigentlich gern. „Die wiegt aber fast so viel wie ich. Das ist schwierig“, sagt Arkenau, die im zweiten Jahr zur Gleisbauerin ausgebildet wird. Sie ist seit der Eröffnung der Ausbildungswerkstatt der Deutschen Bahn 1977 in Harburg die dritte Frau, die diesen Beruf erlernen will. Künftig wird das Unternehmen wohl stärker auf weibliche Bewerber setzen, denn Nachwuchs wird dringend gesucht. In den kommenden zehn Jahren will allein die Konzerntochter DB Netz AG 12.000 Stellen neu besetzen. Der Hauptgrund: Ein Drittel der Arbeitnehmer wird das Unternehmen bis 2025 altersbedingt verlassen.

„Wir brauchen jährlich viele neue Mitarbeiter, um die altersbedingten Abgänge zu kompensieren und das größte Modernisierungsprogramm für die Schiene aller Zeiten zu stemmen“, sagt Ute Plambeck, Vorstand Personal der DB Netz AG. Im November hatten Bund und Deutsche Bahn ein Programm vorgestellt, in dessen Zuge in den kommenden fünf Jahren 28 Milliarden Euro in die Modernisierung des Schienennetzes investiert werden sollen. In Hamburg sind zum Start im September noch mehr als 100 Ausbildungsplätze frei. Vor allem Lokführer, Fahrdienstleiter und Elektroniker werden gesucht.

Bundesweit will der gesamte Bahnkonzern in diesem Jahr 7000 bis 8000 Mitarbeiter einstellen. Etwa 3700 junge Menschen sollen eine Ausbildung oder ein duales Studium beginnen. Für 450 Hochschulabsolventen gibt es die Möglichkeit, als Trainee oder direkt anzufangen. In Hamburg wurden im Jahr 2014 etwa 400 Mitarbeiter eingestellt.

190.000 Bewerbungen sind nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr bei dem Unternehmen eingegangen. Jedoch gestalte sich das Einstellen neuer Mitarbeiter inzwischen deutlich komplizierter als früher. „Der Wettbewerb der Unternehmen um Auszubildende nimmt zu. Demografisch betrachtet werden wir 2030 etwa zwei Millionen weniger Schulabgänger haben als heute“, sagt Kerstin Wagner, Leiterin Personalgewinnung bei der Bahn.

Rund 140 Mitarbeiter sind bei der Bahn mit der Personalgewinnung beschäftigt. Um qualifizierte Mitarbeiter zu finden, will der Konzern seine vor gut zwei Jahren gestartete Kampagne „Kein Job wie jeder andere“ ausbauen. „Ziel ist es, uns als Unternehmen vorzustellen und potenziellen Bewerbern zu zeigen, was wir bieten können“, sagt Wagner. „Wir bemerken verstärkt, dass den jungen Leute vor allem die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze wichtig ist.“

Die Rekrutierung von Personal soll künftig deutlich digitaler ablaufen. Die Bahn werde verstärkt in den sozialen Medien für sich werben, sagt Wagner. So werde es künftig eine Dialogplattform für Azubis und Schüler geben. „Wir müssen dahin, wo die Bewerber sind“, sagt Wagner. Daher biete man auch Azubi-Camps an, bei denen potenzielle Auszubildende Einblicke in die Arbeitswelt bekommen sollen. Die Bahn kooperiert mit 360 Schulen und 20 Hochschulen in Deutschland. Auch im Ausland sucht sie nach Mitarbeitern. „Im Ingenieursbereich haben wir beispielsweise eine erfolgreiche Kooperation mit Rumänien“, sagt Plambeck.

Ein „wesentlicher Bestandteil“ der Personalgewinnung sei zudem ein Programm, bei dem Mitarbeiter neue Kollegen anwerben sollen. Bei den Brüdern Maximilian, 20, und Niklas Pape, 17, aus Bramfeld kam es sogar schon während der Vertragsunterzeichnung des einen zur Anwerbung des anderen. „Als ich meinen Ausbildungsvertrag unterschrieben habe, wurde ich direkt gefragt, ob ich jemanden kenne, der auch Lust auf die Arbeit hat. Ich habe meinen Bruder vorgeschlagen“, sagt Maximilian Pape. Im September 2012 begannen die Brüder gleichzeitig ihre Ausbildung. Inzwischen ist Niklas in Billwerder und Maximilian in Altona stationiert.

„Ein besonders hoher Personalbedarf besteht in der Instandhaltung, speziell in der Leit- und Sicherungstechnik“, sagt Plambeck. In der Ausbildungswerkstatt arbeiten derzeit 70 angehende Gleisbauer. Besonders schwierig gestalte es sich, Frauen für diesen Beruf zu gewinnen. Simone Arkenau bildet die Ausnahme. „Bei der Bahn zu arbeiten war immer mein Traum. Jedenfalls nachdem es mit der Karriere als Fußballprofi nicht geklappt hat“, sagt Arkenau, die aus dem Landkreis Vechta kommt. Fit müsse man schon sein. „Zum Beispiel für den Schwellenumbau. Eine Betonschwelle wiegt 303,5 Kilogramm, zu viert müssen wir die tragen können.“ Angst brauche man nicht zu haben. „Aber Respekt.“

Der Anteil an beschäftigten Frauen bei der DB Netz AG liegt bei 17,7 Prozent und damit unter dem bei der Deutschen Bahn insgesamt (23 Prozent). Die technischen Berufe sprechen noch eher wenige Frauen an, sagt Ute Plambeck. Um junge Frauen und Männer für einen Job bei dem Logistikkonzern zu begeistern, veranstaltet die Deutsche Bahn am Freitag, 6. Februar, einen Berufsinformationstag im Lokschuppen des ICE-Werkes in Eidelstedt. Auszubildende stehen für Fragen zur Verfügung.