Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt legt seine letzte Bilanz bei der Reederei vor. Er ist selbst enttäuscht – und die Stadt bekommt erneut keine Dividende.

Hamburg. Michael Behrendt macht keinen Hehl daraus, dass er mit seiner letzten Jahresbilanz als Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd nicht glücklich ist. „Obwohl Hapag-Lloyd dank des positiven operativen Ergebnisses im Branchenvergleich erneut gut abschneidet, ist das Ergebnis weit hinter unseren Erwartungen für 2013 zurückgeblieben und unter dem Strich enttäuschend“, sagte Behrendt am Mittwoch zur Jahresbilanz 2013.

Zum 1. Juli übergibt der gebürtige Hamburger die Führung bei der wichtigsten Reederei der Hansestadt an den Niederländer Rolf Habben-Jansen, 47, der bereits am kommenden Dienstag in den Vorstand von Hapag-Lloyd eintritt. Zwölfeinhalb Jahre lang wird Behrendt, 62, die Reederei zum Zeitpunkt der Übergabe geführt haben. Die letzten Jahre seit 2009 waren angesichts der andauernden Schifffahrtskrise keine angenehmen, jedenfalls nicht mit Blick auf das Zahlenwerk. Für 2013 verzeichnet die Reederei einen Nettoverlust von 97 Millionen Euro. Das ist zwar ein geringerer Aderlass als die 128 Millionen Euro im Jahr 2012. Auch konnte Hapag-Lloyd das operative Ergebnis (Ebitda) auf 389 Millionen Euro steigern, gegenüber 335 Millionen Euro im Jahr 2012. Doch letztlich gelang es dem Unternehmen nicht, sich vom schlechten Marktumfeld abzukoppeln: „Als einer von vielen Marktteilnehmern können wir uns der allgemeinen Ratenentwicklung, die im vergangenen Jahr erneut von Irrationalität geprägt war, nicht entziehen“, sagte Behrendt. Die durchschnittliche Frachtrate – der Transportpreis – für eine Containereinheit (TEU) lag bei Hapag-Lloyd mit 1482 Dollar um 99 Dollar unter dem Vorjahresniveau. Der Umsatz sank auf 6,57 Milliarden Euro (2012: 6,84 Milliarden Euro).

In der Schifffahrt steht die stärkste Konzentration seit Langem bevor

Seit 2009 steht die Containerschifffahrt unter dem Dauerdruck durch Überkapazitäten, steigende Brennstoffkosten und immer wieder auch durch Kämpfe um Marktanteile, die regelmäßig im Verfall der Frachtraten enden. In den vergangenen Jahren hat Behrendt vor allem mit einem Einsparungsprogramm in Höhe von insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro jährlich gegengesteuert, zudem mit der Modernisierung der Flotte durch den Kauf von zehn Großcontainerschiffen mit je 13.200 TEU Kapazität. Doch die internen Möglichkeiten sind ausgereizt. Will Hapag-Lloyd in der Riege der führenden Reedereien weiter mithalten, muss das Unternehmen fusionieren. Alles hängt jetzt davon ab, dass der geplante Zusammenschluss mit der chilenischen Reederei CSAV in den kommenden Monaten realisiert werden kann.

Durch die Fusion mit der Containersparte von CSAV stiege Hapag-Lloyd bei der Transportkapazität von Rang sechs auf Rang vier der weltweit führenden Schifffahrtslinien auf. Die Hamburger Reederei wäre dann in den Fahrtgebieten zwischen Ost und West ebenso präsent wie in den Nord-Süd-Verbindungen zwischen Europa und Asien mit Südamerika. Am vergangenen Freitag stimmten die CSAV-Aktionäre für eine erste von zwei Kapitalerhöhungen. Dabei lehnten nur rund ein Prozent der CSAV-Anteilseigner die Fusion mit Hapag-Lloyd ab, bei einer Ablehnung von fünf Prozent des Aktienkapitals würde das Projekt scheitern. Nach einer Frist von 30 Tagen kann die nächste Hauptversammlung bei CSAV eine weitere Kapitalerhöhung beschließen. Daraus sollen nach der Fusion von Hapag-Lloyd und CSAV 259 Millionen Euro in eine Kapitalerhöhung bei Hapag-Lloyd fließen. CSAV würde dann zunächst 34 Prozent der Anteile an der Hamburger Reederei halten und wäre größter Einzelaktionär.

Derzeit hält die Stadt Hamburg rund 37 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile, der Logistikunternehmer Klaus-Michael Kühne etwa 28 Prozent und der Touristikkonzern TUI in Hannover 22 Prozent. Die übrigen Anteile liegen bei Hamburger Banken und Versicherungen. Wie sich die Anteile der Großaktionäre künftig verteilen, hängt vor allem davon ab, in welchem Umfang die Stadt Hamburg und Kühne an der geplanten Kapitalerhöhung bei Hapag-Lloyd teilnehmen, die insgesamt 370 Millionen Euro umfassen soll. Vorgesehen ist mittelfristig auch ein neuer Versuch, Hapag-Lloyd an die Börse zu bringen. Im Zuge dessen würde vermutlich TUI seine Anteile weitgehend verkaufen. Anläufe für einen Börsengang bei Hapag-Lloyd waren wegen des schlechten Marktumfeldes und der anhaltenden Schifffahrtskrise in den vergangenen Jahren bereits zweimal gescheitert. Für den nächsten Versuch betonen Hapag-Lloyd und CSAV vor allem den Plan, im Zuge einer Fusion jährlich weitere 300 Millionen Dollar (217 Millionen Euro) einzusparen.

Haupteigner bei CSAV ist das Unternehmen Quiñenco der chilenischen Industriellenfamilie Luksic, einem der mächtigsten Konglomerate in Südamerika. Nach dem Einstieg von Quiñenco wurde die damals schwer angeschlagene Reederei CSAV einem harten Sanierungsprogramm unterzogen, die Flotte weitgehend neu aufgebaut. Quiñenco dürfte nach Information des Abendblatts vor allem in Abstimmung mit Kühne nach einer Fusion von Hapag-Lloyd mit der Containersparte von CSAV erheblichen Einfluss bei der künftigen Großreederei ausüben.

Jedenfalls würde Hapag-Lloyd in vergrößerter Form über zwei äußerst kapitalkräftige Großaktionäre verfügen – Luksic und Kühne – und womöglich durch einen Börsengang eine weitere kräftige Kapitalspritze bekommen. Geplant sind im Zuge dessen weitere 370 Millionen Euro Kapitalerhöhung. Ein starker Ausbau der finanziellen Basis ist für die kommenden Jahre zwingend notwendig. Die Containerschifffahrt steht derzeit vor der stärksten Konzentration der vergangenen Jahrzehnte. Vermutlich zum Ende des zweiten Quartals wird der Weg frei sein für die Bildung der neuen Allianz P3, bestehend aus den drei führenden Linienreedereien Mærsk, MSC und CMA CGM.

Mit der Zusammenfassung von rund 250 Containerschiffen der überwiegend weltweit größten Typen würde P3 künftig rund 40 Prozent des Transportaufkommens zwischen Europa und Fernost kontrollieren und einen vergleichbaren Anteil zwischen Europa und den USA. In der vergangenen Woche gab die US Federal Maritime Commission grünes Licht für die Allianz, die Zustimmung Chinas und der EU steht noch aus. „Wir sind zuversichtlich, dass P3 die Arbeit in diesem Sommer aufnehmen kann“, sagte der verantwortliche Mærsk-Manager Vincent Clerc dem Abendblatt. „P3 wird die Containerschifffahrt deutlich effizienter machen, das dient vor allem unseren Kunden.“ Die weltgrößte Linienreederei agiert derzeit aus einer starken Position heraus. Nachdem sich Mærsk durch Preiskämpfe jahrelang selbst die Gewinne zerstört hatte, verbuchte das dänische Unternehmen für 2013 umgerechnet 1,5 Milliarden Dollar Nettogewinn. Zudem fährt Mærsk derzeit mit der neuen 18.000-TEU-Klasse die größten und modernsten Containerschiffe der Welt. Hapag-Lloyd wiederum ist Teil der Schifffahrtsallianz G6, zu der unter anderem auch die Reedereien APL aus Singapur und NYK aus Japan zählen.

In Hamburg kritisierte am Mittwoch die Opposition in der Bürgerschaft erneut das finanzielle Engagement der Stadt als derzeit größter Aktionär bei Hapag-Lloyd. Wegen des Nettoverlustes wird die Reederei für 2013 abermals keine Dividende zahlen. „Hapag-Lloyd tritt auf der Stelle“, sagte Roland Heintze, der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Für Hamburg bedeutet das auch dieses Jahr eine ausbleibende Dividende. Im Haushalt waren ursprünglich 35 Millionen Euro dafür eingeplant.“