Hamburgs wichtigste Reederei Hapag-Lloyd steht vor tief greifenden Umwälzungen

Wenn der Chef von Hapag-Lloyd in einem Jahr die Bilanz für 2014 vorlegt, wird Hamburgs wichtigste Reederei in vielen Belangen ein anderes Unternehmen sein als heute. Geht es gut, ist diese hanseatische Institution dann ein deutliches Stück globaler, allerdings auch weniger hamburgisch. Geht es schlecht, stehen Hapag-Lloyd Jahre bevor, die noch weit unangenehmer sein werden als die vergangenen.

Michael Behrendt, 62, legte am Mittwoch seine letzte Jahresbilanz als Vorstandsvorsitzender vor, zum 1. Juli übergibt der langjährige Chef die Führung aus Altersgründen an den Niederländer Rolf Habben-Jansen. Der gebürtige Hamburger führt Hapag-Lloyd seit 2002 präsidial und hanseatisch. Mit Behrendts Weggang enden die alten Zeiten, die lange Zeit sehr gute waren, endgültig. Behrendt hatte 2008 maßgeblich an der Organisation eines Hamburger Konsortiums mitgewirkt, das bei der Reederei am Ballindamm die Mehrheit übernahm und damit eine feindliche Übernahme von Hapag-Lloyd durch NOL in Singapur verhinderte. Er presste seit dem Beginn der Branchenkrise 2009 jährliche Einsparungen von insgesamt 1,1 Milliarden Euro aus dem Unternehmen heraus und hievte Hapag-Lloyd durch den Kauf von zehn Schiffen mit jeweils mehr als 13.000 Containereinheiten Tragfähigkeit in eine neue Größenklasse. Sein letzter Streich soll die Fusion von Hapag-Lloyd mit der Containersparte der chilenischen Reederei CSAV sein. Ob das noch vor Ende Juni gelingt, ist derzeit offen.

Sollten Hapag-Lloyd und CSAV tatsächlich zusammengehen, werden bei der neuen Reederei zwei Selfmade-Milliardäre den Ton angeben, der Logistikmogul Klaus-Michael Kühne, der als gebürtiger Hamburger der Stadt mit vielen Projekten zwar eng verbunden ist, der aber vom Schweizer Schindellegi aus regiert, und der chilenische Unternehmer Andrónico Luksic, Herrscher über eines der größten Konglomerate Südamerikas. Ausführender Manager wird dann Habben-Jansen sein, der erste Ausländer an der Spitze von Hapag-Lloyd, einer, der keine sentimentale Bindung an die Hansestadt und an die Geschichte der Reederei besitzt. „Mein Feld ist die Welt“ lautete zu Beginn des 20. Jahrhunderts das berühmte Motto des legendären Hapag-Chefs Albert Ballin. Es manifestiert sich beim Nachfolgeunternehmen Hapag-Lloyd bis heute darin, dass der Nabel des eigenen weltweiten Geschäfts die Zentrale am Ballindamm ist. Diese Zeit geht nun zu Ende, obwohl der Sitz der Reederei auch nach einer Fusion dort bleiben soll. Aber die bestimmende Achse läuft dann zwischen Schindellegi und Valparaiso weit im Süden von Chile.

Spannend bleibt die Frage, welche Rolle die Stadt Hamburg künftig in dieser Konstellation spielen wird. Die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Wahrung der maritimen Stärke vor allem durch das hohe Ladungsaufkommen, das Hapag-Lloyd und die Allianz G6 nach Hamburg bringen, rechtfertigen aus Sicht des Senats das Engagement bei der Reederei. Derzeit ist die Stadt dort der größte Aktionär. Nach der anstehenden und vermutlich sehr weit reichenden Neuordnung des Eigentümerkreises wird Hamburg wohl noch immer den zweitgrößten Anteil halten. Zumindest mit Blick auf die ausbleibenden Dividenden und auf den mehrfachen Kapitalbedarf hat sich das aus Sicht der Opposition in der Bürgerschaft bislang nicht gelohnt.

Dennoch muss Hamburg darauf hoffen, dass all die jetzt geplanten und komplizierten Veränderungen funktionieren und ineinandergreifen. Schon bald bilden die drei führenden Linienreedereien Mærsk, MSC und CMA CGM voraussichtlich die Allianz P3, das stärkste Bündnis in der modernen Containerschifffahrt. Allein kann Hapag-Lloyd dagegen nicht ankommen. Nach den wiederholt gescheiterten Fusionsversuchen mit der Reederei Hamburg Süd ist CSAV deshalb die beste denkbare Option.