Vom Kreuzfahrtboom profitiert nicht nur der Tourismus, sondern etliche weitere Branchen in Hamburg. Auch Geschäftsreisen nehmen dadurch zu

Hamburg. Das Aussehen des Hamburger Hafens hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. In das Schwarz der Rumpf-Anstriche der Containerschiffe, Massengutfrachter und Tankerkolosse, haben sich zunehmend weiße und bunte Farbtupfer gemischt: Kreuzfahrtschiffe. Schwimmende Glaspaläste, die ein ganz anderes Bild von der Seefahrt vermitteln: Entspannung, Luxus, Verwöhnen an Bord. Hinter der Leichtigkeit einer Urlaubsseereise steckt aber ein knallhartes Geschäft, an dem Hamburg zunehmend profitiert. Die Wertschöpfung, die sich aus der Kreuzschifffahrt für die Hansestadt ergibt, steigt deutlich an. Laut einer neuen Studie der Handelskammer, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt, wird Hamburg in diesem Jahr rund 270,6 Millionen Euro durch das Kreuzfahrtgeschäft erwirtschaften. „Die Bedeutung der Kreuzfahrt nimmt stark zu, wie die neuesten Zahlen zur Wertschöpfung zeigen“, sagt Stephan Behn, Vorstandsmitglied der HHLA und Vorstandsvorsitzender des Vereins Hamburg Cruise Center.

Diese Zahlen sind ziemlich genau. Zur Ermittlung der Wertschöpfung wurden nicht nur die Ergebnisse der direkt von den Schiffsanläufen betroffenen Produktionen und Dienstleistungen ermittelt, sondern auch die Umsätze der indirekt beteiligten Unternehmen, wie Gastronomen oder Zulieferer, die von der wachsenden Zahl der Touristen profitieren. Ferner wurde in einem dritten Schritt berücksichtigt, dass diese Unternehmen selber wiederum Teil der Wertschöpfungskette sind, weil ihre Mitarbeiter in der Stadt leben und einkaufen. Zur Berechnung der Wertschöpfung wurden nicht nur die Umsätze ermittelt, sondern Vorleistungen und eingekaufte Rohstoffe abgezogen.

Die Wertschöpfung beginnt beim Einlaufen eines Schiffes. Insgesamt 177 Mal machen Kreuzfahrtschiffe in diesem Jahr in Hamburg fest. Die Hafengebühren betragen im Schnitt 11.500 Euro. Hinzu kommen Lotskosten. Die Gebühren der Hafenlotsen belaufen sich im Schnitt auf 2419 Euro, die der Elblotsen auf 13.843 Euro pro Schiff. Nicht zu vergessen – wenn auch gering – sind die Kosten für die Festmacher von durchschnittlich 1500 Euro. An den beiden Terminals in der HafenCity und in Altona fallen Ausgaben für die Abfertigung der Passagiere und des Gepäcks an sowie für die Abwasserentsorgung und Frischwasseraufnahme. Diese Abfertigungskosten belaufen sich auf durchschnittlich 40.000 Euro. Die Kosten für Proviantierung, Reparaturen und den Treibstoff schlagen noch deutlicher zu Buche. Insgesamt ergibt sich eine anlaufbezogene Wertschöpfung von knapp 24,9 Millionen Euro.

200 Hamburger Firmen profitieren vom Geschäft mit der Kreuzfahrtindustrie

Und dann lassen die 500.000 Passagiere sowie mehr als 100.000 Crewmitglieder, die in diesem Jahr nach Hamburg kommen, auch Geld in der Stadt. Dabei muss zwischen denjenigen Gästen unterschieden werden, die als Transit-Passagiere nur ein paar Stunden in der Stadt verweilen, und denjenigen, die hier ihre Kreuzfahrt beginnen oder beenden. Diese sogenannten Turnaround-Gäste hängen gern noch die eine oder andere Übernachtung in der Hansestadt an ihre Reise. Nach einer Studie des englischen Consulting-Unternehmens G. P. Wild gibt ein solcher Gast im Durchschnitt 75,12 Euro in Hamburg aus, ein Transit-Gast 27,46 Euro. Crewmitglieder sind sparsamer und geben im Schnitt 25,44 Euro aus. Die Wertschöpfung beläuft sich auf insgesamt knapp 21 Millionen Euro. Experten vermuten, dass diese Berechnung sehr konservativ ist. Da immer mehr Kreuzfahrtpassagiere individual an- und abreisen, gibt es keine zentrale Erfassung der Zwischenübernachtungen in der Hansestadt. Die Zahl könnte also höher liegen.

Hinzu kommen erhebliche touristische Effekte. „Kreuzschifffahrt erzeugt eine hohe emotionale Bindung“, sagt Experte Behn. „Viele Leute kommen auch einfach nur so in den Hafen, um die Schiffe ein- oder auslaufen zu sehen.“ Regelrechte Volksaufläufe gibt es bei Schiffstaufen, den Cruise Days – und wenn die „Queen Mary“ die Elbe hoch kommt – trotz ihrer inzwischen regelmäßigen Besuche. 4000 Fachbesucher aus aller Welt zieht zudem alle zwei Jahre die Kreuzfahrtmesse Seatrade in die Hansestadt. Dazu kommen viele Geschäftsreisende von Unternehmen, die mit der Kreuzfahrtindustrie zu tun haben. Für all diese Besucher ermittelt die Studie eine Wertschöpfung von gut 32,4 Millionen Euro.

Die weitaus größte Wertschöpfung entsteht aber bei den Unternehmen, die mit der Kreuzfahrtbranche Geschäfte machen. Dazu gehören Werften, Schiffsausrüster, Reeder, Großhändler oder Zertifizierer. Aber auch das Baugewerbe verdient, etwa bei Reparaturarbeiten an den Terminals. Insgesamt 200 Unternehmen hat die Handelskammer ausgemacht, die von der Kreuzfahrtindustrie profitieren. Deren Wertschöpfung beläuft sich auf 192,3 Millionen Euro.

Insgesamt ergeben sich ebenjene 270,6 Millionen Euro. Das ist gemessen an der Wertschöpfung, die in Hamburg insgesamt erzielt wird, gering. Laut Statistikamt Nord beläuft sie sich auf 82,5 Milliarden Euro. Gemessen daran, dass Studien zur Wirtschaftlichkeit des Hamburger Hafens der Kreuzfahrtsparte noch vor zehn Jahren keinerlei Entwicklungspotenzial beimaßen, ist die branchenspezifische Wertschöpfung aber erheblich. Damals kamen höchstens zehn Kreuzfahrtschiffe im Jahr nach Hamburg.

„Das Wichtigste hat die Studie aber gar nicht erfasst, nämlich die emotionale Wertschöpfung“, sagt Behn. Dazu gehört der Imagegewinn für Hamburg, wenn die Nachrichtensender schöne Bilder aus dem Hafen in alle deutschen Haushalte senden. „Was die Passagierzahlen und Schiffsanläufe betrifft, werden wir nicht mit Barcelona und Venedig konkurrieren können. Aber emotional und bezüglich der fachlichen Kompetenz sollten wir Cruise-Hauptstadt in Europa werden“, sagt der Chef des Vereins Hamburg Cruise Center. „Die Entwicklung ist rasant.“