Skandal um Pferdefleisch: Brancheninsider erklärt Lieferkette von der Weide bis zum Fertiggericht - und wie leicht betrogen werden kann.

Der Mann kennt sich aus im Fleischhandel. Seit vielen Jahren ist er in der Branche tätig. Er ist kein Gescheiterter, der offene Rechnungen begleichen will. Sondern ein erfolgreicher Unternehmer, der sich schon lange darüber ärgert, dass dem niedrigen Preis in seiner Branche fast alles untergeordnet wird. "Die Sache mit der Rückverfolgbarkeit etwa von Hackfleisch funktioniert meistens nicht, die ist eine Farce", sagt er. Denn in vielen Fällen werde die Ware so oft mit anderer Ware gemischt, dass am Ende niemand mehr sagen könne, wo dieses Kilo Hackfleisch wirklich herkommt. Angesichts des Pferdefleischskandals legt er die unappetitliche Lieferkette von Billig-Rindfleisch exemplarisch offen. Seinen Namen will er nicht nennen - das wäre schlecht für sein Geschäft.

Der Weg der späteren Burger- oder Lasagne-Füllung auf den Teller des Verbrauchers beginnt ganz idyllisch auf irgendeinem Bauernhof in irgendeinem Land der EU. "Wenn es kein riesiger Betrieb ist, wird der Landwirt vielleicht 20 oder 30 Rinder zur Schlachtung geben. Das reicht aber nicht hinten und nicht vorne, um einen Großbesteller zu bedienen. Also bestellt der Aufkäufer bei zehn oder mehr Betrieben jeweils weitere 20 oder 30 Tiere. Und schon haben wir bei der Schlachtung zahllose unterschiedliche Züchtungen, Fütterungen oder Blutlinien zusammen. Ein buntes Gemisch", sagt der Experte.

Nach der Schlachtung ist der Zerlegebetrieb die dritte Station in der Vermarktungskette: Hier werden die Rinder halbiert und danach in noch kleinere Teile zerlegt. "Für den Export reicht die Menge aber in der Regel noch nicht, wenn ein Kunde zum Beispiel die zerlegten Teile von 500 oder 1000 Tieren bestellt hat. Je mehr Ware pro Transport verschickt wird, desto niedriger sind die Transportkosten pro Stück. Also sammelt der Zerlegebetrieb weitere Lieferungen, bis er die Teile von 1000 Rindern zusammen hat." Möglicherweise wird sogar der Ausstoß von drei oder vier Zerlegebetrieben gesammelt, bevor das tiefgefrorene Fleisch in Lkw verladen wird. Es sind die Lieferketten-Schritte fünf und sechs. Schon jetzt sei kaum noch zu sagen, welches Stück von welchem Hof kommt.

Schlimmer noch: "Wenn irgendwer dem Aufkäufer bei einer dieser Stationen das Angebot macht, ein paar Hundert Kilo Fleisch deutlich günstiger anzubieten und auf der Käuferseite jemand beide Augen zudrückt, dann haben Sie ruckzuck Pferdefleisch in Ihrer Lieferung, die immer noch als reines Rindfleisch deklariert ist. Von außen kann man so eine Beimengung nicht erkennen, Pferdefleisch sieht aus wie Rindfleisch. Und riechen kann man den Unterschied auch nicht", sagt der Insider. "Das könnte auch in Deutschland passieren."

Zwar gebe es Schnelltests, mit denen über die Untersuchung der Dichte und des pH-Werts zu ermitteln sei, ob das angebliche Rindfleisch wirklich Rindfleisch ist. "Aber ich kenne nur sehr wenige Steakhouseketten in Deutschland, die diese Tests wirklich anwenden. Sie bringen zwar Sicherheit, aber sie kosten ein wenig Geld. Deshalb wird das nicht gemacht."

Für den vorschriftsmäßigen Transport der Ware fühle sich niemand wirklich verantwortlich, weil das Fleisch dauernd den Besitzer wechsele. "Der Exporteur nimmt einfach die Spedition, die ihm den günstigsten Preis bietet, alles andere interessiert den nicht. Ob da die Kühlkette unterbrochen wird, kümmert keinen." Der Fleischexperte fragt sich: "Warum nehmen die Lebensmittelketten den Transport nicht in ihre Hand? Warum kaufen sie die Ware nicht am Anfang der Kette, sondern am Ende? Das frühe Einsteigen würde die Qualität und die Sicherheit dramatisch heben, weil sich der Händler dann verantwortlich fühlen würde. Jeder T-Shirt-Händler kümmert sich selber um den Transport seiner Ware. Ausgerechnet bei Lebensmitteln passiert das nicht."

Zurück zum Weg des Fleisches: Kommt es in Deutschland an, ist der Importeur mindestens die siebente Hand, durch die es geht. "Und nun wird die bisherige Sammelprozedur rückwärts abgewickelt: Der Importeur nimmt die Lieferung für seine Kunden wieder auseinander." Das sind zumeist erst einmal Großhändler, die kleinere Pakete an Zwischenhändler weiterverkaufen. Damit wird die Zahl der Stationen der Ware schnell zweistellig.

Und erst dann erreicht das Fleisch - nach Ansicht des Experten längst "ein Verschnitt, ein anonymes Produkt" - den Endverbraucher. Zu Hack verarbeitet wird es erst kurz zuvor, denn gehacktes Fleisch darf nur noch einmal eingefroren werden.

Soll das Hack jedoch zum Bestandteil einer Lasagne oder eines Burgers werden, setzt sich der Weg noch fort: Dann geht es in einen Weiterverarbeitungsbetrieb, der es mit anderen Zutaten, die ähnliche Europareisen hinter sich haben können, eben Lasagne, Pizza oder Burger macht.

Durch zehn, vielleicht durch zwölf Hände ist das Fleisch gegangen. "Jede dieser Hände will etwas daran verdienen, überall wird gespart und der Preis gedrückt. Das muss auf Kosten der Qualität und Transparenz gehen. Und je mehr Stationen es gibt, desto größer wird die Gefahr, dass sich jemand nicht an die Vorschriften hält und betrügt."

Die Supermarkt- oder Discountunternehmen am Ende der Lieferkette könnten gar nicht sagen, woher die Fleischanteile in den Fertigprodukten kommen, selbst wenn sie den Eindruck erweckten. "Sie berufen sich auf die Bestätigungen ihrer Lieferanten, die aber nicht wirklich nachzuvollziehen sind. Das reicht den meisten Handelsketten völlig aus." Würden sie früher in die Lieferkette einsteigen, könnten sie sogar noch Geld sparen: "Weil dann weniger Beteiligte die Hand aufhalten könnten."

Nach Ansicht des Experten forcieren manche Endverkäufer den Druck auf die Qualität sogar: "Wenn die Handelsketten Zahlungsziele von 70 oder 80 Tagen durchgedrückt haben, die Lieferanten ihr Geld also frühestens zwei Monate nach der Übergabe erhalten - glauben Sie dann, dass sie diesen Ketten ihre allerbeste Ware schicken?"

Viele Verbraucher ahnten, dass mit ihren Lebensmitteln so arglos umgegangen wird, ist der Branchenkenner überzeugt. "Aber die meisten Leute wollen einfach belogen werden. Die Wahrheit will doch keiner hören."

Und wie geht der kritische Experte selbst mit den Machenschaften in seiner Branche um? "In unserem Unternehmen versuchen wir, die Zahl der Zwischenschritte auf dem Weg vom produzierenden Betrieb zu uns so weit wie möglich zu reduzieren. Im Idealfall kaufen wir über langfristige Kontrakte direkt vom Bauern. Dann haben wir die gesamte Lieferkette in unseren Händen. Und das bringt die Sicherheit, dass uns niemand abzockt oder etwas untermischt, was wir nicht haben wollen."