In die Eimsbüttler Ross-Schlachterei Poggensee kommen die Kunden von weit her, um Braten und Wurst zu kaufen. Ein Ortstermin

Eimsbüttel. Der neue Lebensmittelskandal hat auch das kleine Metzgergeschäft in Eimsbüttel erreicht. Zumindest die Schlagzeilen darüber: "Pferdefleisch in unserem Essen", titelt die "Bild"-Zeitung. Im Zeitungsständer auf dem Bürgersteig vor der Ross-Schlachterei Poggensee liest sich das wie eine Einladung. Vor vielen Jahren schon haben sich Uwe und Anja Poggensee auf Pferdefleisch spezialisiert. Im Laden an der Müggenkampstraße liegt es aus, wie in anderen Fleischgeschäften auch: Gulasch, Filet, Jagdwurst, Kochwurst, Hüftsteak. Nur eben vom Pferd.

"Das ist sauberes, gutes Fleisch mit sehr wenig Fettanteil", sagt Anja Poggensee, 48. Eine heiße Bockwurst mit Senf gibt es bei ihr für 1,20 Euro, würzig und kräftig ist der Geschmack. Die Aufregung um Pferdefleisch, das als Rindfleisch deklariert in Fertig-Lasagne steckt, wird hier nicht so recht verstanden. Das Geschäft laufe wie immer, sagt Anja Poggensee. Vielleicht seien es sogar mehr Kunden, weil viele neugierig geworden sind und gar nicht wussten, dass man Pferdefleisch kaufen kann, vermutet sie.

Ein Taxifahrer kommt herein, bestellt eine Bockwurst. "Ist für mich bekömmlicher", sagt er. Neue Kunden kommen, viele kennt Anja Poggensee mit Namen. "Guten Tag Frau Schiller, hallo Herr Becker." Die Beckers sind sogar aus dem schleswig-holsteinischen Schönberg angereist, um in Eimsbüttel Pferdefleisch zu kaufen - es gibt so wenige Läden dafür. Kräftig sei das Fleisch im Geschmack und gut, sagen sie. Warum so viele Leute zwar Kälbchen essen, aber keine Pferde - das wüssten sie auch nicht. Die anderen Kunden nicken.

Vielleicht, weil manche eben so enge Beziehungen zum Pferd haben, sagt Anja Poggensee. Doch sie kenne auch Reiter, die Pferdefleisch essen - obwohl, wie bei den Poggensees, die Schlachttiere vor allem von Reiterhöfen stammen. Meist würden Pferde geschlachtet, die unheilbar verletzt sind, sagt sie. Rund 15.000 der Tiere werden deutschlandweit pro Jahr zu Nahrung für den Menschen verarbeitet, etwa 4000 Tonnen Pferdefleisch gegessen. Aber 7,2 Millionen Tonnen Rind, Schwein oder Geflügel.

Die Abneigung gegen Pferdefleisch steckt offenbar in vielen. Zwar wurden in der Vorzeit Pferde gejagt, den Germanen galt ihr Fleisch sogar als beste Nahrung. Aber im Christentum wurde der Verzehr als heidnischer Brauch geächtet. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Pferdeschlachtung in Europa wieder erlaubt. Bis 1993 aber mussten Verkauf und Schlachtung streng von anderer Fleischproduktion getrennt sein.

Als Anja Poggensee und ihr Mann vor 25 Jahren das Geschäft übernahmen, sei ihr der Gedanke, Pferdefleisch zu essen, auch noch gewöhnungsbedürftig vorgekommen, sagt sie. Doch jetzt esse sie es am liebsten. Dann packt sie für die Beckers aus Schönberg einen großen Beutel mit Würsten und Braten. "Darf's noch mehr sein?"