Vorstandschef Hans-Otto Schrader sucht leistungsstarken Partner im Einzelhandel. Noch führt die Branche im Netz ein Schattendasein.

Hamburg. Es liegt fast genau sieben Jahre zurück, als das Versandhaus Otto seinen ersten Onlinesupermarkt mangels Nachfrage wieder schließen musste. "Der Markt für Lebensmittel per Internet ist noch nicht reif", hieß es in der damaligen Mitteilung des Hamburger Konzerns. Sein knapp dreijähriges Pilotprojekt, im Großraum Hamburg auch frische Lebensmittel auf Onlinebestellung auszuliefern, rechnete sich nicht. Angesichts des ruinösen Preiswettbewerbs im Lebensmitteleinzelhandel sei "auf absehbare Zeit kein betriebswirtschaftlich sinnvolles Absatzvolumen zu erreichen". Für 30 Mitarbeiter mussten im Juli 2003 neue Jobs gefunden werden.

In der Zwischenzeit hat sich im Onlinemarkt viel bewegt. Immer mehr Menschen tummeln sich im Netz, ziehen Onlinebestellungen Warteschlangen an Ladenkassen vor. Grund genug für den Vorstandsvorsitzenden Hans-Otto Schrader, einen zweiten Anlauf für den Verkauf von Lebensmitteln im Internet ins Auge zu fassen. Der Konzern Otto denkt über einen Wiedereinstieg in das Geschäft nach, bestätigte eine Otto-Sprecherin einen Bericht der "Lebensmittelzeitung". Es gebe aber "noch keinen konkreten Zeitplan".

Das Projekt befindet sich noch in einer sehr frühen Planungsphase. Der Otto-Chef möchte das Vorhaben zudem nicht alleine stemmen, sondern suche zunächst nach "einem leistungsstarken, national aufgestellten Partner aus dem Lebensmitteleinzelhandel". Zwar ist Otto nach Amazon der weltweit zweitgrößte Onlinehändler, doch im Bereich Lebensmittel fehlt es dem Unternehmen sowohl an Sortimentskompetenz sowie an Einkaufsmacht. "Wenn wir einen geeigneten Partner finden, würden wir uns erneut mit dem Thema beschäftigen", so Schrader.

Der erste Versuch, der noch unter dem heutigen Aufsichtsratschef Michael Otto an den Start ging, kränkelte unter anderem an der Logistik, so Schrader: "Voraussetzung für den Erfolg ist eine dezentrale Lagerlogistik." Das damals eigens gebaute Kommissionierungszentrum in Wandsbek habe sich als Irrweg erwiesen. "Statt zwischen Berchtesgaden und Flensburg auch den letzten Winkel der Republik zu bedienen, würden wir uns heute auf die Metropolregionen konzentrieren." Über seine Logistiktochter Hermes verfügt der Konzern zudem über ein gut ausgebautes Paketverteilnetz.

Der Einstieg ins Lebensmittelgeschäft wäre für die Strategie von Schrader schlüssig. Der Otto-Konzernchef sieht im Internet die große Wachstumschance für die Zukunft. Schon bald würden 15 bis 20 Prozent aller Einkäufe per Versand erledigt. Heute liegt der Anteil der Internetkäufe bei sieben Prozent, der Umsatz in Deutschland bei rund 15,5 Milliarden Euro. Insbesondere das neue iPad von Apple werde den "mobilen Einkauf revolutionieren", verkündete Schrader vor Kurzem begeistert. Dort ließen sich die elektronischen Kataloge bequem blättern und alle Waren sofort bestellen. Warum also nur Kleider, Möbel oder Elektronik und nicht auch Lebensmittel?

In Deutschland führt der Verkauf von Lebensmitteln im Internet noch ein Schattendasein. Nach Branchenangaben setzen Supermärkte online nur 120 Millionen Euro um. Dies ist weniger als ein Prozent des Einzelhandelsumsatzes. Da sind die europäischen Nachbarn weiter. In der Schweiz boomt das virtuelle Lebensmittelgeschäft, der britische Marktführer Tesco setzt in Großbritannien Milliarden Pfund um und ist für den Otto-Chef ein Vorbild: "Tesco macht ein großartiges Geschäft. Mit dem richtigen Konzept geht das auch in Deutschland", ist Schrader sicher.

Dennoch sind Experten skeptisch, ob der Onlinesupermarkt ein Erfolg wird. Einerseits ist die Dichte der Märkte hoch. Zugleich sind die Verbraucher durch die Preisschlachten der Discounter kostenbewusst. Sollten auf Onlinebestellungen Liefergebühren erhoben werden, dürfte mancher Käufer am Ende doch den traditionellen Fußweg zum Supermarkt bevorzugen.