Hamburg profitiert besonders. Angesichts immer neuer Verkaufswege über das Internet kann die Wirtschaftskrise der Branche nichts anhaben.

Hamburg. Per Handy schnell ein neues Buch bestellen oder auf einem Tablet-Computer den Online-Katalog durchblättern: Angesichts immer neuer Bestellwege über das mobile Internet erwarten die deutschen Versandhändler einen anhaltenden Boom in der Branche. "Neue Technologien machen das Einkaufen im Netz attraktiver, schneller und überall verfügbar", sagte der Präsident des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels (BVH), Thomas Lipke gestern in Hamburg . Im laufenden Jahr rechne die Branche mit einem Umsatz von 29,9 Milliarden Euro, das wäre ein Plus von 2,7 Prozent. Der Online-Handel soll um satte 15 Prozent auf 17,8 Milliarden Euro zulegen und wird deutlich mehr als die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes ausmachen.

"Die Prognose zeigt eindrücklich, dass sich weder die Finanzkrise noch die Insolvenz von Quelle negativ auf den Versandhandel insgesamt ausgewirkt haben", so Lipke. Die zuletzt rund zwei Milliarden Euro des pleitegegangenen Versenders verteilten sich vielmehr "geräuschlos" auf die anderen Wettbewerber. Dabei dürfte Hamburg als Versandhandelshochburg in besonderer Weise von dem Wachstumsschub profitieren. "Nirgendwo sonst in Deutschland ist die Bedeutung der Branche so groß", sagte Lipke, der auch Gesellschafter des Outdoor-Spezialisten Globetrotter aus der Hansestadt ist. Neben dem Branchenriesen Otto haben hier auch traditionelle Händler mit einem starken Online-Standbein wie Tchibo oder die Schuhhandelskette Görtz ihren Sitz.

Starke Impulse für das Internet-Geschäft erwartet sich die Branche von den Smartphones, jenen intelligenten Handys, mit denen der direkte Zugriff auf Angebote von Amazon oder Ebay möglich ist. Zudem sollen neue Technologien wie etwa Googles Goggles das Einkaufen im Netz noch attraktiver machen. Goggles ist in der Lage, ein per Handykamera aufgenommenes Produkt zu identifizieren und Vergleichsangebote aus dem Internet einzuholen. Andere Smartphone-Programme scannen den Strichcode von Waren und schicken dann ebenfalls günstigere Angebote direkt auf die Mobiltelefone.

Neuartige Tablet-Computer wie Apples iPad könnten künftig sogar in der Lage sein, ein ähnlich komfortables Leseerlebnis wie die traditionellen Kataloge zu bieten. Bis es so weit ist, bleiben die gedruckten Wälzer für die meisten Versandhändler aber unverzichtbar. "Papier hat einen Charme, den die Darstellung auf dem Computer noch nicht erreicht", sagt Verbandspräsident Lipke. Aus zahlreichen Kundenbefragungen wisse man, dass die Kataloge nach wie vor den entscheidenden Impuls zum Kauf eines Artikels lieferten.

Unabhängig von Katalog oder Internet geben Versandkunden das mit Abstand meiste Geld derzeit für Bekleidung, Textilien und Schuhe aus. Bücher, CDs und DVDs folgen mit deutlichem Abstand, kurz dahinter liegt Unterhaltungselektronik, die in diesem Jahr besonders vom Boom bei Fernsehgeräten durch die Fußball-Weltmeisterschaft profitieren dürfte.

Gute Chancen räumt der Bundesverband auch dem Versand von Lebensmitteln ein, der vor wenigen Tagen einen neuen Schub durch den Einstieg des Online-Riesen Amazon in dieses Geschäft erhielt. "Im Vergleich zu den ersten Versuchen vor zehn Jahren hat sich die Logistik heute deutlich verbessert", sagt BVH-Hauptgeschäftsführer Christoph Wenk-Fischer. "Das macht es auch möglich, frische Ware wie Obst oder Gemüse direkt an den Verbraucher zu schicken."

Im vergangenen Jahr wurden mit dem Versand von Lebensmitteln gerade einmal 300 Millionen Euro in Deutschland erwirtschaftet. Vor allem Delikatessen, Wein und Schokolade orderten die Bundesbürger. Wie groß die Luft nach oben noch ist, zeigt ein Vergleich mit Großbritannien. Dort erzielte allein die Supermarktkette Tesco in 2009 einen Online-Umsatz von zwei Milliarden Euro.

Für die gesamte Handelsbranche bedeutet der Erfolg der Online- und Versandhändler allerdings, dass mehr oder weniger das komplette Wachstum auf dieses Segment entfällt. Der stationäre Einzelhandel stagniert. Der Anteil des Versandhandels am gesamten Einzelhandel steigt Jahr für Jahr um 0,2 Prozentpunkte und erreicht in diesem Jahr voraussichtlich 7,6 Prozent.