Der Kauf von Volvo war erst der Anfang. Peking fördert die eigenen Autohersteller auch in der Krise - und setzt auf Elektrofahrzeuge.

Hamburg. In China sind beim Kunden Fahrzeuge beliebt, die wirklich so aussehen wie Autos, etwa so wie auf einer Kinderzeichnung. Kein abgeflachtes Hinterteil wie beim Stufenheckklassiker Golf, keine Flunder wie beim Roadster, stattdessen die klassische Limousine. Oft werden diese Wagen bei bayerischen oder schwäbischen Herstellern in der Langversion bestellt, denn der Chinese, der sich ein Auto leisten kann, gönnt sich meistens auch noch einen Fahrer und nimmt im Fond Platz.

Auch der Volvo passt in dieses Autoraster der Käufer im Reich der Mitte. Allerdings dürfte dies nicht der einzige Grund dafür sein, dass die Chinesen jetzt bei der skandinavischen Traditionsmarke zugeschlagen haben. Mit der Übernahme der Ford-Tochter für umgerechnet 1,34 Milliarden Euro durch den Hersteller Geely hat die chinesische Autoindustrie das geschafft, was die ehrgeizigen und markenbewussten Asiaten schon länger planten: den Vorstoß in den Luxussektor.

Bereits im Februar hatte sich der chinesische Autokonzern BAIC (Beijing Automotive Industry Corp.) die Rechte an der Motor- und Getriebetechnik von Volvo-Konkurrent Saab gesichert. Und die Übernahme der Luxusgeländewagenmarke Hummer von GM durch einen China-Konzern scheiterte nur knapp. Für die Chinesen bietet Volvo aber auch die enorme Chance, sich mit einer im Westen wettbewerbsfähigen Marke vertraut zu machen. Dieser Erfolg blieb den großen Autobauern aus China schließlich bisher verwehrt. In Europa floppten ihre Modelle wie Landwind, Brilliance oder Great Wall. Sie trafen mit ihrer dürftigen Verarbeitung und dem Plastikambiente im Innenraum nicht den Geschmack der Kunden, hinzu kamen katastrophale Crashtestwerte.

Brilliance, die sogar zweimal bei bekannten Tests durchfielen, hinterließen verbrannte Erde für seriöse chinesische Hersteller, die zum Teil schon seit etlichen Jahren versuchten, im Westen Fuß zu fassen.

Die Eroberungsversuche fremder Märkte aus China gewinnen derzeit noch einmal an Kraft. Denn mitten in der Autokrise profitiert das Land von seinem kommunistischen Erbe: Während sich in Europa die Banken scheuen, den Autoherstellern für die teure Entwicklung neuer Modelle Geld zu leihen, sind die chinesischen Autobauer meist noch Staatsbetriebe und damit Teil der Strategie der Volksrepublik, bei Hochtechnologien weltweit führend zu werden. Entsprechend viel Geld fließt auch in die Schlüsselindustrie Autobau.

Die Investitionen zeigen Wirkung, das verdeutlicht ein Blick auf die Straßen Pekings oder Shanghais: Jahrzehnte beherrschten ausländische Konzerne wie Volkswagen, GM oder Toyota das Bild. Aber inzwischen hat der chinesische Markt mit 13,6 Millionen verkauften Fahrzeugen nicht nur die USA überholt: Mittlerweile sind die Hälfte der Neuwagen chinesische Marken, nur noch 18 Prozent der Pkw sind deutscher Herkunft.

Ein Blick in die Geschichte zeigt: Um auf den Weltmärkten anzugreifen, müssen Autobauer ihre Heimatmärkte beherrschen. Dort können sie die Kraft schöpfen, um außerhalb der Landesgrenzen anzutreten. So machte es Toyota mit seinen anfangs belächelten Reisschüsseln, so machte es VW.

Weil die Chinesen erkannt haben, dass sie in ihren Megametropolen nicht länger die Luft verpesten können, engagieren sie sich zudem stark bei alternativen Antrieben. "China wird in ein paar Jahren der Mustermarkt für Hybride und Elektroautos", sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dem Abendblatt. Der Hersteller BYD (Build your Dreams) führt dabei in China das Rennen an. Schon im laufenden Jahr will der Hersteller auch in Europa mit dem Verkauf eigener Autos beginnen. Wie bei anderen chinesischen Anbietern laufen Gespräche mit großen europäischen Autohändlergruppen, schließlich wird ein professionelles Vertriebsnetz über Erfolg oder Misserfolg einer Markteinführung entscheiden.

Dabei müssen sich die etablierten Konzerne wie Daimler oder VW, denen lange das Image anhaftete, zu wenig für die Umwelt zu tun, warm anziehen: Die europäischen Hersteller rechnen derzeit mit Kosten von 750 bis 850 Euro für Lithium-Ionen-Batterien, das Herzstück eines Elektroautos. Chinesische Unternehmen haben jetzt aber angedeutet, in Zukunft Lithium-Ionen-Batterien für nur 250 Euro pro Kilowattstunde fertigen zu können.

Ein spezielles Ärgernis ist das Volvo-Geschäft für deutsche Premiumanbieter: Die Chinesen verderben mit einem Schlag die Früchte jahrelangen Klinkenputzens und Hunderter Geschäftsessen zur Beziehungspflege. Schließlich wird Volvo die erste Premiummarke in chinesischer Hand und damit wahrscheinlich bald erste Wahl für Tausende Regierungsfahrzeuge in dem riesigen Land. Besonders Audi wird zu leiden haben, denn China ist für die Ingolstädter inzwischen der zweitgrößte Absatzmarkt nach Deutschland.