Auch IG-Metall-Chef Huber in der Schusslinie. Absatz des Stuttgarter Sportwagenbauers bricht um 28 Prozent ein.

Hamburg. Lange war Porsche-Chef Wendelin Wiedeking der ungekrönte König unter den deutschen Autobauern: Die PS-starken Wagen aus Stuttgart verkauften sich in Zeiten des weltweiten wirtschaftlichen Aufschwungs bestens, unter der Führung des Mannes mit dem Schnauzbart wandelte sich das Unternehmen vom Sanierungsfall zum profitabelsten Hersteller der Branche.

Doch nun holt die Wirtschaftskrise den erfolgsverwöhnten Manager gleichsam mit der Macht eines beschleunigenden 911ers ein. In den ersten neun Monaten des aktuellen Geschäftsjahres brach der Porsche-Absatz nach aktuellen Zahlen vom Freitag um 28 Prozent ein - damit litten die Zuffenhausener überdurchschnittlich stark unter dem Marktabschwung. Der operative Gewinn sank in nicht beziffertem Ausmaß, unter dem Strich erhöhte sich das Ergebnis aber wegen hoher Gewinne aus Aktienoptionsgeschäften im Zusammenhang mit der mehrheitlichen Übernahme des Volkswagen-Konzerns.

Dabei ist es gerade das Ringen um die Kontrolle über VW, das Wiedeking viel stärker in Bedrängnis bringt als der Absatzrückgang. Um die Beteiligung an den Wolfsburgern auf die jetzt erreichten 51 Prozent und dann weiter auf 75 Prozent aufzustocken, haben Wiedeking und sein Finanzchef Holger Härter neun Milliarden Euro Schulden angehäuft. Sie bringen den Sportwagenbauer nun in Finanznot. Eine Kapitalspritze des Emirs von Katar soll die Firma retten. Derzeit wird über eine Beteiligung von 25 Prozent verhandelt. Sogar um Staatshilfe musste Porsche bitten; bei der KfW beantragte man einen Kredit von 1,75 Milliarden Euro.

Die neue, ungewohnte Rolle hat Wiedeking offenbar dünnhäutig gemacht. Nachdem IG-Metall-Chef Berthold Huber, der im Porsche-Aufsichtsrat sitzt, den Ruf nach dem staatlichen Kredit kritisiert hatte, drohte Wiedeking in einem Brief, Huber solle gegebenenfalls persönlich für daraus entstehende Schäden haften. Dies sorgte bei der Gewerkschaft für Empörung. "Berthold Huber hat inzwischen seinerseits einen Brief an Wiedeking geschrieben, in dem er die unhaltbaren Vorwürfe und den Tonfall Wiedekings zurückweist", sagte ein IG-Metall-Sprecher am Freitag dem Abendblatt.

Einen ähnlichen Brief des Porsche-Chefs erhielt Ferdinand Piëch, der mächtige Volkswagen-Aufsichtsratsvorsitzende und Porsche-Aktionär. In dem Schreiben wirft ihm Wiedeking nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" vor, dem Stuttgarter Unternehmen mit öffentlichen Attacken möglicherweise schwer geschadet zu haben. Dafür müsse Piëch notfalls persönlich haften.

"Aktionen wie diese zeugen nicht unbedingt von Souveränität", meint dazu Haspa-Chefanalyst Bernd Schimmer. Für Wiedeking rächt sich womöglich bald, dass er sich inzwischen in Wort und Tat mit praktisch allen angelegt hat, die über sein weiteres Schicksal mitzureden haben - zum Beispiel die Gewerkschaft. Ganz abgesehen von dem Brief an Huber hat Wiedeking nie einen Zweifel daran gelassen, dass er die Machtposition der IG Metall bei VW brechen will.

Doch längst geht es für Porsche nicht mehr darum, die vollständige Kontrolle über den Autoriesen und dessen Barmittel von fast elf Milliarden Euro zu erlangen. Vor dem Hintergrund der neuen Kräfteverhältnisse peilt man nun einen integrierten Konzern an, in dem jede Marke ihre Eigenständigkeit behält. Damit kommt es für Wiedeking darauf an, welche Rolle er in dem neuen Konstrukt spielen wird - und dabei zählt nicht zuletzt das Wort von Piëch, der stets auf ein gutes Verhältnis zur Gewerkschaft geachtet hat.

Piëchs Position in dem Machtkampf ist nicht leicht einzuschätzen. Zwar ist er Porsche-Anteilseigner, im Herzen aber ist er seit vielen Jahren ein VW-Mann. Wie kaum ein anderer hat er das Unternehmen geprägt. Auch nach Ablauf seiner Amtszeit als Vorstandschef im Jahr 2002 schwand sein Einfluss auf den Kurs des Konzerns kaum. Am Rande der Vorstellung des neuen VW Polo auf Sardinien vor wenigen Wochen deutete Piëch an, welche Zukunft er für Wiedeking sieht: Dieser könne in dem neuen Konzern wohl höchstens Porsche-Markenchef werden. "Der müsste sehr viele Stufen runtersteigen", so Piëch, "das Rollenspiel müsste wechseln, vom Durchmarschierer zur Demut." Zudem ließ der VW-Patriarch durchblicken, dass die Banken nach seiner Ansicht nicht bereit sind, bei Porsche weiter Geld zuzuschießen - eine Bemerkung, die Wiedeking zu dem Brief an Piëch veranlasste.

Dabei gehören auch die Banker zum Kreis derer, die Wiedeking düpierte. Im Januar 2008 sagte er mit Blick auf die rapide im Wert verfallenen Kreditpapiere, er als "Industrieunternehmer" könne sich nicht vorstellen, "dass sich Banken auf eine solche Ramschware haben einlassen können".

Aber auch ein paar andere der lockeren Sprüche, für die Wiedeking immer gut war, fallen nun auf ihn zurück. So ließ er sich inmitten der Klimaschutzdiskussion zu dem Satz hinreißen: "Allein das Herumzuckeln mit putzigen Kleinwagen aus Italien und Frankreich soll uns vor dem drohenden Untergang retten" - gerade solche Autos aber erweisen sich gegenüber der aktuellen Krise nun als vergleichsweise immun. Die Bemerkung, die Wiedeking noch von seinem Thron als Autokönig herab machte, wirkt heute eher wie der Spruch eines Hofnarren der Branche.

Wenn es aber einen Satz geben sollte, den er wirklich bereut, dann ist es wohl dieser: "Stütze und Luxus passen nicht zusammen." Nun ruft ausgerechnet der mit geschätzten 70 Millionen Euro bestverdienende Manager Deutschlands nach Staatshilfe.