Verfahren gibt es seit zehn Jahren. Bisher gelang 2200 Hamburgern der mühsame Weg aus der Überschuldung. Prozedere dauert bis zu neun Jahre.

Hamburg. Als der Tag des Schuldenerlasses näher rückte, strichen sie jeden Tag am Kalender ab: Die Eheleute Sylvia und Wolfgang Ulinski. "Nach Jahren der Entbehrung, der Verzweiflung und der Ungewissheit konnten wir den Tag kaum erwarten", sagt Sylvia Ulinski. "Und wir haben dafür beide hart gearbeitet, hatten mehrere Jobs." Sie mühten sich für ihre Gläubiger, denn über sechs Jahre floss jeder Euro, der über dem pfändbaren Einkommen lag, an die Gläubiger.

Erst dann gibt es die ersehnte Restschuldbefreiung und drei weitere Jahre vergehen, bis die letzten Spuren einer Privatinsolvenz auch aus der Schufa getilgt sind. Die Ulinskis gehören zu den ersten Hamburgern, die von dem vor zehn Jahren eingeführten Recht auf Restschuldbefreiung profitieren. Bisher konnten sich in Hamburg erst rund 2200 Schuldner per Gerichtsbeschluss von ihren Altschulden befreien lassen. "Von der ersten Beratung bis zur Restschuldbefreiung können acht bis neun Jahre vergehen", sagt Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg, eine von fünf Schuldnerberatungsstellen in Hamburg.

Die Wartezeit auf eine ausführliche Beratung beträgt sechs Monate, sagt Schuldnerberaterin Hjördis Christiansen. "Die Beratung ist das Nadelöhr", sagt Hörmann. "Ohne weitere finanzielle Mittel ist aber eine Ausweitung nicht möglich." Gegenwärtig sind 16 500 Privatinsolvenzen in Hamburg bei Gericht anhängig. "Wir gehen aber von 250 000 Personen aus, die in Hamburg von der Überschuldung betroffen sind", sagt Hörmann. Durch die Wirtschaftskrise werde sich das Problem in den nächsten Jahren noch verschärfen.

Weder Arbeitslosigkeit noch ein Konsumrausch auf Kredit führte bei den Ulinskis zur Überschuldung. Pfusch an ihrem neugebauten Einfamilienhaus, aus dem sie wegen der vielen Mängel ausziehen mussten, wurde ihnen zum Verhängnis. Nach der Zwangsversteigerung verblieb noch ein Schuldenberg von 350 000 Euro. Mittel, um gegen den Bauträger erfolgreich gerichtlich vorzugehen, hatten sie nicht mehr. "Wir wurden von einem Anwalt schlecht beraten und waren in vielen Dingen viel zu vertrauensselig", sagt Sylvia Ulinski.

Wenn Rechnungen und Kreditraten nicht mehr bezahlt werden können, dauert es oft noch lange, bis der Rat einer Schuldnerberatung gesucht wird. Diese Erfahrung hat Hans-Jürgen Piper gemacht. "Ich habe zu lange geglaubt, die Lage noch selbst in den Griff zu bekommen", sagt er rückblickend. Über ein Jahr verstrich, bis er die Hilfe der Verbraucherzentrale Hamburg suchte. Piper betrieb als persönlich haftender Geschäftsführer eine kleine Spedition. Mit der Expansion des Geschäfts begannen die Probleme, die schließlich zu einem Schuldenberg von rund 25 000 Euro führten. Neue Fahrzeuge wurden auf Kredit gekauft und die Raten konnten dann nicht mehr bezahlt werden. "Hilfe zulassen ist der erste Schritt aus der Schuldenfalle", weiß er heute. Anders als viele Schuldner konnte er seine Gläubiger mit einer Einmalzahlung, die rund 50 Prozent der Schulden ausmachte, abfinden. "Ein solcher Vergleich ist in weniger als zehn Prozent der Fälle möglich", sagt Christiansen. In den meisten Fällen lehnen die Gläubiger eine außergerichtliche Schuldenregulierung ab oder es fehlen generell die Mittel dafür. "Dann kann ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden, an das sich die sechsjährige Wohlverhaltensperiode anschließt, in der pfändbares Einkommen an die Gläubiger abgeführt wird", sagt Christiansen.

Für Betroffene gibt es in dieser Woche bis Freitag bei der Verbraucherzentrale Hamburg von zehn bis 15 Uhr eine telefonische Beratung unter Tel. 24 83 22 80. Das Diakonische Werk Hamburg beantwortet am 18. Juni in der Zeit von neun bis 13 Uhr in der Königstraße 54 Fragen zur Verbraucherinsolvenz.