Ausstellerzahl bleibt trotz Abschwungs konstant. Bundespräsident fordert ökologischen Umbau der Weltwirtschaft.

Bundespräsident Horst Köhler hat gestern Abend die Hannover Messe eröffnet - und wohl kaum jemals zuvor war das wirtschaftliche Umfeld für die weltweit größte Leistungsschau der Industrie ungünstiger. Das deutsche Staatsoberhaupt forderte in seiner Rede einen ökologischen Umbau der Weltwirtschaft. Die Schlüssel für die notwendige nachhaltige Umstellung des Wirtschaftens seien "Innovation und Qualität", so Köhler. Hier müsse Deutschland vorangehen. "Wir wollen uns das Ziel setzen, Zentrum zu werden für die Weltprodukte der neuen Zeit." Deutschland habe innovative Unternehmen und eine hervorragende Forschungslandschaft. Es hapere aber immer noch an einer optimalen Zusammenarbeit.

Trotz der Krise wird die Messe "erstaunlich gut" angenommen, sagte Messesprecherin Brigitte Mahnken-Brandhorst dem Abendblatt: "Alle Hallen sind belegt, wir haben 6150 Aussteller." Damit bewege man sich auf dem Niveau der beiden Vorjahre. Dabei habe die Beteiligung Hamburger Unternehmen - knapp 60 sind auf der Messe vertreten - sogar zugenommen. "Die Hamburger Industrie ist im Bereich Energie stark, und dies ist in diesem Jahr unser Schwerpunktthema", sagte Mahnken-Brandhorst. So feiere die neue Leitmesse Wind mit 156 Ausstellern eine "sehr erfolgreiche Premiere". Hamburg zeigt in Hannover diesmal aber auch mit einem Gemeinschaftsstand zur Wasserstofftechnologie Flagge.

Eines der Unternehmen auf diesem Stand ist die Baxi Innotech aus Hamburg-Rothenburgsort. Der Betrieb mit 45 Beschäftigten entwickelt Brennstoffzellen für die künftige Energieversorgung von Einfamilienhäusern, mehr als 40 dieser Aggregate laufen derzeit im Testbetrieb. "Für uns ist es wichtig, auf der Messe Netzwerke mit Zulieferern, Energieversorgungsunternehmen und mit der Politik zu knüpfen", sagte Geschäftsführer Guido Gummert. Außerdem gehe es darum zu zeigen, dass es trotz der Konjunkturschwäche für Firmen wie Baxi Innotech "in die richtige Richtung geht".

Als Vorbereitung auf den Beginn der Vorserienfertigung im nächsten Jahr baut das Unternehmen die Belegschaft bereits 2009 aus. Zwar erschwere die Finanzkrise den Zugang zu weiterem Kapital für Innovationen. Fördermittel des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für den Brennstoffzellenpraxistest könnten aber helfen, die Krise zu überbrücken. Baxi Innotech ist - neben Hexis und Vaillant - einer der drei Gerätehersteller, die an diesem Test teilnehmen.

Wesentlich ungewisser sehen derzeit allerdings die Perspektiven der großen deutschen Industriebranchen aus. Wiesen vor einem Jahr - bei der letzten Abendblatt-Umfrage - noch fast alle Prognosen für Produktion, Beschäftigung, Exporte und Investitionen in die positive Richtung, hat sich dies nun drastisch umgekehrt. So erwartet der Maschinen- und Anlagenbau bei der diesjährigen Abendblatt-Umfrage für 2009 einen Produktionsrückgang um zehn bis 20 Prozent. "In der Kernbelegschaft werden wir voraussichtlich 25 000 Arbeitsplätze verlieren", sagte Olaf Wortmann, Chefvolkswirt des Branchenverbands VDMA. Doch dabei spielt auch die Hoffnung auf eine baldige Besserung des konjunkturellen Umfelds mit: "Wenn sich die Auftragseingänge in den nächsten Monaten stabilisieren, dann können wir über die Kurzarbeit vermeiden, dass noch mehr Stellen gestrichen werden müssen." Die Autobranche profitiert derzeit zwar von der Abwrackprämie. "Aber der Inlandsmarkt macht nur den kleineren Teil unseres Geschäfts aus, 75 Prozent der Produktion werden im Ausland verkauft", erklärte Andreas Kraus, Sprecher des Verbands der Deutschen Automobilindustrie (VDA).

So nahmen die Pkw-Zulassungszahlen im gesamten Europa im ersten Quartal um 17 Prozent ab und in den USA sogar um acht Prozent.

Die Probleme der Autobranche wirken sich auch auf andere Industriezweige aus. "Die Chemiewirtschaft in Deutschland macht ungefähr zehn Prozent ihres Umsatzes mit den Autoherstellern", sagte Manfred Ritz, Sprecher beim Verband der Chemischen Industrie (VCI). Ein anderer wichtiger Abnehmer sei die Baubranche. "Ob sie sich infolge der staatlichen Konjunkturprogramme erholen kann, bleibt abzuwarten", so Ritz. Insgesamt rechnet der VCI für 2009 mit einem Produktionsrückgang um etwa 3,5 Prozent. "Die Nachfrage bricht in allen Regionen der Welt weg - so etwas kannten wir bisher nicht."

Einbußen bei den Umsätzen und der Beschäftigung prognostiziert auch der ZVEI, der Dachverband der deutschen Elektroindustrie. Mit Blick auf die Schaufensterfunktion der Hannover Messe sieht Verbandssprecher Rainer Bechtold aber auch Anlass für Zuversicht: "Dank innovativer Produkte und Lösungen wollen wir früher als andere Branchen aus der Krise herauskommen."