Die Hamburger Kette geht an den britischen Konkurrenten Vue Entertainment. Der Unternehmenssitz aber bleibt in der Hansestadt.

Hamburg. Risiken sind für Tim Richards nichts Ungewöhnliches. Gut zehn Jahre ist es her, dass der gebürtige Kanadier seine sichere Stelle bei Warner Bros. in Hollywood aufgab und für ein winziges Büro über einem griechischen Restaurant in London eintauschte. Von dort aus baute der gelernte Rechtsanwalt quasi aus dem Nichts mit Vue Entertainment eine der größten Kinoketten Großbritanniens auf. 85 Filmtheater betreibt das Unternehmen mit 3300 Mitarbeitern heute. Der Umsatz liegt bei fast 380 Millionen Euro.

Nun steht Richards kurz davor, auch zu einem der größten Kinobetreiber Deutschlands zu werden. Für 174 Millionen Euro will der Chef von Vue Entertainment den Hamburger Kinobetreiber Cinemaxx übernehmen. Gestern legte er den Aktionären offiziell ein Übernahmeangebot vor. 6,45 Euro pro Aktie werden die Briten zahlen. Für die Anteilseigner ein verlockender Preis: Um mehr als 40 Prozent schnellte das Papier nach der Offerte in die Höhe.

+++ Briten kaufen für 175 Millionen Euro die Cinemaxx AG +++

+++ Britische Kinokette Vue bietet für Cinemaxx +++

Die größte Hürde hat Richards ohnehin bereits genommen. Heimlich traf er sich in den vergangenen Monaten immer wieder mit Cinemaxx-Großaktionär und Filmhändler Herbert Kloiber, um ihm seinen 85-Prozent-Anteil abzunehmen. "Der Verkauf von Cinemaxx ist so gut wie perfekt", sagte Kloiber dem Abendblatt. Er habe bereits einen Vertrag mit Vue Entertainment über die Veräußerung seiner gesamten Anteile geschlossen.

Mit Cinemaxx und den eigenen Kinos will Vue Entertainment nun eine neue, europäische Kinogruppe aufbauen, die nicht nur in Deutschland und Großbritannien, sondern auch in Irland, Dänemark und Portugal aktiv sein wird. "Cinemaxx ist eine perfekte Ergänzung zu unseren bestehenden Multiplexkinos und für unsere Marke", sagte Chef Richards. Der Zukauf solle nur der Anfang einer europaweiten Expansionsstrategie sein. "Wir suchen nach geeigneten Übernahmekandidaten." In drei bis fünf Jahren solle Vue zu den Top drei unter den europäischen Kinoketten gehören. Für weitere Zukäufe sei die Kriegskasse gut gefüllt, erklärte der Chef und Gründer, dessen Kinogruppe heute dem Finanzinvestor Doughty Hanson gehört.

Cinemaxx betreibt derzeit in Deutschland 31 und in Dänemark drei Kinocenter mit rund 75.000 Plätzen. 1800 Mitarbeiter sind bei der Kette beschäftigt. Die neue Gruppe umfasst damit insgesamt fast 120 Kinos mit mehr als 230.000 Sitzplätzen und gut 5100 Beschäftigten.

Veränderungen am Cinemaxx-Sitz in Hamburg, an der Marke oder der Belegschaft sind nach Angaben eines Sprechers von Vue Entertainment nicht geplant. Cinemaxx-Sprecher Arne Schmidt begrüßte die geplante Übernahme durch die Briten. "Wir sind sehr zuversichtlich, mit Vue eine gute Zukunft zu haben", sagte er. Die Hamburger Kette sei gut aufgestellt, daher seien große organisatorische Änderungen nicht erforderlich.

Davon geht auch der bisherige Großaktionär Herbert Kloiber aus. "Ich erwarte nicht, dass es zu Einschnitten bei Cinemaxx kommt", so Kloiber. Eher sei mit der Eröffnung zusätzlicher Kinos und einer weiteren Expansion zu rechnen. "Vue Entertainment ist ein verlässlicher Partner, dem es um die Weiterentwicklung von Cinemaxx geht." Bei der Entscheidung für die Briten dürften auf Kloibers Seite allerdings auch kartellrechtliche Überlegungen eine Rolle gespielt haben. "Vue Entertainment ist ein Platzhirsch in England, in Deutschland bislang aber nicht vertreten. Daher wird die Übernahme von Cinemaxx keine Marktkonzentration in der Bundesrepublik herbeiführen", ist Kloiber überzeugt. Das Kartellamt muss den Deal aber noch absegnen.

Der Filmunternehmer und Chef der Tele-München-Gruppe hatte nach eigenen Worten schon seit geraumer Zeit nach einem Käufer für Cinemaxx Ausschau gehalten. "Ich habe die Kette immer als mein privates Engagement betrachtet, das nicht zum Kerngeschäft der Tele-München-Gruppe gehört", so Kloiber. "Nach acht arbeitsreichen Jahren ist es jetzt einfach an der Zeit, diesen Ausflug ins Kinogeschäft zu beenden." Er sei mittlerweile auch nicht mehr 17, so der 64-Jährige.

Kloiber hatte die Hamburger Kette vom Gründer Hans-Joachim Flebbe in höchster Not übernommen und dadurch quasi vor dem Ruin bewahrt. Das verlustreiche Unternehmen ächzte damals vor allem unter zu hohen Mietzahlungen. Ausdrücklich dankte Kloiber dem jetzigen Vorstandschef Christian Gisy, dem es zusammen mit seinen Mitarbeiter gelungen sei, Cinemaxx wieder zu einem "höchst profitablen und schuldenfreien Unternehmen zu machen". Nach dem "Scherbenhaufen", den Gründer Flebbe hinterlassen habe, sei dies eine große Leistung gewesen. Vor allem durch die lukrativen 3-D-Filme konnte Cinemaxx 2011 eine Gewinnsteigerung von fast zehn Prozent auf 41,2 Millionen Euro verbuchen. Die Besucherzahl ging aber um 7,1 Prozent auf 16,3 Millionen zurück.

Wenn der Verkauf von Cinemaxx abgeschlossen ist, befinden sich alle großen deutschen Kinoketten in ausländischer Hand. Schon 2003 hatte der australische Freizeitkonzern Amalgameted Holdings (AHL) mit seiner Greater Union die Lübecker Gruppe CineStar übernommen - für die Hamburger der schärfste Konkurrent im Inland.