Neu eingerichtete Märkte, Backautomaten und beleuchtete Regale. Angesichts stagnierender Umsätze plant Aldi ein Investitionsprogramm.

Hamburg. Der Aldi-Markt an der Bahrenfelder Straße wirkt nicht gerade einladend. Die gesprenkelten Fliesen auf dem Boden sind notdürftig geflickt, Waschmittel ruhen auf groben Holzpaletten, Kekse, Orangensäfte und Tomaten kommen direkt aus dem Karton. Grau in verschiedenen Schattierungen dominiert das Geschäft.

So wie hier in Ottensen sieht es in vielen Filialen von Aldi Nord aus. Ganz bewusst verzichtete die Billigkette über Jahrzehnte hinweg auf ein hochwertiges Erscheinungsbild, um das eigene Preisimage nicht zu konterkarieren. "Schöne Läden bauen andere, wir bauen zweckmäßig", lautete das Credo in der Essener Konzernzentrale, von der aus die rund 2500 Filialen im Norden der Republik gesteuert werden.

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Doch dies könnte sich nun ändern. Nach Informationen der "Lebensmittelzeitung" plant Aldi Nord derzeit das größte Investitionsprogramm der Unternehmensgeschichte. Europaweit sollen alle Filialen des Discounters modernisiert werden, einen dreistelligen Millionenbetrag will die sonst extrem kostenbewusste Kette dafür springen lassen. "Wir wollen Aldi nicht neu erfinden, aber wir wollen uns zeitgemäßer präsentieren", sagte ein Topmanager der Zeitung.

Heller, freundlicher und aufgeräumter sollen die Märkte werden, beleuchtete Drogeriewarenregale soll es geben oder auch Motivbilder für einzelne Warengruppen. Nach langem Zögern will der Discounter zudem Backautomaten einführen, die in der Branche vor allem dafür geschätzt werden, dass sie mit dem Duft frischer Brötchen zusätzliche Kunden in die Geschäfte locken. Zudem soll das Angebot an Obst und Gemüse erweitert werden, und auch beim Wein will der Discounter neue Akzente setzen. Die Blaupause für den Umbau soll ein Markt im belgischen Gent abgeben - Aldi-interner Codename: New Generation.

Gegenüber dem Abendblatt wollte das verschwiegene Unternehmen die Modernisierungspläne nicht bestätigen, dementierte diese aber auch nicht. Man nehme zu diesem Thema aus "grundsätzlichen Erwägungen" keine Stellung, heißt es in einer schriftlichen Mitteilung des Aldi-Einkaufs, der in Essen auch für die quasi nicht vorhandene Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Vergleicht man die Neuerung mit anderen großen Supermarktketten, dann wirken sie alles andere als spektakulär. Backstationen gibt es seit Längerem schon beim Schwesterunternehmen Aldi Süd, das in der Branche generell als innovationsfreudiger gilt. Andere Discounter wie Penny haben solche Elemente schon vor zehn Jahren eingeführt. Für das Nordimperium kommt die Modernisierung aber fast einer Revolution gleich, galten die Essener doch stets als die konsequentesten Vertreter der reinen Discountlehre.

Branchenbeobachter werten den Wandel als Anzeichen dafür, dass das Geschäft mit billigen Lebensmitteln nicht mehr so gut läuft wie zuvor. "Insgesamt verlieren die Discounter Marktanteile, weil die Verbraucher mittlerweile wieder mehr auf Qualität und weniger auf den Preis achten", sagt Konsumforscher Wolfgang Adlwarth von der Nürnberger Marktforschungsgesellschaft GfK. "Die Preismanie der vergangenen Jahre ist vorbei."

Zudem haben sich die großen Supermarktketten wie Edeka oder Rewe längst auf die Billigkonkurrenz eingestellt und bieten ihrerseits Hunderte von Eigenmarken an, deren Preis sich centgenau an dem Niveau von Aldi orientiert. Hinzu kommen Serviceleistungen wie späte Öffnungszeiten oder Lieferungen frei Haus, mit der sich bei der Kundschaft punkten lässt.

Wie genau es um das Essener Handelsimperium steht, lässt sich schwer abschätzen, da Aldi nur teilweise und stark zeitverzögert Bilanzzahlen veröffentlicht. Nach Einschätzung des Marktforschungsunternehmens Planet Retail dürfte Aldi Nord in diesem Jahr in Deutschland einen Bruttoumsatz von 11,1 Milliarden Euro (inklusiv Mehrwertsteuer) erwirtschaften. Das ist in etwa so viel wie vor zehn Jahren. "Die Erlöse bei Aldi Nord stagnieren, während viele Konkurrenten deutlich zulegen konnten", sagt der Discountexperte von Planet Retail, Matthias Queck.

Zusammen mit dem Schwesterunternehmen Aldi Süd ist die Nordgruppe zwar noch immer der größte Lebensmitteldiscounter Deutschlands. Betrachtet man Aldi Nord aber als Einzelunternehmen, dann sind sowohl Lidl als auch die Edeka-Tochter Netto Marken-Discount an den Essenern vorbeigezogen (siehe Grafik). Vor allem Netto fährt seit der Übernahme des Konkurrenten Plus einen kompromisslosen Expansionskurs. Bis zu 1000 neue Geschäfte hatte der Chef des Mutterkonzerns Edeka, Markus Mosa, im Frühjahr angekündigt. Bereits jetzt hat Netto die Marke von 4000 Filialen überschritten, wobei diese durchschnittlich weitaus weniger Umsatz erwirtschaften als die rund 2500 Filialen von Aldi-Nord.

Netto oder Lidl punkten bei den Kunden unter anderem mit billigen Markenprodukten, die es bei Aldi so gut wie überhaupt nicht gibt. Bis auf einige ausgewählte Waren wie Haribo-Goldbären verkauft Aldi ausschließlich Eigenmarken wie Tandil (Waschmittel), Moser Roth (Schokolade) oder Gut Bio (Ökolebensmittel). "Es fällt auf, dass Aldi Nord derzeit versucht, die eigenen Marken zu überarbeiten und sie besser in Szene zu setzen", sagt Experte Queck. So habe die Firma jüngst Orangensaftverpackungen umgestaltet. "Das Auge kauft mit, an dieser Erkenntnis kommt auch der Discounter nicht vorbei."

Aus der Sicht Quecks könnte die Modernisierungsoffensive auch mit dem Generationswechsel an der Aldi-Nord-Spitze in Verbindung stehen. Als der Gründer Theo Albrecht Mitte 2010 starb, mutmaßten viele Beobachter, dass dies für einen Aufbruch im Unternehmen sorgen könnte. Der Mann, der zusammen mit seinem Bruder Karl die Discountidee perfektionierte, galt als genialer Unternehmer, aber auch als notorisch sparsam und jeglicher Werbung abgeneigt. Seit Anfang dieses Jahres wird Aldi Nord zudem nicht mehr von dem langjährigen Vertrauten Theo Albrechts, Hartmuth Wiesemann, geführt, sondern von dessen Nachfolger Marc Heußinger. Er soll die treibende Kraft hinter den Neuerungen sein.

Bislang muss man die Veränderungen allerdings mit der Lupe suchen. Im Aldi-Markt an der Bahrenfelder Straße gibt es jetzt immerhin ein Plakat über der Kasse, das auf die "exklusiven Marken" des Unternehmens hinweist. Auf der Rückseite wirbt Aldi für einen Weißwein namens Pinetta mit "fruchtig-frischem Aroma". Mehr Marketing ist wohl noch nicht drin.