Bundesregierung lehnt Vorstoß der EU-Kommission ab. Auch in der Europäischen Zentralbank gibt es Streit über Krisenstrategie.

Brüssel/Berlin. In Europa müssen sich Regierungschefs, EU-Kommissare und Notenbanker in hektischer Krisenbekämpfung üben. Die Nervosität an den Finanzmärkten hat sich auf die Regierungen übertragen. Denn die Kurseinbrüche an den Börsen haben deutlich gemacht, dass die vor zwei Wochen auf dem Euro-Sondergipfel gefassten Beschlüsse nicht ausreichen, um die Lage zu beruhigen.

Nach EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte auch EU-Währungskommissar Olli Rehn eine Aufstockung des Rettungsschirms EFSF. Es sei schon lange die Position der Kommission, die tatsächliche Kreditfähigkeit des EFSF zu verstärken und den Umfang seiner Aktivitäten auszuweiten, sagte Rehn. "Wir müssen bereitstehen, um unsere Krisenwerkzeuge anzupassen." Der Hilfsfonds müsse von den Märkten "respektiert und als glaubwürdig" eingestuft werden. Rehn wollte sich nicht dazu äußern, um wie viel er den EFSF aufstocken möchte.

Die Regierungschefs hatten erst kürzlich beschlossen, das effektive Ausleihvolumen des EFSF auf 440 Milliarden Euro zu erhöhen. Bisher befinden sich Irland und Portugal unter dem Schirm. Auch das gerade beschlossene zweite Rettungspaket für Griechenland soll aus dem Fonds finanziert werden. Mittlerweile zweifeln die Finanzmärkte aber immer heftiger an der Kreditfähigkeit von Italien und Spanien. Das wirft die Frage auf, ob eines dieser beiden Länder noch unter den Schirm passen würde. Viele Experten bezweifeln das.

Vertreter der schwarz-gelben Koalition wiesen den Vorschlag von Barroso und Rehn zurück. "So eine Debatte kommt zur Unzeit", sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Erst vor zwei Wochen hatten die Regierungschefs der Euro-Zone eine Ausweitung der Kompetenzen des EFSF beschlossen. So soll der Fonds zukünftig auch Anleihen von Pleitestaaten am Markt kaufen dürfen. Die Entscheidungen des Gipfels müssten zügig umgesetzt werden. "Es gibt keine Notwendigkeit für eine erneute Diskussion", sagte Rösler.

Auch in der Union hält man wenig von einer Vergrößerung des Rettungsschirms. Das würde nichts an den Problemen in den Ländern wie Italien oder Spanien ändern, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Meister, der "Welt" . "Es muss Druck ausgeübt werden, dass die nationale Politik die Probleme angeht", forderte der CDU-Finanzexperte. "Die Regierung in Italien muss deutlich machen, dass sie die notwendigen Reformen zeitnah umsetzt." Auch von der spanischen Regierung erwartet Meister weitere Schritte. So brauche es etwa Strukturreformen am Arbeitsmarkt.

Unterdessen geht auch die Debatte über die erneuten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter. Die Notenbank hatte am Donnerstag nach 18 Wochen Pause überraschend wieder Staatsanleihen klammer Euro-Staaten aufgekauft. Damit wollen die Währungshüter die Finanzmärkte beruhigen. Die Anleihekäufe wurden kurzfristig auf die Tagesordnung des geldpolitischen Rates gehoben. Bundesbankpräsident Jens Weidmann und der künftige EZB-Präsident Mario Draghi hatten ihren Urlaub unterbrochen, um nach Frankfurt zu reisen.

Innerhalb des EZB-Rates war die Wiederaufnahme der Aufkäufe stark umstritten. Vier Währungshüter haben dagegengestimmt, darunter die beiden deutschen Vertreter im EZB-Rat, Bundesbankpräsident Weidmann und EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, hieß es in Notenbankkreisen. Die beiden anderen Gegner kamen offenbar aus den Beneluxstaaten.