Adelheid Sailer-Schuster, Chefin der Bundesbank in Hamburg, spricht im Abendblatt-Interview über gemeinsame Anleihen und Inflation.

Hamburg. Auf vielen Staaten in Europa lasten hohe Schuldenberge. Wenngleich die deutsche Wirtschaft sich in diesem Jahr kräftig erholt hat, ist die Finanzmarktkrise noch nicht ausgestanden. Über die Stabilität des Euro, die Preisentwicklung, die Situation der Banken in Norddeutschland und die Milliarden D-Mark, die noch in deutschen Haushalten schlummern, sprach das Abendblatt mit der Präsidentin der Deutschen Bundesbank in Hamburg, Adelheid Sailer-Schuster. Die 62 Jahre alte Juristin ist unter anderem für die Bargeldversorgung im Norden verantwortlich, zugleich obliegt ihr die Bankenaufsicht und -prüfung in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

Hamburger Abendblatt: Das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Euro wächst. Wünschen Sie sich die D-Mark zurück?

Adelheid Sailer-Schuster: Klares Nein. Ich persönlich wünsche mir dies nicht.

Halten Sie den Euro trotz der desolaten Finanzsituation einiger Euro-Staaten immer noch für ein Erfolgsmodell?

Sailer-Schuster: Der Euro hat sich insgesamt als stabil erwiesen, die Inflation blieb seit seiner Einführung im angestrebten Rahmen, und die Inflationserwartungen sind auf einem wünschenswerten Niveau verankert. Die deutsche Wirtschaft hat die Finanzkrise nicht zuletzt dank des Euro gut überstanden, da sie von starken Wechselkursschwankungen verschont blieb. Klar ist aber auch: Die Krise hat Schwachstellen in der Währungsunion offengelegt, die nun korrigiert werden müssen.

Es gibt Ökonomen, die eine Abspaltung hoch verschuldeter Staaten insbesondere in Südeuropa befürworten - und den Euro nur auf die wirtschaftlich stärkeren Länder in Nordeuropa begrenzen wollen. Was halten Sie davon?

Sailer-Schuster: Eine Abspaltung würde diese Länder vermutlich in noch größere Schwierigkeiten bringen: Ihre Währungen würden deutlich abwerten, zugleich müssten sie aber ihre Verbindlichkeiten, die bis dahin entstanden sind, in Euro begleichen. Sie müssten also mit ihrer voraussichtlich schwachen Währung hohe Schulden tilgen.

Estland tritt zum Jahreswechsel dem Euro bei. Werden weitere Länder folgen?

Sailer-Schuster: Die Attraktivität der gemeinsamen Währung besteht unverändert. Entscheidend für den Beitritt in den Euro-Raum ist, dass die Beitrittsbedingungen strikt erfüllt werden.

Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker fordert gemeinsame Euro-Anleihen für die Euro-Länder - und hat sich damit bei der Bundesregierung und Frankreich eine Abfuhr geholt. Wie bewertet die Bundesbank den Sinn von Euro-Anleihen. Sind sie notwendig?

Sailer-Schuster: Nein, sie sind weder notwendig noch wünschenswert. Nach Auffassung der Bundesbank höhlt dieses Instrument die fiskalische Eigenverantwortung aus und schwächt damit das Vertrauen in die öffentlichen Finanzen.

Die europäischen Länder leiden unter einem gigantischen Schuldenberg - auch Deutschland. Können diese Schuldenberge jemals abgetragen werden? Oder droht uns eine kräftige Inflation?

Sailer-Schuster: Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen kräftigen Anstieg der Inflation. Nach unserer aktuellen Prognose werden die Inflationsraten in Deutschland in den nächsten zwei Jahren unter zwei Prozent liegen. Wichtig ist aber, dass die Staatsfinanzen konsequent konsolidiert werden. Nur so lässt sich das verloren gegangene Vertrauen wiederherstellen und die Basis für nachhaltiges Wachstum schaffen.

Ist die Finanzmarktkrise bereits überstanden?

Sailer-Schuster: Keineswegs, wir befinden uns nunmehr im vierten Jahr der Finanzkrise.

Drohen weitere Bankenpleiten?

Sailer-Schuster: Das Ausscheiden von Banken aus dem Markt lässt sich nie ausschließen; dies zu verhindern ist auch nicht Ziel der Bundesbank. Allgemein lässt sich sagen: Die Stabilität der Banken in Deutschland hat sich zuletzt verbessert.

Sind die Finanzmärkte heute genügend reguliert, damit eine solche Krise nicht noch einmal stattfindet?

Sailer-Schuster: Sowohl national als auch international ist die Finanzmarktregulierung deutlich vorangekommen. Zum Beispiel werden mit Basel III die Eigenkapitalrichtlinien für die Banken erheblich verschärft. Die Vergütungssysteme bei den Banken wurden neu aufgestellt. Allerdings können auch die besten Regeln neue Krisen nicht völlig verhindern.

Wäre es nicht sinnvoll, den Schuldenabbau durch die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer, also die Besteuerung jeder Finanztransaktion, zu beschleunigen?

Sailer-Schuster: Die Finanztransaktionssteuer ist hier aus Sicht der Bundesbank nicht zielführend. Das spricht aber nicht grundsätzlich gegen eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krisenbewältigung.

Wie haben die Banken in Norddeutschland die Krise gemeistert?

Sailer-Schuster: Die vornehmlich mittelständisch aufgestellten Sparkassen und Volksbanken haben die Krise recht gut überstanden. Kein Institut ist vom Markt verschwunden. Wo es im Einzelfall Schwierigkeiten gab, waren dies zumeist Folgen hausgemachter Probleme.

Die Bundesbank hat sich bundesweit ein Sparprogramm verordnet. Ist die Hamburger Niederlassung im Plan? Welche Filialen werden geschlossen?

Sailer-Schuster: In Schleswig-Holstein wird es ab Oktober 2015 keine Filiale der Bundesbank mehr geben. Zunächst wird die Filiale in Flensburg Ende September 2012 geschlossen, zum 31. März 2015 folgt Lübeck und zum 30. September Kiel. Es ist dann neben dem Stadtstaat Bremen das einzige Bundesland ohne Vertretung der Bundesbank.

Darüber dürfte man in Kiel nicht sehr erfreut sein, zumal bereits zuvor Filialen in Itzehoe, Rendsburg, Neumünster, Husum und Heide geschlossen wurden.

Sailer-Schuster: Das ist richtig, die schleswig-holsteinische Landesregierung war nicht gerade begeistert. Die Bundesbank wird dort aber immer noch beratend tätig sein.

Was bedeutet dies dann für die Geldversorgung?

Sailer-Schuster: Die Bundesbank wird auch in Zukunft ihrem gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung einer reibungslosen Bargeldversorgung in vollem Umfang nachkommen. Die Bargeldversorgung erfolgt im Norden dann über die Standorte Hamburg, Rostock und Neubrandenburg. Allerdings ist auch ein großer technischer Fortschritt zu verzeichnen. Wurden früher die Geldscheine per Hand sortiert, erledigen dies heute Maschinen, die größere Mengen an Bargeld bearbeiten können. Dadurch sind Überkapazitäten entstanden, die nun abgebaut werden sollen.

Wie viele Mitarbeiter werden ihren Job verlieren?

Sailer-Schuster: Bis zum jeweiligen Schließungstermin werden noch 114 Mitarbeiter in den Filialen in Schleswig-Holstein arbeiten. Für alle gibt es eine Beschäftigungsgarantie. Entlassen wird niemand. Wir versuchen, alle Mitarbeiter an anderen Standorten der Bundesbank einzusetzen - vor allem in Hamburg - oder bei anderen öffentlichen Arbeitgebern unterzubringen.

Was geschieht am Standort Hamburg?

Sailer-Schuster: Die Filiale Hamburg wird mit ihren rund 150 Mitarbeitern bestehen bleiben. Hier wird 2011 das Kompetenzzentrum für den unbaren Zahlungsverkehr angesiedelt.

Viele Deutsche haben noch D-Mark. Wie viele Bürger kommen täglich zu Ihnen zum Umtausch?

Sailer-Schuster: Täglich kommen 70 bis 90 Kunden in unsere Filiale zum Umtauschen. Im Schnitt werden am Tag 31 000 D-Mark gewechselt - also 15 820 Euro. Diesen kostenlosen Umtauschservice werden wir auch fortführen - und zwar unbegrenzt. Seit Januar wurden in Hamburg von rund 19 000 Bürgern rund 7,5 Millionen D-Mark umgetauscht.

Wie viele D-Mark sind noch in Umlauf?

Sailer-Schuster: Ende November waren noch Banknoten im Wert von 6,52 Milliarden D-Mark in Umlauf, nach 6,65 Milliarden D-Mark im Vorjahr. Zudem stehen noch Münzen im Wert von 6,93 Milliarden D-Mark aus, nach 6,98 Milliarden D-Mark im Vorjahr.