Irlands Notenbankchef hält Hilfen von mehreren Dutzend Milliarden Euro für nötig

Brüssel. Die Rettungsaktion der Europäer für das hoch verschuldete Irland ist angelaufen. Gestern trafen Fachleute von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Dublin ein, um gemeinsam mit der irischen Regierung den Finanzbedarf irischer Banken zu ermitteln und den Haushalt des Landes zu analysieren. Zudem verhandeln sie bereits über die Konditionen eines Hilfspakets. In Kreisen der EU-Kommission hieß es, es handle sich um "ungefähr zehn Fachleute". Ein Kommissionssprecher sagte: "Wir konzentrieren uns auf die Vorbereitungen in Dublin, um fertig zu sein, sobald es eine Anfrage Irlands gibt."

Durch die umfangreichen Vorarbeiten der Fachleute könnte ein Hilfspaket nach einem Antrag der Iren schnell beschlossen werden. Jetzt warten alle auf einen solchen Antrag. Irland zögert seit Tagen, aber der Widerstand schwindet. Das Land fürchtet um seine Souveränität und will hohe Auflagen im Gegenzug für Milliardenkredite vermeiden.

"Wir könnten Hilfe von unseren internationalen und europäischen Kollegen benötigen. Aber wenn wir das tun, müssen die Bedingungen stimmen, sodass sie den Interessen der Iren entsprechen", sagte der irische Informationsminister Eamon Ryan. Irland bangt besonders um sein Steuersystem: Die niedrigen Unternehmenssteuersätze hatten in der Vergangenheit zahlreiche Firmen auf die Insel geholt. "Auf der Ausgabenseite ist nicht mehr viel Luft. Also muss das Land seine Einnahmen erhöhen", hieß es in Brüssel.

Das Land mit seinen rund 4,5 Millionen Einwohnern bürgt zur Rettung seiner Finanzinstitute mit einer Rekordsumme von 350 Milliarden Euro - das ist doppelt so viel wie die Wirtschaftsleistung des Landes. Die Neuverschuldung liegt darum in diesem Jahr bei 32 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - mehr als zehnmal so viel, wie die EU erlaubt. Die angespannte Lage der maroden irischen Banken verursacht seit Wochen Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die Renditen für zehnjährige irische Anleihen lagen gestern immer noch bei 8,2 Prozent. Die EU-Länder drängen Irland darum, Kredite aus dem im Frühjahr eingerichteten 750 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds mit Mitteln von EU (500 Milliarden Euro) und IWF (250 Milliarden Euro) in Anspruch zu nehmen.

Der irische Zentralbankchef Patrick Honohan erwartet, dass sein Land die Milliardenhilfen zur Sanierung der angeschlagenen Banken akzeptieren werde. Honohan rechnet mit einem "sehr umfangreichen Kredit" für Irland in Höhe von "Dutzenden Milliarden" Euro. Dies sei aber nicht "wirklich beunruhigend". Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Irland gestern indirekt auf, das Angebot der Europäer anzunehmen. "Wir haben einen Euro-Rettungsschirm. Falls ein Land der Meinung ist, es möchte ihn benutzen, kann ich nur sagen: Genau für diesen Fall ist er geschaffen." Die Aussicht, dass Irland in den kommenden Tagen Hilfen aus dem Rettungsfonds beantragen wird, hat den Euro beflügelt. Der Kurs der Gemeinschaftswährung stieg gestern auf 1,36 Dollar. Auch die Kosten für eine Kreditausfallversicherung (CDS) irischer Staatspapiere gingen zurück.

Zugleich wies ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn Spekulationen über weitere Rettungsaktionen für die Wackelkandidaten Portugal und Spanien zurück. Der Chef der italienischen Großbank Unicredit drängte unterdessen auf eine schnelle Lösung der Krise. "Ich habe Albträume wegen ganz Europa", sagte Frederico Ghizzoni. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat zugleich eindringlich eine weitreichende Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts angemahnt. Er habe mit Blick auf die Entwicklung "schwerwiegende Bedenken".