Jeder Zehnte verbringt mehr als 48 Stunden pro Woche im Büro oder in der Werkshalle - doch Teilzeitjobs nehmen zu

Hamburg. Am Arbeitsplatz hält man sich viele Stunden des Tages auf - ein Großteil der Deutschen verbringt im Büro oder in der Werkshalle mehr Zeit als für Familie, Freunde und Freizeit zur Verfügung steht. Schon aus diesem Grund gilt ein "guter Job" für viele Menschen als wichtige Voraussetzung für Zufriedenheit und Lebensqualität.

Ein Blick auf die rohen Zahlen zur Arbeitszeit scheint dabei für eine Entlastung in den vergangenen Jahren zu sprechen. Denn zwischen 1991 und 2009 ist die durchschnittliche Jahresarbeitszeit aller Erwerbstätigen - einschließlich der Selbstständigen - laut einer Studie des Statistischen Bundesamts um knapp acht Prozent auf 1390 Stunden gesunken.

Doch bei näherer Betrachtung offenbaren die Daten ein anderes Phänomen: "Man kann von einer Spaltung des Arbeitsmarktes sprechen", sagt Alexander Herzog-Stein, Leiter des Referats Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitforschung am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung (WSI). Denn die Abnahme der Stundenzahl beruht allein auf einem starken Anstieg der Teilzeitarbeit, während die Vollzeitbeschäftigten immer länger arbeiten: In dieser Gruppe erhöhte sich die Jahresarbeitszeit vom Jahr 2000 bis 2008 von 1664 auf 1676 Stunden.

1,7 Millionen Erwerbstätige arbeiten sogar 60 Stunden pro Woche und mehr

Dabei sind Extreme gar nicht so selten. Knapp zehn Prozent der Erwerbstätigen, immerhin 3,8 Millionen Menschen, gaben an, normalerweise mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. 1,7 Millionen Erwerbstätige arbeiten sogar 60 Stunden pro Woche und mehr.

In einigen Jahren dürfte dieses Phänomen angesichts der Demografie noch verbreiteter sein als heute, erwartet Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn: "Sehr lange Wochenarbeitszeiten sind auch eine Folge des sich verschärfenden Mangels an Menschen mit Fachqualifikationen." Hinzu komme, dass Überstunden für die Betriebe nicht mehr so teuer seien wie vor zehn oder 15 Jahren, weil viele Unternehmen Zeitkonten eingeführt haben.

Auffällig ist, dass überlange Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden überdurchschnittlich häufig von Erwerbstätigen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren geleistet werden (14,8 Prozent) - siehe Grafik. Dabei ist zu berücksichtigen, dass fast jeder zweite Selbstständige derartige Zeiten angibt, aber nur gut fünf Prozent der Angestellten.

Auf der anderen Seite sind Teilzeitjobs in Deutschland rapide auf dem Vormarsch. Im Jahr 2008 waren laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung nur noch 60,1 Prozent der Beschäftigten im Alter zwischen 25 und 64 Jahren in einer unbefristeten Anstellung in Vollzeit tätig, sieben Jahre zuvor waren es noch 64,7 Prozent. "Einer der wesentlichen Gründe für die Zunahme der Teilzeitarbeit ist der Strukturwandel", sagt Herzog-Stein, "weg von der Industriebeschäftigung, hin zu Dienstleistungstätigkeiten." Hinzu kommt unter anderem die Freigabe der Ladenöffnungszeiten. "Dieser Trend wird anhalten, ein Ende ist nicht abzusehen", meint der WSI-Experte.

Dabei betrachten jedoch 22 Prozent der Teilzeitbeschäftigten diese Form der Arbeit als Notlösung - sie gaben in der Studie des Statistischen Bundesamts an, keine Vollzeitstelle gefunden zu haben. Unfreiwillige Teilzeitarbeit habe allerdings langfristig negative Konsequenzen, so Herzog-Stein, weil dann auch weniger in die Sozialversicherung eingezahlt wird. Verschärft werde dieses Problem dadurch, dass Teilzeitarbeit auch pro Stunde im Schnitt schlechter bezahlt werde als eine Vollzeittätigkeit. Allerdings war auch der zunehmende Wunsch von Frauen, Beruf und Familie vereinbaren zu können, mitverantwortlich für den Anstieg der Teilzeitquote: Wenn Mütter berufstätig sind, arbeiten sie zu 70 Prozent auf einer Teilzeitstelle.

Schon jeder vierte Erwerbstätige arbeitet auch am Wochenende

Damit hat der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen zwar seit 1991 von 42 auf 46 Prozent zugenommen. Doch noch immer sind nur 30 Prozent der Führungskräfte weiblich - und der durchschnittliche Bruttoverdienst der Frauen lag im vergangenen Jahr mit 14,90 Euro je Stunde weiter um 23 Prozent unter dem durchschnittlichen Stundenlohn der Männer von 19,40 Euro.

Erheblich ausgeweitet hat sich auch die Nacht- und Wochenendarbeit: Knapp jeder vierte Erwerbstätige arbeitet häufig auch am Sonnabend, fast jeder Achte am Sonntag. "Der Trend zur Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft wird sich fortsetzen", sagt Herzog-Stein, "aber er stellt die Arbeitswelt vor Herausforderungen, denn er macht es immer schwerer, das Familienleben zu koordinieren." Doch Hilmar Schneider sieht in der zunehmenden Arbeitszeitflexibilität auch eine Chance für berufstätige Eltern: "Man kann sich die Betreuung der Kinder besser teilen."