Der Verkauf von Arriva Deutschland kann den Wettbewerb deutlich stärken. Interessenten gibt es viele. Die Zahl soll zweistellig sein.

Hamburg. Die Europäische Kommission hat in der vergangenen Woche entschieden: Die Deutsche Bahn darf den britischen Konkurrenten Arriva übernehmen. Erhebliche Auswirkungen hat das Geschäft auf den deutschen Verkehrsmarkt, insbesondere das regionale Bahn- und Busgeschäft. Die Deutsche Bahn muss laut Auflage der EU-Kommission das gesamte Deutschlandgeschäft von Arriva verkaufen - Beteiligungen, die eine Leistung von immerhin 30 Millionen Zugkilometern, rund 31 Millionen Buskilometern und einen Umsatz von 460 Millionen Euro im vergangenen Jahr umfassen.

Der französische Staatskonzern SNCF will sein Deutschlandgeschäft ausbauen

Für einen Bahn-Konkurrenten ist Arriva Deutschland ein wertvoller Türöffner in den deutschen Verkehrsmarkt. So wundert es nicht, dass Bahnchef Rüdiger Grube von einer "zweistelligen Zahl" von Interessenten spricht. Darunter ist auch der französische Staatskonzern SNCF mit dessen deutschem Tochterunternehmen Keolis Deutschland: "Wenn so etwas am Markt ist, haben wir natürlich Interesse und werden es uns anschauen", sagte Keolis-Deutschlandchef Hans Leister dieser Tage. "Ob wir ein Angebot machen, entscheiden wir später." Zum Kreis der möglichen Bieter zählt auch der französische Infrastrukturkonzern Veolia mit dessen deutschem Tochterunternehmen Veolia Verkehr, und auch die Benex, die Holding der Hamburger Hochbahn für Beteiligungen an Verkehrsunternehmen außerhalb der Hansestadt.

Der Vorstand der Deutschen Bahn hat bereits erklärt, Arriva Deutschland mit seinen breit gestreuten Beteilungen in einem Stück an den Meistbietenden verkaufen zu wollen. Falls dies allerdings am Ende auf SNCF mit Keolis Deutschland hinausliefe, wäre das pikant: SNCF ist der wichtigste Rivale der Deutschen Bahn in Europa. Die Übernahme von Arriva dient der Bahn auch dazu, die Position gegenüber der ebenfalls stark expandierenden SNCF zu stärken. Während SNFC allerdings auf andere europäische Märkte wie Deutschland drängt, schottet der französische Konzern mit politischer Unterstützung den landeseigenen Markt vor ausländischer Konkurrenz ab - entgegen der Vorgabe der EU-Kommission, die europäischen Verkehrsmärkte für den Wettbewerb zu öffnen.

"Wenn SNCF den Zuschlag für Arriva Deutschland bekäme, wäre das sehr bedenklich, denn der Konzern ist am französischen Bahnmarkt nach wie vor Monopolist", sagte Karl-Peter Naumann dem Abendblatt, der Bundesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn. "Die Bundesregierung ist Eigentümer der Deutschen Bahn. Wenn sie mehr Wettbewerb am deutschen Verkehrsmarkt will, könnte sie den Verkauf von Arriva Deutschland dafür nutzen."

Der Gegenentwurf zu einer Komplettübernahme von Arriva Deutschland wäre der Verkauf der zahlreichen einzelnen Beteiligungen. Darauf hat bislang die Benex spekuliert. Die Hamburger Holding ist mit einer Sperrminorität von 25,1 Prozent am Uelzener Bahnunternehmen Metronom beteiligt, Arriva Deutschland hält dort rund 40 Prozent. Beim aufstrebenden ostdeutschen Verkehrsunternehmen ODEG teilen sich Arriva und Benex die Anteile zu je 50 Prozent. Die Benex hat ihr Interesse an einer Aufstockung der Anteile an Metronom sowie an der ODEG bereits wiederholt geäußert. Auch norddeutsche Politiker wie der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) wollen eine regionale "norddeutsche Lösung". Man wolle, so Mädge, "den Einfluss auf den Metronom behalten", der auch durch Lüneburg läuft.

Für die Benex stehen die Chancen zum Kauf von Arriva-Beteiligungen nicht gut

Für eine Komplettübernahme von Arriva Deutschland allerdings fehlen der Benex die Mittel. Für die Bahn jedoch ergäbe sich bei einem Verkauf ausgerechnet an SNCF ein Dilemma. Zwar hätte SNCF die Finanzstärke für den Kauf zu einem für die Deutsche Bahn lukrativen Preis. Das aber würde bedeuten, einem Konkurrenten die Tür nach Deutschland weit zu öffnen, der sich nicht an die Spielregeln des europäischen Wettbewerbs halten möchte.

Die Benex kann nach aktuellem Stand wohl nur darauf hoffen, dass ein Investor Arriva Deutschland komplett kauft und dann Teile davon weiter veräußert. "Es würde Sinn machen, den Wettbewerb am deutschen Bahnmarkt mit Beteiligungen deutscher Unternehmen weiter zu stärken und zu diversifizieren", sagte der Pro-Bahn-Vorsitzende Naumann. Allerdings ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Käufer von Arriva Deutschland ausgerechnet Filetstücke wie Metronom oder ODEG weiterreicht. Das wiederum ärgert auch das Management von Veolia Verkehr, des derzeit wichtigsten Konkurrenten der Deutschen Bahn im deutschen Regionalverkehr: Es sei falsch, sagte Andreas Winter, Sprecher von Veolia Verkehr, dass die Deutsche Bahn als Branchenführer am deutschen Mark "maßgeblich Einfluss auf die Zukunft des Wettbewerbs nehmen kann".