Branche erwartet Absatzrekord von gut zehn Millionen Stück. Die Geräte warten mit immer größeren Bildschirmen und immer günstigeren Preisen auf.

Hamburg. Der Verkauf von Fernsehern floriert. Nach Informationen des Abendblatts setzte die Branche allein von Mai bis zum Beginn der Fußball-EM ein Drittel mehr Geräte ab als im Vorjahreszeitraum. Und 39 Prozent der Bundesbürger denken ernsthaft über den Kauf eines neuen TV-Geräts nach. "Es läuft derzeit ähnlich gut wie im Weihnachtsgeschäft", sagt Saturn-Mitarbeiterin Vanessa Gonzalez.

Die Nachfrage nach den flachen Fernsehern zog bereits vor der EM deutlich an. Wurden im Februar erst acht Prozent mehr Geräte als im Vorjahresmonat verkauft, waren es im April schon 22 Prozent mehr, ermittelte der Branchenverband Bitkom. Eine Absatzsteigerung von 6,9 Prozent im ersten Quartal wird von der Branche auch mit der Abschaltung des analogen Satellitenfernsehens begründet. "Statt die Anlage umzurüsten, haben sich viele gleich für ein neues Gerät entschieden", sagt ein Sprecher des Fernseherherstellers Samsung.

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Die meisten neuen Geräte verfügen über einen Tuner, der ohne zusätzliche Technik den Empfang von Satelliten-, Antennen- und Kabelprogrammen ermöglicht. Normalerweise sorgt nur das Jahresendgeschäft für einen Schub in der Branche. "Doch große Sportereignisse wie EM oder WM bringen eine Sonderkonjunktur", bestätigt Georg Wilde, Sprecher von TP Vision, einem Gemeinschaftsunternehmen von Philips mit dem chinesischen Hersteller TPV. "Wir sind mit den Verkäufen sehr zufrieden. Die EM war für viele Leute der Auslöser, sich ein neues Gerät anzuschaffen. Mit solchen Großereignissen kann man die Verbraucher wieder für das Fernsehen begeistern."

In der Fernsehabteilung des Elektromarktes Saturn an der Mönckebergstraße passen sich die Nationalspieler Mesut Özil und Sami Khedira derweil auf Hunderten Flachbildschirmen synchron den Ball zu. Die Hamburger Sascha Hughes und Yousuf Khan schauen sich derweil nach einem neuen Flachbildfernseher um. "Wir wollen etwas richtig Großes. Mindestens 70 Zoll", sagt Hughes und fügt an: "Um die England-Spiele bei der EM zu schauen." Sein Freund Yousuf Khan schwärmt zwar für Italien, aber auch er kann sich der Faszination des großen Bildes nicht erwehren: "Wenn wir eine größere Wohnung hätten, würden wir sogar einen Beamer kaufen."

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In der Branche hofft man aufgrund dieser Begeisterung für große Sportereignisse auf einen Rekordabsatz. Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) erwartet, dass in diesem Jahr erstmals in Deutschland mehr als zehn Millionen Fernseher verkauft werden. Auch für das nächste Jahr werden noch Absatzsteigerungen zwischen drei und vier Prozent erwartet.

Denn noch sind nicht alle alten Röhrengeräte gegen die neue Fernseher ausgetauscht, die das hochauflösende HDTV empfangen können. Der Ersatz eines Röhrengeräts ist noch immer das wichtigste Kaufmotiv, geht aus einer ZVEI-Studie hervor. Denn unter den Zweit- und Drittgeräten in den Haushalten gibt es noch immer einen hohen Röhrenanteil.

Die Käufer entscheiden sich auch immer häufiger für größere Bildschirme. "War vor einigen Jahren das 32-Zoll-Gerät mit einer Diagonale von 81 Zentimetern das gängigste Modell, so werden heute größere Bildschirme nachgefragt", sagt der Samsung-Sprecher. Das wird auch durch die Preisentwicklung begünstigt. Der Durchschnittspreis für ein 32-Zoll-Gerät sank von 1600 Euro im Jahr 2005 auf aktuell 491 Euro. Außerdem muss der Abstand zum Gerät nicht mehr so groß sein wie bei einer Standardauflösung. "Der optimale Sitzabstand bei einem HD-Bild beträgt das Dreifache der Bildhöhe", sagt Wilde. Bei einem 42-Zoll-Gerät (Bildschirmdiagonale 107 Zentimeter) sind das rund 1,50 Meter. Damit passen große Fernseher auch in kleine Wohnzimmer.

Jeder zweite verkaufte Fernseher verfügt inzwischen über einen Internetanschluss. So können zusätzliche Funktionen genutzt werden. "Man kann die Mediatheken der Fernsehsender oder Spielfilme abrufen, Spiele oder soziale Netzwerke während des Fernsehens nutzen", sagt Wilde von TP Vision. Viele Funktionen werden wie beim Smartphone über Apps gesteuert. Gut jedes dritte Gerät, das in diesem Jahr verkauft wird, kann dreidimensionale Bilder darstellen. "Bei vielen Modellen ist das bereits ein übliches Ausstattungsmerkmal", so Wilde weiter.

Zwar kann sich die Branche über einen gestiegenen Absatz freuen, der Umsatz hält damit aber nicht Schritt, da der Durchschnittspreis der Geräte um vier Prozent gesunken ist. Philips reagierte auf diese Entwicklung bereits, indem es sein TV-Geschäft in ein Joint Venture mit dem chinesischen Hersteller TPV einbrachte. Bei unverändertem Markennamen "Philips", sind die Niederländer aber an dem Unternehmen nur noch zu 30 Prozent beteiligt.