TV und Internet vermischen sich. Schon mehr als 100 Firmen verdienen ihr Geld mit Filmen, Berichten und Werbung für das Fernsehen der Zukunft.

Hamburg. Nett mit dem Partner auf dem Sofa sitzen, die Fernbedienung in der Hand, und wenn die Sender mal wieder gähnende Langeweile produzieren, einfach via Fernseher ins weltweite Netz schauen und eine Weile surfen. Kein Problem mit Hybrid-TV. Mit internetfähigen Fernsehern, die immer mehr deutsche Haushalte erobern. Oder: Heute kommt das Spiel des italienischen Lieblingsklubs? Kein Problem, im digitalen Fernsehen laufen die Stars von Inter Mailand auf Wunsch auch in Hamburger Wohnzimmern zu Hochform auf. Übertragen von einem Hamburger TV-Sender, gegen Gebühr.

Weil Internet und Fernsehen sich vermischen und Leute mit besonders guten Augen schon ganze Talkshows auf den winzigen Bildschirmen ihrer Handys verfolgen, entstehen derzeit ungeahnte neue Möglichkeiten für Firmen, die rund um bewegte Bilder ihr Geld verdienen wollen.

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"Das Zusammenwachsen von TV und Internet bietet ein ähnlich beeindruckendes Potenzial für neue Geschäftsideen wie der Wandel vom Telefon zum Smartphone, welches viel mehr als Telefonieren bietet", sagt Esther Conrad, Leiterin des Bereichs Medien & IT bei der Medieninitiative Hamburg @work. Gerade durch die neuen internetfähigen Fernsehgeräte stehe eine ganz neue Branche mit Technologie- und Inhalteanbietern vor ihrem Durchbruch, die sogenannte newTV-Branche, und werde in der nahen Zukunft einen Massenmarkt erschließen.

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Die Chancen, die das Fernsehen der Zukunft bietet, fallen in der Medienstadt Hamburg auf besonders fruchtbaren Boden. Hier verdienen bereits mehr als 100 Firmen ihr Geld mit Filmen, Berichten, Hightech und Werbung in der newTV-Branche. Zwar sitzen die etablierten Fernsehsender wie ProSiebenSat.1 und RTL in München und Köln. In Hamburg aber entsteht ein neues Cluster von Hightechfirmen, die in ihrem vielfältigen Geschäftsfeld überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten erwarten. Das hat eine aktuelle Umfrage der Initiative Hamburg@work ergeben, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.

So gaben mehr als 60 Prozent der Unternehmen in der newTV-Branche an, dass sie in den kommenden zwei Jahren mit steigenden Umsatzzahlen rechnen. Dementsprechend wollen diese Firmen in der Hansestadt mehr Mitarbeiter einstellen. Auch die Kommunikationsexperten der Hamburger Werbeagentur Zum goldenen Hirschen glauben an die Zukunftsfähigkeit des Mediums: "Fußball-WM, Deutschland sucht den Superstar, Bundestagswahl: Die großen Emotionen brauchen Bewegtbild", formulieren die Werber in einer neuen Trendstudie. Das Abendblatt stellt im Folgenden einige der neuen Firmen der newTV-Branche vor:

Sportdigital.de: internationale Fußballspiele schauen

Die Hamburger Firma sportdigital überträgt Fußball live aus Italien (Serie A), Brasilien (Campeonato Brasileiro), den Niederlanden (Eredivisie und Pokal), Russland (Premjer Liga), England (npower Championship), den USA (Major League Soccer) sowie der Türkei (Pokal). Hinzu kommen Qualifikationsspiele zu Welt- und Europameisterschaften. "Ein Redaktionsteam in Hamburg kommentiert und bearbeitet die Berichte", sagt Geschäftsführer Gisbert Wundram, dessen zehn Mitarbeiter im Studio Hamburg in Jenfeld sitzen. Für 2012 erwartet der 47-Jährige ein Wachstum der Erlöse von derzeit zwei Millionen Euro um 20 Prozent. Sportdigital ist live im Satelliten- und Kabel-TV sowie im IPTV (Fernsehen via Internet) zu empfangen. Es gibt verschiedene Gebührenmodelle. Auf der Homepage von sportdigital.de kostet ein Spiel 1,99 Euro. Bei der Telekom gehört das Angebot von sportdigital zur Sportoption im Digital-TV, die derzeit 3,95 Euro im Monat kostet, bei HanseNet zahlen Zuschauer für ein umfangreiches Unterhaltungspaket mit Sport 14,90 Euro.

Teveo: fernsehen und einkaufen mit der Fernbedienung

Das Hamburger Unternehmen Teveo ermöglicht den elektronischen Handel (E-commerce) über die Fernbedienung. Dazu kann sich der Kunde an seinem internetfähigen Fernseher von teveo.de registrieren lassen und bekommt eine eigene, vierstellige TV-Identitätsnummer. "Wir sind der Mittler zwischen den Sendern und den Fernsehkunden", sagt Andreas Karanas, 46, Geschäftsführer von Teveo. Einmal registriert, kann der Fernsehzuschauer während eines Werbespots von Volkswagen gleich eine Probefahrt bei seinem Händler vereinbaren oder eine CD bestellen, während der Song gerade im Musiksender läuft. Das Unternehmen mit sieben Mitarbeitern erwartet für das kommende Jahr einen Umsatz von 500 000 Euro.

DDD Design: Werbevideos können selbst gestaltet werden

Die Hamburger DDD Design ent-wickelt etwa für große Automarken wie Audi, Mercedes oder Smart individualisierbare Videos, die der Zuschauer selber hinsichtlich der Fahrzeugeigenschaften beeinflussen kann. Wie sieht das Audi-Cabrio, das im Film durch Kapstadt fährt, in Dunkelblau anstatt in Rot aus, welche Felgen wirken besonders sportlich? Die Ausstattungsmerkmale im Film verändern zu können, hilft dem Kunden bei seiner Kaufentscheidung. DDD Design beschäftigt 16 Mitarbeiter in Hamburg. Gründer Ole John, 43, rechnet mit einer Umsatzsteigerung von knapp 20 Prozent auf 1,5 Millionen Euro für das kommende Jahr.

Wonderlandmovies: Spaß mit personalisierten Grußvideos

Die Ausgründung von DDD, Wonderlandmovies, bietet Internetnutzern die Möglichkeit, ihre eigenen Fotos in ein Video zu integrieren. Adidas als Kunde der Hamburger Firma bietet ein Video mit der deutschen Fußballmannschaft, in dem der Internetnutzer selber neben Lahm, Podolski und Co. erscheint. Dazu reicht es, auf die Adidas-Seite im Internet zu gehen und ein eigenes Foto hochzuladen, das dann automatisch in den Film integriert wird. Mit den Grußvideos zum Mitmachen plant Geschäftsführer Jan-Till Manzius für 2012 einen Umsatz von 400 000 Euro. Der Personalbestand von derzeit drei Beschäftigten soll im nächsten Jahr auf zehn Mitarbeiter steigen.

Impossible Software: gezielte Werbung für jeden Zuschauer

Eine weltweit einzigartige Technologie bietet Impossible Software aus Winterhude. Da die neuen internetfähigen Fernseher Rückschlüsse auf den einzelnen Zuschauer, also etwa sein Geschlecht oder seinen Wohnsitz zulassen, können künftig auch Fernsehspots individualisiert werden. Hat eine große Elektronikkette noch 1000 Digitalkameras in ihrer Münchner Filiale auf Lager, erscheint die Werbung mit den Kameras nur in München. Die Hamburger sehen dagegen einen Werbefilm für Laptops, die hier im Ausverkauf sind. Oder ein Baumarkt zeigt allen weiblichen Fernsehzuschauern Frühlingsblumen, die Männer indes sehen Rasenmäher in der Werbung. Zu den Kapitalgebern der Firma gehört der Xing-Gründer Lars Hinrichs. Torsten Appel, 46, Geschäftsführer von Impossible Software, sichert die innovative Technologie derzeit mit Patenten ab und beschäftigt sieben Mitarbeiter.