Im Schnitt könnten jedem Rentner rund 600 Euro im Monat fehlen. Statt zu sparen, konsumieren die Bundesbürger in der Euro-Krise lieber.

Hamburg. Petra Jungnickel hätte das nicht gedacht. Der 50 Jahre alten Angestellten eines Lebensmittelbetriebes bei Hamburg werden wohl 650 Euro im Monat fehlen, wenn sie im Jahr 2028 mit 66 Jahren und acht Monaten in den Ruhestand geht. Wie viele Deutsche hat sie eine Rentenlücke. Das ist die Differenz zwischen dem Alterseinkommen wie gesetzlicher Rente und privater Vorsorge und dem, was Experten als notwendig für den Ruhestand erachten. Nach Einschätzung der Stiftung Warentest sind das 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Eine solche Größenordnung lässt sich nur mit großen Sparanstrengungen erreichen.

"Obwohl die Mehrheit überzeugt ist, dass sie sich im Alter finanziell einschränken muss, geht das Interesse an dem Thema Altersvorsorge kontinuierlich zurück", sagt Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, bei der Vorlage einer Umfrage im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Nur jeder Vierte ist bereit, für die private Altersvorsorge Geld auszugeben. Vor zehn Jahren war es fast noch jeder zweite Bundesbürger. Konkret befragt, ob sie in diesem Jahr mehr Geld in die private Altersvorsorge stecken wollen, antworten darauf nur 15 Prozent mit Ja. Auch eine Studie der Postbank war kürzlich zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Im Schnitt schätzen die Deutschen ihre Rentenlücke auf 600 Euro im Monat. Von denjenigen, die noch keine Rente beziehen, geht mehr als die Hälfte davon aus, sich im Alter einschränken zu müssen.

Doch auch mit deutlichen Einschränkungen reicht die gesetzliche Rente nicht aus, um das Leben im Alter zu finanzieren. "Denn wer 2025 in Rente geht, erhält lediglich 46 Prozent seines durchschnittlichen Nettoeinkommens aus der gesetzlichen Rentenkasse", sagt Maximilian Zimmerer, Vorsitzender des Hauptausschusses Lebensversicherung beim GDV. Dazu muss er aber 45 Jahre eingezahlt haben.

Je nachdem wie der Lebensstandard im Alter ausfallen soll und ob eine Miete als größter Abgabeposten bezahlt werden muss, kann man Abstriche von der 80-Prozent-Regel machen. Doch sollte nicht vergessen werden, dass die gesetzliche Rente auch versteuert werden muss, also zusätzliche Abgaben drohen. Spitzenverdiener müssen bedenken, dass die Beitragsbemessungsgrenze (5600 Euro pro Monat) die staatliche Rente deckelt und so deutlich weniger als 46 Prozent des Nettoeinkommens zur Verfügung stehen.

Für die nachlassende Vorsorgebereitschaft machen die Meinungsforscher die Euro-Krise verantwortlich. "Sie führt dazu, dass die Bürger immer weniger das Gefühl haben, langfristig verlässlich planen und sparen zu können", sagt Köcher. Das stimuliere eher den kurzfristigen Konsum als die langfristige Vorsorge. So sind den Deutschen gutes Essen, Reisen, Wellness, Garten oder Flachbildfernseher wichtiger als die Altersvorsorge (siehe Grafik). Die Bundesbürger fürchten sinkende Renditen, die Pleite von Banken und Versicherungen, eine Inflation oder die Abschaffung des Euro. Als Folge erhöhen sie eher ihren Konsum als die Ausgaben für die Altersvorsorge.

Das belegt auch der neueste Konsumklima-Index der GfK Marktforschung in Nürnberg. So verbesserte sich das Konsumklima seit September 2011 Monat für Monat und erreichte im Januar einen Wert von 5,9 Punkten. Die Kauflust ist also deutlich angestiegen.

Die Furcht der Deutschen vor einer unkalkulierbaren Altersvorsorge ist nicht unbegründet. Denn die Lebensversicherung, die beliebteste Altersvorsorge, leidet unter den niedrigen Zinsen. Nach einer gestern veröffentlichten Studie der Rating-Gesellschaft Assekurata sinkt für 2012 die Überschussbeteiligung in der Lebens- und Rentenversicherung im Marktdurchschnitt auf 3,94 Prozent nach 4,09 Prozent im Vorjahr. An der Studie hatten sich 67 Gesellschaften beteiligt. "Kritisch in dieser Situation ist, dass die Talsohle noch nicht erreicht und ein Wechsel bei der Politik der Niedrigzinsen nicht erkennbar ist", sagt Assekurata-Geschäftsführer Rainer Will. Das Abendblatt hatte Anfang Januar die Überschussbeteiligung der 40 größten Lebensversicherer untersucht und einen Durchschnittswert von 3,87 Prozent ermittelt.

Dennoch hält Manfred Poweleit, Herausgeber des Branchendienstes Map-Report, die Lebensversicherung für unverzichtbar für die Altersvorsorge. "Unter den gegebenen Bedingungen schlägt sie sich gut." Nach seiner Einschätzung stecken die Deutschen aber gerade 60 Euro im Monat in einen solchen Vertrag. Die fünffache Summe wäre notwendig. "Selbst nach 30 Jahren Spardauer werden so gerade mal 35 000 Euro ausgezahlt", rechnet er vor. "Das reicht für ein neues Auto, hat aber mit Altersvorsorge nichts zu tun."