Nach dem starken Wirtschaftsjahr wird 2012 ein leichter Zuwachs erwartet. Die Abendblatt-Branchenumfrage in der Hansestadt.

Hamburg. Die Euro-Krise und der weltweite Abschwung würgen den deutschen Wirtschaftsboom ab. Nach zwei außerordentlich starken Jahren - für 2011 errechnete das Statistische Bundesamt ein Wachstum von 3,0 Prozent - stehen jetzt rauere Zeiten bevor. Zum Jahresende 2011 gab es den erstendeutlichen Dämpfer: Die Wirtschaft schrumpfte im vierten Quartal.

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Nach einem guten Jahr 2011 sei die Stimmung in den norddeutschen Unternehmen für 2012 allerdings schlechter als die Lage, sagt der Präsident des Unternehmensverbands Nord (UV Nord), Uli Wachholtz: "Wenn in der aktuellen Staatsschuldenkrise die Hiobsbotschaften ausbleiben, blicke ich verhalten optimistisch in die Zukunft. Der Norden wird 2012, so die Ergebnisse unserer Befragungen, möglicherweise leicht über der Prognose für das wirtschaftliche Wachstum im Bund liegen." Auch Jörg Hinze, Volkswirt beim Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), geht davon aus, dass Hamburg in diesem Jahr besser abschneiden wird als Deutschland insgesamt.

Michael Westhagemann, Vorsitzender des IVH - Industrieverband Hamburg e.V., blickt auch kritisch auf das kommende Jahr: "Die Zahlen, mit 3 Prozent plus beim Export, sind gut – die Stimmung in der Industrie ist jedoch gedämpft. Aber trotz der Abschwächung der Weltkonjunktur und der Verunsicherung der Finanzmärkte erwartet Hamburgs Industrie auch 2012 ein leichtes Wachstum. Wir müssen allerdings aufpassen, das der industrielle Mittelstand durch die Kosten der Energiewende nicht übermäßig belastet wird. Um dies abzumildern, werden wir Überzeugungsarbeit gegenüber der Politik leisten."

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Das Abendblatt hat wichtige Hamburger Branchen nach ihren Erwartungen befragt:

Luftfahrt

Nachdem Airbus im vergangenen Jahr offenbar einen neuen Auftragsrekord mit mehr als 1500 Bestellungen erzielt hat, dürfte die Verkaufszahl 2012 erheblich niedriger ausfallen. Firmenchef Thomas Enders rechnet für dieses Jahr, wie die "Financial Times Deutschland" berichtete, nur noch mit einem Auftragseingang etwa auf der Höhe der Auslieferungszahl. Diese wird sich jedoch voraussichtlich von gut 530 Jets im abgelaufenen Jahr auf rund 550 Flugzeuge erhöhen; denn Airbus hat eine Ausweitung der monatlichen Produktionsrate bei der A320-Familie angekündigt und will zudem mehr A380-Megajets als im vorigen Jahr ausliefern. "Unser Auftragsbestand sichert uns sieben bis acht Jahre Auslastung bei voller Produktion", sagte ein Firmensprecher. Im Jahr 2012 will Airbus wie schon im vorigen Jahr europaweit 4000 Mitarbeiter einstellen.


Einzelhandel

Der Hamburger Einzelhandel rechnet für das vergangene Jahr mit einem Plus von maximal zwei Prozent. "Wir hatten mehr erwartet, aber der warme Winter hat vor allem den Textileinzelhandel und den Schuhhandel Umsatz gekostet", sagt Wolfgang Linnekogel, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes. Für 2012 wagt er nur eine vorsichtige Schätzung: maximal zwei Prozent Zuwachs beim Umsatz im Hamburger Einzelhandel. "Ich hoffe, dass sich die Kaufbereitschaft der Hamburger bei langlebigen Konsumgütern fortsetzt", sagt Linnekogel.

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Handwerk

Das Hamburger Handwerk hat 2011 besser abgeschnitten als die Gesamtwirtschaft. "Für die Hamburger Gewerke rechnen wir beim Umsatz mit einem Plus von fünf Prozent", sagt Ina Diepold, Sprecherin der Handwerkskammer Hamburg. Für das laufende Jahr planen die Handwerker vorsichtiger. Nur 20 Prozent erwarten eine bessere Umsatzentwicklung als 2011. 68 Prozent sehen ihre Geschäftslage auf unverändertem Niveau. Immerhin wollen 13 Prozent der Firmen auch ihre Mitarbeiterzahl in diesem Jahr ausweiten.

Hafen

Die Entwicklung der maritimen Wirtschaft hängt vom Welthandel ab. Hamburgs Hafen ist mit seinen Terminals und Hinterlandanbindungen sehr gut positioniert. Die Terminalbetreiber HHLA und Eurogate rechnen mit wachsenden Umschlagzahlen im wichtigen Containergeschäft. Die Linienschifffahrt leidet unter einem harten Konkurrenzkampfder Marktführer Maersk und MSC. Deutschlands führende Containerreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd fürchten auch für dieses Jahr negative Auswirkungen auf ihre Ergebnisse, wenn die beiden größeren Konkurrenten die Frachtraten - die Transportpreise für die Container - weiterhin drücken. Besonders schwierig sieht die Lage für die sogenannten KG-Reeder aus, die ihre Schiffe anLinienreedereien vermieten.Hamburg ist die weltweite Hochburg für die Vercharterung von Containerschiffen. Die Branche leidet an stark wachsenden Überkapazitäten vor allem bei den mittleren und kleineren Schiffsgrößen. Als eine erste Konsequenz daraus übernimmt E.R. Capital Holding mit ihrer Reederei E.R. Schiffahrt demnächst den kleineren Hamburger Konkurrenten Komrowski.

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Groß- und Außenhandel

Die Unternehmen des Hamburger Verbandes für den Groß- und Außenhandel (AGA) verzeichneten 2011 einen sehr guten Umsatzzuwachs von durchschnittlich sechs Prozent. Das wirkte sich auch positiv auf die Beschäftigung aus. "Allein in Hamburg wurden mehr als 900 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch unsere Branche geschaffen", sagt AGA-Präsident Fabian Kruse. Auch für 2012 haben die Firmen des Hamburger Groß- und Außenhandels positive Erwartungen. Sie rechnen mit weiteren Umsatz- und Personalzuwächsen. "Hamburg und Norddeutschland sind auch 2012 das Kraftzentrum des Groß- und Außenhandels", so Kruse.