Der mittlerweile 60-Jährige ist wieder im Geschäft. Der einstige Chef der Kultagentur Springer & Jacoby möbelt nun alte Marken auf.

Hamburg. Wer zu Manfred Schüller will, muss an der Löwengrube vorbei. So nennen sie in der Agentur Nordpol ihren verglasten Fahrstuhlschacht, auf dessen Boden gülden schimmernde Trophäen liegen. Es sind die 28 Goldenen Löwen des Werbefestivals von Cannes, die die Werber mit Sitz am Ballindamm bisher gewonnen haben.

Die Nonchalance, mit der hier begehrte Auszeichnungen der Branche zur Schau gestellt werden, gefällt Schüller. Seit gut einem Jahr berät er Nordpol. Die Agentur erinnert ihn an Springer & Jacoby. Für die legendäre Hamburger Ideenschmiede, die nach Jahren des Missmanagements vor zwei Monaten Insolvenz anmelden musste, hat er mehr als 17 Jahre gearbeitet, davon acht Jahre als Geschäftsführer. Seit dieser Zeit gilt er als einer der Großen der deutschen Werbebranche.

"Springer & Jacoby wollte immer die Nummer eins in der Kommunikation sein", sagt Schüller. "Und das strebt Nordpol im Rahmen der veränderten Medienlandschaft ebenfalls an." Es gibt noch weitere Parallelen. Beide Agenturen gewannen den extrem selten verliehenen Grand Prix des Art Directors Clubs Deutschland (ADC).

Auch die Vorzeigespots der Agenturen sind laut Schüller ebenbürtig: Bei Springer & Jacoby war das der Werbefilm für Mercedes-Benz, in dem eine Ehefrau ihren Mann ohrfeigt, weil der ihr erzählt hat, er sei wegen einer Autopanne zu spät nach Hause gekommen. Denn ein Mercedes hat keine Panne. Nordpol hat mit dem Spot, in dem eine deutsche Weißwurst, japanisches Sushi und ein französisches Baguette einen Crashtest überstehen müssen, Werbegeschichte geschrieben. Weißwurst und Sushi sind danach Mus, nicht aber das Baguette, das für den Nordpol-Kunden Renault steht.

Nun ist der mittlerweile 60 Jahre alte Schüller, der beinahe der Vater der knapp 20 Jahre jüngeren Nordpol-Gesellschafter Mathias Müller-Using und Lars Rühmann sein könnte, wieder im Geschäft. Schon Anfang 2009 meldete das "Manager Magazin", Schüller werde bei Nordpol einsteigen. Er hat das immer dementiert. "Ich bin zentraler Berater der gesamten Agentur und darüber hinaus Sparringspartner von Rühmann und Müller-Using."

Allerdings hat er nun gemeinsam mit den beiden die Agentur X Pol gegründet, die Marken neu positionieren soll. Einer der ersten Kunden ist der Mobilfunknetzbetreiber Vodafone, für den Schüller und seine Partner die 2001 eingemottete Marke Otelo wiederbeleben sollen. Auch für den Otto-Versand möbelt X Pol eine Marke auf. Dabei dürfte es sich um Quelle handeln. Die Markenrechte an dem einstigen Wettbewerber hält mittlerweile Otto. Und schließlich entwickelt X Pol zusammen mit Nordpol für einen großen Verlag eine neue Zeitschrift.

Geplant war das so nicht. "Ursprünglich wollte ich mit 55 nicht mehr arbeiten", sagt Schüller. Doch nach seinem Ausstieg bei Springer & Jacoby bekam er das Angebot, Deutschland-Chef des französischen Agenturnetzwerks Publicis zu werden. Dem konnte er nicht widerstehen. Aber nach knapp drei Jahren merkte er, dass er "keine Lust" hatte, "mir in großen Agenturen politisches Gedöns anzuhören". Anfang 2008 verließ Schüller Publicis wieder.

Nach Ruhestand war dem gebürtigen Hamburger aber immer noch nicht zumute. Was hätte er auch anderes machen sollen? Er wollte ja sein Leben lang nur in die Werbung. "Schon in meinem Jugendzimmer hingen neben Postern der Rolling Stones Bilder des Werbefotografen Charles Wilp."

Und so entschloss Schüller sich, bei Nordpol noch einmal richtig durchzustarten. Er kannte die Agentur noch aus seiner Zeit bei Publicis, weil beide Häuser für Renault arbeiten. Seine neuen Mitstreiter profitieren nun von Schüllers exzellenten Kontakten. Die Verbindung zwischen dem FC St. Pauli, in dessen Freundeskreis Schüller sitzt, und dem Nordpol-Kunden und bisherigen Hauptsponsor des Vereins Dacia fädelte er ein. Und kürzlich zeigte er der Bertelsmann-Erbin Brigitte Mohn die Löwengrube bei Nordpol. Sie sitzt wie er im Vorstand der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe.