Auf sieben Euro die Stunde kommen Eintüter an den Kassen - dank Trinkgeldern, ein Gehalt kriegen sie nicht. Ver.di beklagt Ausbeutung.

Hamburg. In den USA gehören sie schon lange zum Alltag: die Helfer an den Supermarktkassen, die den Kunden die Einkäufe in Tüten packen. In Deutschland sind sie bisher nur vereinzelt anzutreffen - in einigen Supermarktfilialen in Süddeutschland. Es sind Schüler oder Studenten, die kein festes Gehalt bekommen, sondern nur Trinkgeld vom Kunden. Die Idee hatte der studierte Theologe Martin Lettenmeier, der inzwischen über seine Firma Friendly Service gut 700 junge Menschen an Dutzende Einzelhändler vermittelt hat. "Und unser Umsatz wächst stetig", sagt er.

Hauptkunde von Friendly Service ist der Hamburger Lebensmittelanbieter Edeka, der die Null-Euro-Kräfte in mehr als 30 Märkten in Süddeutschland einsetzt. Und auch die Hamburger Drogeriekette Budnikowsky startete jüngst einen Test mit den Schülern und Studenten in ihren Filialen im Altonaer Einkaufszentrum Mercado und am Mühlenkamp in Winterhude, wie nun bekannt wurde. Doch wegen eines kritischen Berichts des Wirtschaftsmagazins "Impulse" stoppte das Unternehmen den Versuch gestern. "Wir haben den Test abgebrochen, weil wir keine Menschen ausnutzen wollen", sagt Budnikowsky-Inhaber Cord Wöhlke dem Abendblatt. Er begründet die Entscheidung für den Test der Niedriglohnkräfte damit, dass Kunden und die Eintüter selber mit dem Service der Vermittlungsfirma zufrieden gewesen seien. "Ich hätte mir gewünscht, dass die jungen Leute dadurch eine Chance bekommen, etwas dazuzuverdienen", sagt Wöhlke, der nach dem Bericht allerdings um das Image seiner Drogeriekette fürchtete.

Lettenmeier verteidigt sein Geschäftskonzept gegen Kritik. Durchschnittlich gut sieben Euro könnten die Hilfskräfte verdienen, sagt er. "Am vergangenen Wochenende lag der Schnitt bei zwölf Euro", so der 48-Jährige. "Da werden sogar die fest angestellten Kassiererinnen neidisch, die häufig weniger bekommen." Lettenmeier erhält für die Vermittlung drei bis vier Euro pro geleistete Arbeitsstunde der Packer von den Supermärkten. In diesem Jahr wird es der Gründer damit nach eigenen Angaben auf einen Umsatz von 200 000 Euro bringen.

"Das ganze System ist äußerst fragwürdig", sagt Ulf Kalkmann vom Hamburger Einzelhandelsverband. Zumindest ein kleines Fixum sollten die Packer erhalten, "sonst müssen sie das ganze Risiko selber tragen".

Ver.di-Sprecher Christoph Schmitz nennt die Praxis "Ausbeutung". Der Chef selber mache mit den Supermärkten Verträge und lasse sich bewusst nicht an den Trinkgeldern beteiligen, sagt der Gewerkschafter. So könne er mit festen Einnahmen kalkulieren, die Jobber aber nicht. "Er nutzt die Gutmütigkeit der Kunden und die Notlage der Schüler und Studenten aus."

Hauptkunde Edeka sieht diese Bedenken bei Friendly Service nicht: "Die jungen Leute und die Kunden sind sehr zufrieden", so Edeka-Sprecher Alexander Lüders. Allerdings werde Edeka den Service nicht in Richtung Norddeutschland ausweiten. Lüders begründete dies mit "Mentalitätsunterschieden".

Friendly-Service-Gründer Lettenmeier erkennt selber "kapitalistische Züge" in seinem System. Vor allem darin, dass die Leute mit dem höchsten Trinkgeld in der Personaleinsatzplanung bevorzugt würden. Die 14 studentischen Aushilfskräfte, die den Einsatz seiner Eintüter auf 400-Euro-Basis organisieren, pflegen den Tagesverdienst jedes einzelnen Null-Euro-Jobbers dazu in eine Datenbank ein. Ursprünglich zielte Lettenmeier mit seiner Firma darauf ab, Hartz-IV-Empfänger im Kundenservice zu schulen und wieder in eine geregelte Arbeit zu vermitteln. Er war für sein Engagement in diesem Bereich 2006 sogar mit dem Ideenpreis der Körber-Stiftung ausgezeichnet worden.