Viele versuchen den Neuanfang aus der Arbeitslosigkeit heraus. Der Staat stellt Fördermittel zur Verfügung.

Hamburg. Anke Baumgarten öffnet ein kleines Kästchen. In seinem Inneren glitzern weiße und farbige Diamanten. "Diese Brillanten haben eine Größe von bis zu 0,08 Karat", erklärt die Goldschmiedemeisterin und Schmuckdesignerin. Sie steht am Tresen ihres Schmuckladens in den Colonnaden. Hier berät Baumgarten ihre Kunden. "Bei mir findet jedes Paar seine individuell gestalteten Ringe, in denen seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommt", erzählt sie. Sie ist eine von 1303 Hamburgern, die sich im ersten Halbjahr des Jahres im Einzelhandel selbstständig gemacht haben. Überraschend daran: Trotz der Wirtschaftskrise ist die Zahl nach Angaben der Hamburger Handelskammer um 108 Personen gestiegen. "Gerade die wirtschaftlich schwierige Zeit sorgt für mehr Existenzgründer", sagt Jürgen Mehnert, Gründungsexperte der Handelskammer. Der Grund: "Wir beobachten, dass sich immer mehr Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen."

Finanzielle Anreize dafür gibt es sowohl bei der Agentur für Arbeit als auch der Arbeitsgemeinschaft/Team Arbeit Hamburg. Nach eigenen Angaben fördert die Arbeitsagentur jeden Monat durchschnittlich 330 Neugründer mit dem Gründungszuschuss. Durchschnittlich erhalten sie 11 000 Euro. Die Förderung läuft über neun Monate, wobei 300 Euro zusätzlich zum Arbeitslosengeld I gezahlt werden. Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld II hat, kann einen einmaligen Zuschuss von 5000 Euro und ein Darlehen von bis zu 10 000 Euro von der Arbeitsgemeinschaft bekommen. Dazu gibt es für sechs bis 24 Monate ein Einstiegsgeld das 50 bis 100 Prozent der Regelleistung beträgt und neben dem monatlichen Satz gezahlt wird. Auch Anke Baumgarten profitierte von dem Gründungszuschuss. Sie hatte keine Bedenken, sich in der Krise selbstständig zu machen. Die Situation mache ihr "eher Mut", sagt die 43-Jährige.

Dennoch sollte der Sprung in die Selbstständigkeit - so originell das Unternehmenskonzept auch sein mag - gut überlegt werden. So verzeichnet das Statistische Bundesamt bis einschließlich September einen Umsatzrückgang im Einzelhandel von rund 2,4 Prozent. Auch das Käuferverhalten hat sich laut Handelskammer-Experte Mehnert verändert. "Durch die wachsende Popularität des Onlinehandels ist der Wettbewerb für den stationären Einzelhandel intensiver geworden. Viele Unternehmen machen aber auch sehr gute Erfahrungen mit Multichanneling: Sie betreiben sowohl den Online- als auch den stationären Handel", sagt Mehnert. So ist die größte Gruppe der Existenzgründer in Hamburg mit 174 Anmeldungen der Bereich Versand- und Onlinehandel.

In Hamburg sieht die Lage des Einzelhandels im Vergleich besser aus. Hier ist der Umsatz nicht rückläufig, aber nach Angaben des Einzelhandelsverbands gibt es auch keine Steigerung. Die Zahl der abhängig im Einzelhandel beschäftigten blieb ebenfalls konstant bei 55 000. "Wir haben das Gefühl, dass die Menschen weiter gut konsumieren, weil sie die Krise weitgehend aus ihrem Leben ausblenden", meint Verbandssprecher Ulf Kalkmann. Vor allem das angelaufene Weihnachtsgeschäft sorge planmäßig für gute Umsätze. Zudem führt Kalkmann die Stabilität des Hamburger Einzelhandels auf die wachsenden Tourismuszahlen in der Hansestadt zurück - bis August stieg die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum laut Statistikamt Nord um fünf Prozent.