Die Zahl der Piratenangriffe auf See steigt: Betroffen sind vor allem deutsche Reeder mit kleinen Frachtern, die leicht zu kapern sind.

Hamburg. Es ist der Morgen des 10. November, die "Felicitas Rickmers" hat Kurs auf Mombasa gesetzt. Der Containerfrachter steht Hunderte von Meilen im Indischen Ozean und doch nähert sich ein offenes Boot - Piraten. Mit automatischen Waffen eröffnen sie das Feuer, aber die chinesische Mannschaft, die auf dem mit einer Kapazität von 2000 Standardcontainern eher kleinen Schiff unterwegs ist, ist auf der Hut. Mit erhöhter Geschwindigkeit und Ausweichmanövern können sie entkommen.

Die Gefahr, von Piraten überfallen zu werden, nimmt in der internationalen Seeschifffahrt deutlich zu. Von Januar bis September hat das Internationale Maritime Büro in London, das zur Internationalen Handelskammer (ICC) gehört, bereits 306 Angriffe gemeldet, nachdem es im gesamten vergangenen Jahr 293 waren. Allein 50 der Angriffe betrafen von deutschen Reedereien gemanagte Schiffe, nachdem es 2008 noch insgesamt 41 waren.

"Deutsche Schiffe werden am häufigsten angegriffen", sagt Hans-Heinrich Nöll, der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Hintergrund: Zum einen steuern deutsche Reedereien die weltweit drittgrößte Flotte und dazu sind darunter viele kleinere Frachter, bei denen die Piraten leichter an Bord kommen.

"Das derzeit gefährlichste Seegebiet, in denen Frachter überfallen werden, ist längst nicht mehr nur auf die Küste vor Somalia und den Golf von Aden beschränkt. Es dehnt sich immer mehr nach Osten und Süden in den Indischen Ozean aus", sagt Sven Gerhard, der Verantwortliche für die Schiffs-Kasko-Versicherung bei der Allianz-Tochter Global Corporate & Specialty. Das Unternehmen zählt mit 2500 Beschäftigten zu den führenden Transport-, Manager- und Spezial-Versicherern weltweit.

Als Hauptziel von Piraten gilt an Afrikas Ostküste die Erpressung von Lösegeld, sei es für die Schiffe oder für die Besatzungen, die immer häufiger als Geiseln genommen werden. Das ist eines der Ergebnisse der Studie "Piraterie - ein altes Risiko mit neuem Gesicht", die die Allianz-Tochter jetzt vorgelegt hat. Allein siebenmal wurden bisher Schiffe aus Deutschland entführt, vier davon in diesem Jahr. Am schlimmsten erwischte es die "Hansa Stavanger" der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg, die vier Monate in der Gewalt der Seeräuber blieb. Bis sie für 2,1 Millionen Euro freigekauft wurde.

"Wir prüfen derzeit, ob für die Zukunft eine neue Lösegeldversicherung eingeführt werden soll", sagt der Hamburger Jurist Gerhard. Damit könnte künftig Reedern geholfen werden, die für ihre gekidnappten Besatzungen rasch hohe Geldbeträge in bar aufbringen müssten. Noch aber stünden keine Tarife für ein solches Angebot fest. Überlegt werde auch, inwieweit die Charterreedereien in einem solchen Fall beteiligt werden müssten.

Derzeit würden Piratenüberfälle immer häufiger über die Kriegsversicherungen der Frachter geregelt. Hier könne die Prämie besser an das Risiko angepasst werden. Kasko-Versicherungen, bei denen Kriegs- und Terrorismus-Risiken ausgeschlossen sind, übernehmen dagegen allenfalls Schäden nach einem Beschuss, langem Festliegen der Frachter oder wenn die Ladung geplündert wurde.

Vor allem an der Küste von Somalia sowie im Golf von Aden haben Piraten in den vergangenen Jahren rund 150 Millionen Dollar an Lösegeldern erbeutet, heißt es in der Studie. "Dies wird genutzt, um noch wirksamere Waffen, größere und schnellere Boote und eine verbesserte Ausrüstung zu kaufen."

Abwehrmaßnahmen hängen vom jeweiligen Einzelfall ab. Auf Schiffen können unter anderem nachts mehr Wachen eingesetzt werden, die Geschwindigkeit lässt sich wie bei der "Felicitas Rickmers" erhöhen, um die angreifenden Boote abzuhängen. Piraten lassen sich aber auch mit Wasser aus Schläuchen vertreiben. Zudem werden Maschinen angeboten, deren Geräusche menschlichen Ohren heftige Schmerzen bereiten.