Gekaperte “Hansa Stavanger“ aus Hamburg sollte offenbar von GSG 9 gestürmt werden.

Hamburg. Im Golf von Aden spielen sich derzeit dramatische Szenen ab. Bei der gewaltsamen Befreiung des entführten Segelschiffs "Tanit" durch französische Spezialkräfte wurde Freitag erstmals eine Geisel getötet. Der Elysee-Palast teilte am Abend in Paris mit, bei dem Todesopfer handele es sich um den Vater des einzigen Kindes an Bord der "Tanit". Er sei bei dem Schusswechsel zwischen französischen Spezialkräften und den Piraten getroffen worden. Die vier anderen Geiseln seien wohlauf.

Verteidigungsminister Herve Morin teilte in Paris mit, zuvor hätten Unterhändler den Piraten Lösegeld für eine friedliche Lösung angeboten. Dies hätten die Piraten aber zurückgewiesen. Eine Summe nannte Morin nicht. Das Segelboot war am vergangenen Sonnabend von Piraten gekapert worden.

Gleichzeitig setzt die US-Marine alles daran, den entführten US-Kapitän Richard Phillips von der "Maersk Alabama" aus den Händen der Piraten zu befreien. Die "USS Boxer", ein riesiges amphibisches Landungsschiff, werde in Kürze das Gebiet der Geiselnehmer vor der Küste von Somalia erreicht haben, verlautete Freitag aus dem US-Verteidigungsministerium. Das Flaggschiff der multinationalen Seestreitkräfte ist eine Art kleiner Flugzeugträger mit einer Besatzung von mehr als 1000 Mann, einem Krankenhaus, Raketenwerfern und rund zwei Dutzend Hubschraubern und Kampfflugzeugen.

Kapitän Phillips war als Geisel genommen worden, als die Besatzung der "Maersk Alabama" am Mittwoch die Piraten von dem Schiff vertrieben hatte. Seitdem treibt er mit vier Entführern ohne Treibstoff in einem Beiboot auf dem Indischen Ozean. Die Piraten drohen mit seiner Ermordung und fordern angeblich auch Lösegeld.

In nächster Nähe des Beiboots sind bereits zwei andere US-Kriegsschiffe: die "USS Bainbridge" und die "USS Halyburton". Als die "USS Bainbridge" und ein Aufklärungsflugzeug Freitag das Beiboot umzingelten, riefen die Piraten offenbar Komplizen zu Hilfe. Sie sollen nun auf vier zuvor gekaperten Schiffen unterwegs sein. Dazu gehört nach Informationen der Nachrichtenagentur AP auch die vor einer Woche entführte "Hansa Stavanger" aus Hamburg. Ungewiss ist weiterhin das Schicksal von fünf Deutschen und weiteren 19 Seeleuten, die an Bord der "Hansa Stavanger" sind. Ein Versuch der Eliteeinheit GSG 9, das Schiff zu befreien, ist offenbar gescheitert - das berichten "Spiegel" und "Focus".

Laut "Spiegel" schlug die Aktion fehl, weil die Piraten das Schiff zu schnell verstecken konnten. Auch die deutsche Fregatte "Rheinland-Pfalz habe abdrehen müssen, weil die Piraten drohten, die Besatzung der "Hansa Stavanger" zu töten. Nach Angaben des "Focus" scheiterte die Befreiung hingegen an Kompetenzschwierigkeiten. Die Marine, die innerhalb der EU-Mission "Atalanta" Piratenangriffe abwehren soll, habe die Einsatzführung beansprucht. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) pochte aber darauf, dass die Befreiung deutscher Geiseln Sache der Bundespolizei und damit der GSG 9 sei. Das Innenministerium wollte sich dazu am Freitag nicht äußern.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte Aufklärung. "Die Regierung muss auch dazu Stellung nehmen, ob Berichte über Kompetenzstreitigkeiten, die einen erfolgreichen Einsatz behindern, zutreffen", sagte er dem Abendblatt. Er forderte, auch dagegen vorzugehen, dass die Piraten von Mutterschiffen aus operieren. "Das Bundestagsmandat macht ausdrücklich die aktive Bekämpfung der Mutterschiffe möglich und muss von der Bundesregierung endlich auch konsequent umgesetzt werden."

Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) schlug vor, einen internationalen Gerichtshof zur Verfolgung von Piraterie einzurichten. Deutschland hat bisher zweimal Piraten an Kenia für den Prozess überstellt. Das sei auf Dauer keine Lösung. Deshalb solle zügig geprüft werden, "diesen Gerichtshof in Hamburg beim Internationalen Seegerichtshof aufzubauen".

Ein gekaperter norwegischer Tanker ist nach Erhalt von Lösegeld von somalischen Piraten Freitag freigelassen worden. Ein Sprecher der Reederei Salhus Shipping AS bestätigte am Telefon lediglich, dass das Schiff wieder frei sei. Weitere Details wollte er nicht nennen.