125 Fahnder durchsuchten Büros und Wohnungen - elf hochrangige Mitarbeiter des Hamburger Solarenergie-Unternehmens Conergy stehen unter anderem unter Verdacht der Bilanzfälschung.

Hamburg. Im Jahr 2007 war Conergy noch das Vorzeigeunternehmen Hamburgs. Sein Gründer, Hans-Martin Rüter, wurde zum "Entrepreneur des Jahres" gewählt, er galt als einer der wichtigsten Visionäre der Solarbranche, die Aktie war ein Liebling der Anleger.

Das ist Geschichte: Missmanagement, horrende Verluste und die Finanzkrise haben das Unternehmen abstürzen lassen. Und damit nicht genug. Gestern haben Staatsanwälte mehrere ehemalige Manager ins Visier genommen. Am Dienstag und am Mittwoch durchsuchten zwei Staatsanwälte und 125 Polizisten insgesamt 24 Büros und Wohnungen von (ehemaligen) Conergy-Mitarbeitern.

Die Ermittler werfen elf hochrangigen Managern vor, in der Zeit von November 2006 bis Dezember 2007 gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen zu haben. Sie sollen Geschäftszahlen gefälscht, Ad-hoc-Mitteilungen mit überhöhten Gewinnerwartungen veröffentlicht und damit den Aktienkurs in die Höhe getrieben haben. Bis November 2007 war Gründer Rüter Vorstandschef bei Conergy. Konkrete Namen der Beschuldigten wollte die Staatsanwaltschaft nicht nennen. "Das war aber nicht die Putzfrau", sagte Sprecher Wilhelm Möllers.

"Das ist eine Katastrophe"

"Es liegt nahe, dass sich die Beteiligten auch selber bereichert haben", sagte Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die auf den Hauptversammlungen von Conergy diese Verdächtigungen immer wieder hinterfragt hatte. Dass das Unternehmen jetzt erneut mit diesen Anschuldigungen in Verbindung gebracht werde, sei angesichts der schwierigen Lage in der Branche eine "Katastrophe", so Cabras.

Bei den Durchsuchungen wurde laut Staatsanwaltschaft nun umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Durchsucht wurde außer in Hamburg auch in München, Berlin, Stuttgart und im Hamburger Umland. Rüter selber wollte sich gestern gegenüber dem Abendblatt nicht zu den Vorgängen äußern. Conergy-Sprecherin Yvonne Deters betonte, dass nicht gegen das Unternehmen selbst ermittelt werde, sondern gegen bei Conergy beschäftigte "Privatpersonen".

Bereits Ende 2008 hat eine Münchner Anwaltskanzlei eine Schadenersatzklage gegen Conergy eingereicht, in der von unzulässigen Bilanzierungsmethoden in den Jahren 2006 und 2007 die Rede ist. Das Unternehmen war Ende 2007 nur knapp an der Pleite vorbeigeschrammt. Damals nahm die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Ermittlungen auf, bestraft wurde die Firma aber nicht.

Bei Conergy sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht die einzigen Negativmeldungen der vergangenen Wochen und Monate. Seit der Fastpleite baut der frühere Tchibo-Manager und Conergy-Großaktionär Dieter Ammer das Unternehmen um. Er konnte es aber nicht verhindern, dass der Solarspezialist 2008 noch tiefer in die roten Zahlen rutschte. Unter dem Strich stand ein Verlust von 307 Millionen Euro. Erschwert wird eine Erholung des Unternehmens durch die angespannte Lage für die Solarbranche. So brach der Umsatz im ersten Quartal 2009 um 70 Prozent auf 65 Millionen Euro ein, die Aktie fiel von ihrem Höchststand bei 23 Euro im Herbst 2007 auf nun 63 Cent. Zudem ist von einer Massenflucht von Fach- und Führungskräften die Rede.

Auf der Hauptversammlung von Conergy vor wenigen Tagen verweigerten die Aktionäre Rüter zudem wegen angeblicher Fehlentscheidungen die Entlastung. Es geht dabei vor allem um einen milliardenschweren Liefervertrag, bei dem nach Meinung der Aufsichtsräte viel zu schlechte Konditionen vereinbart wurden. Die Anteilseigner folgten dabei dem Vorschlag von Vorstandschef Ammer, der auf seinem bisherigen Karriereweg viele Erfolge verbuchen konnte. Er machte Nordzucker zu einem der größten Anbieter der Branche, verkaufte die Biermarke Beck's teuer an Inbev und kaufte als Chef von Tchibo Beiersdorf. Pikant: Ammer ist der Onkel Rüters und zählte von Beginn an zu seinen Geldgebern.