Madrider Regierung will bis zu 100 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsfonds. Hilfsaktion löst weltweit Erleichterung aus

Madrid. Mariano Rajoy steht in dem Ruf, selbst in schlimmen Krisensituationen die Ruhe zu bewahren. An dem Wochenende, an dem Spanien die EU um Milliarden-Hilfen für seine Banken bitten musste, hatte der Regierungschef nur einen offiziellen Termin in seinem Kalender: Besuch des Spiels Spanien gegen Italien bei der Fußballeuropameisterschaft. Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über das Hilfegesuch an Brüssel überließ er seinem Wirtschaftsminister Luis de Guindos.

Damit wollte Rajoy den Anschein erwecken, als wäre nichts Gravierendes geschehen. Er löste aber eine Welle von Protesten aus. "Rajoy versteckt sich hinter seinem Minister", titelte die Presse. Daraufhin berief der Regierungschef gestern - kurz vor seinem Abflug zur EM nach Polen - eine Pressekonferenz ein. Von einer Flucht unter den EU-Rettungsschirm wollte er aber nichts wissen. "Für die Banken wurde eine Kreditlinie geöffnet", sagte er.

Das Wort "rescate", der spanische Begriff für "Rettung", ist für die Madrider Regierung zu einem Unwort geworden. Rajoy würde es wohl am liebsten aus dem spanischen Wortschatz streichen. Ihm passt es nicht, dass die EU-Hilfen für die Banken als "Rettung" bezeichnet werden. Denn dadurch wird die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone in die Nähe von Ländern wie Griechenland, Portugal und Irland gerückt, die bereits unter den EU-Rettungsschirm flüchten mussten.

Spanien hat nach langem Sträuben am Wochenende die bittere Pille geschluckt, dass es für eine Sanierung der maroden Banken Hilfen von der EU benötigt. Als viertes Land der Eurozone flüchtet es unter den europäischen Rettungsschirm. Zur Lösung seiner Bankenkrise kann Madrid auf Notkredite von bis zu 100 Milliarden Euro bauen. Das vereinbarten die Finanzminister der Eurozone am Sonnabend in einer dreistündigen Telefonkonferenz.

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Die Spanien-Hilfe ist eine Premiere: Anders als in Griechenland, Portugal und Irland wird es erstmals spezielle Hilfen zur Stabilisierung des wankenden Bankensystems geben. Damit entgeht die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone den in Madrid befürchteten strengen Auflagen und Kontrollen seines Staatsbudgets. Aber Spanien muss seinen Bankensektor reformieren und für marode Geldhäuser Sanierungspläne vorlegen. Das könnte im Extremfall auch die Schließung einzelner Institute bedeuten. Die Auflagen werden sich an den EU-Beihilferegeln orientieren.

"Die Kredite werden umfangreich genug sein, um einen Damm zu bilden, der alle möglichen Kapitalbedürfnisse auffangen kann", heißt es in einer Erklärung der Minister. Die Notkredite werden an den spanischen Bankenrettungsfonds Frob fließen, der es an Not leidende Banken weitergebe. Verantwortlich für die Rückzahlung werde die spanische Regierung sein.

Die Hilfsaktion für Spanien löst weltweit Erleichterung aus: US-Finanzminister Timothy Geithner sprach von einem konkreten Schritt auf dem Weg zu einer Fiskalunion, die für die Belastbarkeit der Eurozone lebenswichtig sei. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, erklärte, die Höhe der Notkredite von bis zu 100 Milliarden Euro passten zu dem vom IWF festgestellten Kapitalbedarf von mindestens 40 Milliarden Euro. Der IWF hatte bisher bei europäischen Rettungsaktionen rund ein Drittel der Lasten getragen. Bei der Hilfe für Spanien würden nur die Europartner Kredite geben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, dank bisheriger Reformen seien die größten spanischen Banken gut durch die Krise gekommen. "Ein Teil des Finanzsektors muss jedoch noch die Nachwirkungen des Platzens der spanischen Immobilienblase verarbeiten, was aufgrund der damit erforderlichen Abschreibungen zu einem nicht unerheblichen Kapitalbedarf führt."

Ein offizieller Antrag wird von Madrid erst in den nächsten Wochen vorgelegt, wenn der genaue Kapitalbedarf beziffert werden kann. Die Regierung wartet dazu nach den Worten von Wirtschaftsminister Luis de Guindos noch auf zwei Gutachten der Beratungsgesellschaften Oliver Wyman (USA) und Roland Berger (Deutschland). Diese sollen noch im Juni kommen. Rajoy sagte zur Summe von 100 Milliarden Euro: "Die Erfordernisse des spanischen Bankensektors sind nicht so groß. Aber die spanische Regierung entschied, um ein zusätzliches Polster zu bitten. Damit sollte für die Märkte ein klares Zeichen gesetzt werden."