Die Euro-Zone bleibt dennoch in einer heiklen Situation. Die Kanzlerin fürchtet, dass Defizitstaaten in ihrem Reformeifer nachlassen.

Brüssel. Die Europäische Union verpflichtet sich auf ein strengeres Spardiktat und wirbt so um Vertrauen in der Welt: Europa müsse nun zeigen, dass gemeinsame Regeln auch umgesetzt und eingehalten würden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel. Nur dann werde Europa als Ganzes im weltweiten Wettbewerb mithalten können. Merkel versuchte nach dem EU-Gipfel, den Eindruck zu zerstreuen, nun könne man sich zurücklehnen: "Nur weil wir diesmal vor Mitternacht fertig waren, heißt das nicht, dass dies ein ganz normaler Rat war", sagte sie. Nach wie vor befinde sich die Euro-Zone in einer "fragilen Situation" betonte Merkel: "Die Krise ist nur beruhigt, nicht überwunden." Und die Ruhe ist teuer erkauft.

Die Europäische Zentralbank (EZB) ertränkt die Märkte in Milliarden. Banken können sich Geld zu winzigen Zinssätzen leihen und sollen dafür Staatsanleihen kaufen. Deshalb können sich Spanien und Italien aktuell wieder zu erträglichen Konditionen verschulden. Die Gefahr ist allerdings, dass mit dem Druck auch der Reformeifer gemildert ist. Das weiß Merkel und mahnt: "Die nächsten zwei Jahre sind genauso entscheidend wie die letzten zwei Jahre." Eine Mahnung auch an Spanien: Der neue Ministerpräsident Mariano Rajoy rechnet für 2012 mit einem Defizit von 5,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bislang war von 4,4 Prozent die Rede gewesen. Rajoy sagte es zum Abschluss des Gipfels, und prompt stiegen die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen.

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Das ist der Plan der Staats- und Regierungschefs: Die Euro-Länder machen sich - geführt vom immer mächtigeren Rat der Regierungschefs, kontrolliert von der ebenfalls mächtiger werdenden EU-Kommission - nun daran, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Das soll internationale Investoren so beeindrucken, dass sie es irgendwann wieder wagen, in Euro-Ländern zu investieren - auch ohne billige Milliarden von der EZB.

Denn die große Geldschwemme soll eine einmalige Operation bleiben: "Wir werden abschließend keine weitere solche Maßnahme ergreifen. Die Liquidität wird wieder aus den Märkten herausgehen", versprach EZB-Präsident Mario Draghi in Brüssel. Am Morgen hatten 25 von 27 EU-Regierungschefs den neuen Fiskalvertrag unterzeichnet, der seine Mitglieder auf diszipliniertes Haushalten verpflichtet. Die Premierminister Großbritanniens und Tschechiens unterschrieben nicht. Der Fiskalpakt sei "ein erster Schritt auf dem Weg zur Stabilitätsunion, ein Schritt zur politischen Union", sagte Merkel, die auf den neuen Vertrag drängte wie keiner ihrer europäischen Kollegen, weil er Solidität als Voraussetzung für Solidarität festschreiben soll.

Hilfe aus dem permanenten Rettungsfonds ESM soll ein Land künftig nur bekommen, wenn es den Fiskalpakt ratifiziert hat. Damit nützt der Vertrag Merkel auch innenpolitisch - als Argumentationshilfe gegen diejenigen vor allem in der CSU, die genug geholfen haben wollen und eine Erhöhung des ESM ausschließen.

Begehrlichkeiten von den europäischen Partnern, den ESM zu erhöhen, konnte Merkel für diesmal abwehren. Das für die Bundeskanzlerin innenpolitisch heikle Thema spielte auf diesem Rat keine große Rolle. Tatsächlich muss der Steuerzahler zunächst im Ergebnis sogar weniger zahlen. Merkel hatte Anfang der Woche in ihrer Regierungserklärung angekündigt, Deutschland sei bereit, seine Einlagen für den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) schon früher als geplant einzuzahlen.

Dazu kommt es nun nur zum Teil. Die Staats- und Regierungschefs konnten sich nämlich nur darauf verständigen, in diesem Jahr schon zwei Fünftel der Summe zu zahlen. Deutschland muss insgesamt 32 Milliarden Euro überweisen. Die Erweiterung der Rettungsschirme dürfte allerdings schon bald dennoch diskutiert werden, das machten auf dem Gipfel Kommissionschef José Manuel Barroso und auch der italienische Premierminister Mario Monti klar. Wenn in der kommenden Woche der Umfang der privaten Gläubigerbeteiligung am griechischen Schuldenschnitt feststeht, dürfte die Debatte erneut aufflammen.

Der Fiskalvertrag zementiert, was im 20 Jahre alten Vertrag von Maastricht ohnehin schon festgelegt ist - allerdings auch oft gebrochen worden ist. Nun können Länder per Gerichtsurteil dazu verpflichtet werden, eine Schuldenbremse zu beschließen. Allerdings muss dazu einer der Unterzeichnerstaaten einen Sünder verklagen. In der Geschichte der EU kam es nur dreimal aufgrund einer Klage eines Landes gegen ein anderes zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Die Staaten scheuen die Klage, sie könnten ja beim nächsten Mal selbst betroffen sein.

Zwar konnte die Bundesregierung einen Quasi-Automatismus durchsetzen: Die Dreier-Gruppe aus vorangegangener, derzeitiger und kommender EU-Ratspräsidentschaft soll die Klage einreichen müssen. Dennoch bieten sich Hintertüren: Kann ein Land belegen, dass es "unfähig ist, aus vertretbaren Gründen allumfassender Natur zu handeln", wandert die Klagepflicht weiter. Flankiert werden soll der Vertrag von einer Wachstums- und Beschäftigungsstrategie für jedes Land. Ziel ist es, bis 2020 die Beschäftigungsquote in der EU auf 75 Prozent zu heben. So wollen die Regierungschefs es für Unternehmen attraktiver machen, Arbeitsplätze zu schaffen.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker will nicht mehr Präsident der Euro-Gruppe sein. Nach siebeneinhalb Jahren als Vorsitzender der Finanzminister der 17 Euro-Staaten wolle er Ende Juni kein neues Mandat mehr, sagte Juncker unter Hinweis auf die Euro-Schuldenkrise: "Es ist einfach ein echtes Zeitproblem." Bundeskanzlerin Merkel sagte: "Er hat eine ganz, ganz wesentliche Arbeit geleistet." Die Finanzminister hätten unter Junckers Leitung bei der Hilfe für Griechenland Hervorragendes möglich gemacht.