Laut einem OECD-Vergleich liegt Deutschland bei den Abgaben auf einem der Spitzenplätze. Besonders Alleinstehende werden zur Kasse gebeten.

Hamburg. Der Blick auf ihren Gehaltszettel macht viele Bürger jedes Mal wieder aufs Neue wütend. Einen nicht unerheblichen Teil ihres Bruttolohns müssen sie jeden Monat für Steuern und Sozialbeiträge abtreten. Und dieser Anteil liegt trotz mancher Absenkung in den vergangenen zehn Jahren immer noch deutlich höher als in vielen anderen Industrienationen.

Zwar sank die Gesamtbelastung je nach Haushaltstyp und Einkommensniveau seit dem Jahr 2000 insbesondere durch höhere Kinderfreibeträge. "Insgesamt wird der Faktor Arbeit in Deutschland aber noch immer deutlich stärker mit Sozialabgaben und Steuern belastet als in den meisten anderen OECD-Ländern", heißt es in einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Ob Alleinstehende oder Verheiratete, mit oder ohne Kinder - in allen Kategorien, mit Ausnahme verheirateter Eltern, belegt Deutschland in der Steuer- und Abgabenlast einen der fünf Spitzenplätze der 34 untersuchten Länder. Besonders hoch ist die Belastung für Alleinerziehende und alleinstehende Geringverdiener. Über die vergangenen zehn Jahre hinweg haben dagegen laut OECD-Bericht vor allem kinderlose Spitzenverdiener profitiert, da ihre prozentuale Besteuerung vergleichsweise stark reduziert wurde.

Gleichzeitig sind es aber auch diese Spitzenverdiener, die am stärksten zur Kasse gebeten werden. Alleinstehende Beschäftigte ohne Kinder, die ein überdurchschnittliches Gehalt beziehen, müssen 51,5 Prozent ihrer Einnahmen für Sozialabgaben und Steuern abtreten. Damit bleiben von jeweils 100 Euro verdientem Gehalt gerade einmal 48,50 Euro im Portemonnaie übrig.

Dies sind aber immerhin 4,8 Prozentpunkte weniger als noch vor zehn Jahren, als noch 56,3 Prozent Abgaben fällig wurden. Ein durchschnittlich verdienender Alleinstehender - 41 750 Euro Jahreseinkommen brutto zugrunde gelegt - muss 49,1 Prozent seines Gehalts abführen.

Ehepaare mit zwei Kindern kommen unterdessen schon deutlich besser weg. Arbeiten beide Partner, müssen sie zusammen rund 41,4 Prozent ihrer Einnahmen an die Staatskasse und für Sozialabgaben bezahlen. Auch dieser Satz liegt deutlich unter den Ausgaben von vor zehn Jahren, als noch 45,4 Prozent bezahlt werden mussten. Verdient nur ein Ehepartner, muss dieser nur noch 32,6 Prozent seines Arbeitseinkommens abtreten - im Jahr 2000 waren es 35,3 Prozent. Alleinerziehende mit zwei Kindern werden mit 29,7 Prozent zur Kasse gebeten. Damit sank ihre Steuerlast nur um zwei Prozentpunkte im Vergleich zu vor zehn Jahren.

Übertroffen wird Deutschland in der Steuer- und Abgabenbelastung von Frankreich und Belgien. In Belgien liegt der Spitzensteuersatz inklusive Abgaben bei 60,6 Prozent für kinderlose Alleinstehende, Frankreich knöpft verheirateten Eltern mit 42,1 Prozent die höchsten Beträge ab. Am niedrigsten liegen die Belastungen in Chile, die 6,2 Prozent Abgaben für die Löhne von verheirateten Eltern in Rechnung stellen. Aber auch die Schweiz fällt durch vergleichsweise niedrige Steuern und Abgabensätze auf: So zahlen kinderlose, alleinstehende Durchschnittsverdiener nur 20,8 Prozent, Verheiratete mit zwei Kindern sogar nur 8,3 Prozent.

Für den Vizepräsidenten des Bundes der Steuerzahler ist die OECD-Studie ein neuer Beleg dafür, "dass das Niveau der Steuerbelastung in Deutschland deutlich zu hoch ist", wie Reiner Holznagel dem Abendblatt sagte. "Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform, damit den Bürgern wieder mehr Geld in der Tasche bleibt."

Holznagel plädiert für mehr Flexibilität: "Die Tarife sollten alle zwei Jahre der Einkommensentwicklung angepasst werden, Inflationsraten müssen berücksichtigt werden. Erst dann bekommen wir eine gerechte Besteuerung, die auch die Kaufkraft der Bürger wieder stärkt." Andernfalls profitiere von Einkommenserhöhungen nur der Staat überdurchschnittlich. Und das sei nicht gerechtfertigt.