Noch heute sind die Erkenntnisse der „Apollo 11“-Mission von großem Nutzen für die Wissenschaft, so Planetenforscher Jürgen Oberst.

Hamburg. Und trotzdem: Auch 40 Jahre nach dem ersten Betreten des Mondes birgt der Erdtrabant noch viele Geheimnisse. Professor Jürgen Oberst, der für die Technische Universität Berlin und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet, wird zusammen mit NASA-Wissenschaftlern den Mond neu vermessen und dafür Daten einer Sonde nutzen, die den Mond vor wenigen Wochen erreichte. Seiner Meinung nach könnte eine bewohnte Mondstation schon in 15 Jahren Realität sein.

Hat das Betreten des Mondes der Wissenschaft etwas gebracht?

Oberst: „Aber natürlich. Das Wichtigste waren die Bodenproben. Im „Apollo“-Programm gab es ja insgesamt sechs Mondlandungen. Da kamen fast 400 Kilogramm Bodenproben zusammen. Sie sind noch immer von unschätzbarem Wert für die Planetenforschung.“

Was verraten die Proben?

Oberst: „Man hat die chemischen und mineralischen Bestandteile des Mondes bestimmen können. Davon hatte man ja vorher kaum genaue Vorstellungen. Man merkte zum Beispiel, dass der Mond eine Kruste hat und es vulkanische Gesteine gibt, ganz ähnlich wie die auf der Erde.“

Was sagten die Proben über das Alter des Mondes?

Oberst: „Dass er unheimlich alt ist: 3,8 bis circa 4,4 Milliarden Jahre. Anders als im Fall der Erde ist die gesamte Oberfläche des Erdtrabanten steinalt.“

Wie entstand er denn?

Oberst: „Mit letzter Gewissheit lässt sich das nicht sagen. Aber dank der Proben wissen wir nun, dass er entstanden sein muss, als es die Erde schon gab. Ein riesiger Asteroid, fast schon ein kleiner Planet, muss die Erde damals gerammt haben. Die Trümmer bildeten einen Gürtel um die Erde und daraus formte sich der Mond. Wir wissen: Der Mond war anfangs bis in große Tiefe geschmolzen.“

Lässt sich die NASA ihre Mondproben gut bezahlen?

Oberst: „Nein, im Prinzip sind sie kostenlos für Wissenschaftler. Aber man muss einen wirklich gut begründeten Antrag schreiben.“

Und das NASA-Mondgestein-Lager ist noch prall gefüllt?

Oberst: „Ja, das wird alles sauber und steril verwahrt und ein Großteil ist noch unangetastet. Auch in der Hoffnung, dass man in Zukunft die Möglichkeit hat, mit moderneren Methoden noch mehr herauszufinden.“

Was außer Gestein haben die Landungen noch gebracht?

Oberst: „Die Astronauten haben auf der Mondoberfläche Experimente aufgebaut, die teilweise über Jahre Ergebnisse zur Erde funkten.“

Einen Seismographen etwa. Bebt der Mond manchmal?

Oberst: „Oh ja. Die Seismographen-Station funkte bis 1977, da lag die letzte der sechs Mondlandungen schon fünf Jahre zurück. Wir wissen jetzt, dass der Mond anders als die Erde keinen Kern besitzt oder bestenfalls einen sehr sehr kleinen. Dank der Seismographen ließ sich auch die Mächtigkeit der Kruste bestimmen.“

Welche Experimente gab es noch?

Oberst: „Temperatur und Magnetfeld wurden gemessen. Und die Astronauten haben Reflektoren aufgestellt. Die können noch heute von der Erde aus mit Laserstrahl angepeilt werden. So kann man auf wenige Zentimeter genau die Mondentfernung und seine Umlaufbahn bestimmen.“

Haben die Astronauten den Mond angebohrt?

Oberst: „Ja, aber nur mit leichtem Gerät, etwa ein, zwei Meter tief.“

Warum wirkt der Mond von der Erde aus gesehen so fleckig?

Oberst. „Die dunklen Flecken sind gigantische Einschlagskrater, die mit erkalteter Lava gefüllt sind.“

Welche Geheimnisse birgt der Mond denn noch?

Oberst: „In den letzten Jahren kam die Frage auf, ob es auf dem Mond Wasser gibt. Es gibt Hinweise, dass sich in den ewig dunklen Kratern an den Polen Wassereis angesammelt haben könnte. Die Frage ist noch immer ungelöst. Beim Mars konnte Wasser klar nachgewiesen werden. Er ist durch die modernen Sonden sowieso weitaus besser erforscht als der Mond.“

Was müsste eine neue bemannte Mission klären?

Oberst: „Die Suche nach dem Wasser steht ganz vorne. Weite Teile der Mondoberfläche, besonders die Mondrückseite sind ja noch weitgehend unerforscht. Alle „Apollo“-Missionen landeten auf der ständig der Erde zugewandten Seite. Auf der Rückseite gibt es das riesige Südpol-Aitken-Einschlagsbecken - da würde man sehr gerne mal Proben holen, weil es dort so tief ist, dass man möglicherweise Gestein aus dem Mondmantel findet.“

Ist eines Tages Leben auf dem Mond denkbar?

Oberst: „So wir wir heute schon die Internationale Raumstation haben, ist es durchaus denkbar, dass es in 15 bis 20 Jahren eine Station auf dem Mond gibt. Machbar ist es - alles nur eine Frage des Geldes.“

Interview: Heiko Lossie, dpa